17. November 2021, 14:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Während Deutschland sich gerade durch die vierte Corona-Welle kämpft, hat das Nachbarland Österreich ein weiteres Problem dazubekommen: Immer mehr Menschen erleiden Vergiftungen durch den Tierarzneistoff Ivermectin, weil sie das Entwurmungsmittel gegen Corona einnehmen. Was steckt dahinter?
Die Welt kämpft nicht nur gegen die Corona-Pandemie, sondern auch gegen ihre Leugner und Verschwörungsanhänger. Viele Menschen wollen sich nach wie vor nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. In Österreich beispielsweise werden die Impfgegner von der rechten Partei FPÖ befeuert. Wie die deutsche AfD zweifelt auch die FPÖ die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie an. Stattdessen riet Herbert Kickl, Chef der FPÖ, dazu, ein Entwurmungsmittel gegen Corona einzunehmen, das hauptsächlich für Tiere gedacht ist. Nun wird von Vergiftungen mit dem Tierarzneistoff berichtet.
Übersicht
Was ist Ivermectin?
Ivermectin kommt ursprünglich aus der Tiermedizin und dient dort zur Behandlung und Vorbeugung von Infektionskrankheiten, die durch Ektoparasiten und Fadenwürmer verursacht wurden. Bei Menschen wird das verschreibungspflichtige Medikament als Therapie gegen Krätze angewendet. Es lähmt die Nerven- und Muskelzellen von Krätzmilben und tötet diese damit zuverlässig ab. Allerdings ist es nicht das Mittel der ersten Wahl. Erst wenn die Behandlung mit Permethrin-Creme nicht erfolgreich war, kommt Ivermectin zum Einsatz.
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Warum wird das Entwurmungsmittel gegen Corona eingenommen?
Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie im April 2020 haben Forscher der Monash University im australischen Melbourne die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Corona untersucht. Die ersten Studienergebnisse waren vielversprechend.1 Angewendet bei Zellkulturen konnte das Medikament die Last der Coronaviren um den Faktor 5000 senken. Jedoch handelte es sich dabei um Versuche im Reagenzglas und nicht an Menschen. Dennoch sprach sich schnell herum, dass dieses Entwurmungsmittel gegen Corona wirken solle.
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Aber: Den Mythos haben zuletzt die Forscher der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) zerschlagen. Im Juli 2021 veröffentlichten sie gemeinsam mit Kollegen weiterer deutscher Universitätskliniken im Rahmen des „Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19“ ihre Auswertung zur Wirksamkeit von Ivermectin gegen Corona.2 „Wir haben 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in unsere Untersuchung einbezogen“, erklärt die Biologin Dr. Stephanie Weibel, die gemeinsam mit der Ärztin Maria Popp, Hauptautorin der Studienauswertung ist.
Das Ergebnis: Im Vergleich mit einer Standardbehandlung oder mit einem Placebo fand man keine Hinweise darauf, dass Ivermectin den Zustand von Erkrankten verbessert oder die Zahl der Todesfälle reduziert. Laut den Forschern lässt sich mit dem Medikament auch keine Corona-Infektion verhindern. „Die aktuelle Evidenz rechtfertigt keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von Covid-19“, sagen die beiden Wissenschaftlerinnen Stephanie Weibel und Maria Popp.
Mediziner warnen vor Vergiftungen mit Ivermectin
Obwohl Wissenschaftler davon abraten, das Entwurmungsmittel gegen Corona einzunehmen, erfährt Ivermectin in Österreich geradezu einen Hype. Das liegt sicherlich auch an den Empfehlungen des FPÖ-Politikers Herbert Kickl, der mittlerweile selbst an Corona erkrankt ist. „Ivermectin ist immer wieder ausverkauft und das, obwohl es rezeptpflichtig ist“, sagt Thomas Veitschegger, Präsident der Oberösterreichischen Apothekerkammer gegenüber OÖNachrichten. Erstaunlich sei auch, dass offensichtlich viele Mediziner dieses Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von Würmern verschreiben.
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Problematisch ist es deswegen, weil es, in hohen Dosen eingenommen, für den Menschen toxisch ist. Doch gerade eine hohe Dosierung gilt als vermeintlich erfolgversprechend bei der Bekämpfung von Corona. „Viele Leute nehmen das Medikament völlig falsch ein. Sie nehmen die weitaus höhere Dosis, die eigentlich für Pferde gedacht ist“, wird Veitschegger von OÖNachrichten zitiert. So kam es bereits zu Vergiftungen.
Deswegen rät die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) strickt davon ab, Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Corona-Infektionen zu verwenden. Ivermectin sei gut verträglich in Dosen, die für andere Erkrankungen zugelassen sind. Jedoch können die Nebenwirkungen mit einer viel höheren Dosierung, die erforderlich wäre, um gegen das Virus eine Wirksamkeit zu erzielen, zunehmen. In diesem Fall ist laut der EMA eine Vergiftung mit Ivermectin nicht ausgeschlossen.
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Quellen
- Caly L, Druce JD, Catton MG et al. (2020). The FDA-approved drug ivermectin inhibits the replication of SARS-CoV-2 in vitro. Antiviral Research
- Popp M, Stegemann M, Metzendorf MI et al. (2021). Ivermectin for preventing and treating COVID-19. Cochrane Database of Systematic Reviews