26. Mai 2023, 10:35 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Die einen wollen nur etwas abnehmen – die anderen bekommen deshalb Probleme, ihr Diabetesmedikament zu bekommen. Die Nachfrage nach einem in sozialen Medien gehypten Wirkstoff hat Folgen.
Weil immer mehr ein verschreibungspflichtiges Diabetesmedikament vermehrt als Abnehmhilfe nutzen, gerät die Versorgung damit ins Stocken. Der Lieferengpass trifft damit Patienten, die den Wirkstoff Semaglutid eigentlich dringend benötigen. Entsprechend wird die Kritik an Off-Label-Verschreibungen immer lauter.
Übersicht
Grund für den Lieferengpass bei Semaglutid
„Aktuell haben wir einen Lieferengpass bei einem Diabetesmedikament, bei Semaglutiden, weil man gemerkt hat, das kann man auch zum Abnehmen nutzen“, sagte David Francas, Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse an der Hochschule Worms. „Das wird gehypt und plötzlich hat man einen Off-Label-Use für das Medikament, der auch die Nachfrage treiben kann.“
Was ist ein Off-Label-Use?
Bei einem Off-Label-Use (auf Deutsch in etwa: andere Verwendung als auf dem Etikett) wird ein Arzneimittel gegen eine Krankheit eingesetzt, für die es von den Zulassungsbehörden keine Genehmigung hat.
Für wen der Wirkstoff eigentlich gedacht ist
Semaglutid ist in Europa seit 2018 als Diabetes-Medikament „Ozempic“ zugelassen, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Neuer, von Anfang 2022, ist eine Zulassung in der EU speziell mit dem Einsatzgebiet Gewichtsverlust und -kontrolle (Markenname „Wegovy“): Gedacht ist es für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas, und für Übergewichtige (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung.
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Deutliche Kritik an Off-Label-Verschreibungen
„Wegovy“ ist in Deutschland bisher aber gar nicht erhältlich, wie der Hersteller Novo Nordisk Pharma auf Anfrage bestätigte. Offenbar wird Abnehmwilligen von Ärzten stattdessen gern mal das Diabetesmedikament „Ozempic“ verschrieben. „Es geht nicht an, dass ich ein Anti-Diabetikum verschreibe off-label für jemanden, der abnehmen möchte. Das ist ein Unding, da hab ich doch auch eine Verantwortung als Verschreiber“, kritisierte Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Apotheke des Uniklinikums Heidelberg, diese Nutzung.
Semaglutid wurde in den vergangenen Monaten in sozialen Netzwerken gehypt, auch weil einige Promis so abgenommen haben sollen (FITBOOK berichtete bspw. über Sharon Osbourne). So erwähnte Tech-Milliardär Elon Musk auf die Frage nach dem Geheimnis seines Aussehens neben dem Fasten den Namen der Arznei. Ärzte berichten von verstärkten Nachfragen von Patienten nach dem Mittel.
In einer Studie verloren Patienten, die begleitend zu Lebensstiländerungen eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, im Schnitt nach 68 Wochen etwa 15 Prozent Gewicht. Eine Vergleichsgruppe, die ein Scheinmedikament bekam, nahm im gleichen Zeitraum nur gut zwei Prozent ab, wie es im „New England Journal of Medicine“ hieß.
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Experten warnen vor Nebenwirkungen
FITBOOK hat unabhängige Ärzte zur Wirkung und möglichen gesundheitlichen Folgen befragt. Ihre Antworten lesen Sie hier. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) warnte schon Ende 2022 vor Risiken und Nebenwirkungen und „einer von den Zulassungsbehörden nicht freigegebenen, unkontrollierten Anwendung“. Eines der Probleme sei, dass eine Lifestyle-Anwendung nicht untersucht sei, hatte DGE-Sprecher Stephan Petersenn erklärt. „Es ist unklar, ob ein übergewichtiger Patient, der aber nicht adipös ist, überhaupt Gewicht verliert.“ Auch Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall seien möglich. Generell solle die Anwendung eingebettet sein in ein Gesamt-Therapiekonzept mit Ernährung und Sport unter ärztlicher Überwachung.
Mit Material von dpa