8. November 2018, 17:35 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Deutsche Urologen haben in einer Studie bestätigt, dass Testosteronspritzen bei Erektionsstörungen helfen können. Doch die Untersuchung hat einen Haken.
Es ist DER Albtraum eines jedes Mannes: Erektionsstörungen. Die können verschiedenen Ursprungs sein. Die meisten Männer bekommen keinen mehr „hoch“, weil die Penisdurchblutung gestört ist. Auch Diabetes ist ein häufiger Grund für erektile Dysfunktion, also Impotenz.
Ein weiterer Faktor: Hypogonadismus. Was bitte? Testosteronmangel! Der ist oft (aber nicht immer) altersbedingt. Denn: Die Testosteronproduktion nimmt im Laufe des Lebens ab. Schon ab dem 30. Lebensjahr bildet der männliche Hoden weniger von dem Geschlechtshormon.
Zwei Urologen aus Bremerhaven haben jetzt in einer Studie bestätigt, was schon seit längerer Zeit angenommen wird: dass eine Behandlung mit Testosteron die Potenz verbessern kann.
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Das haben die Ärzte untersucht
Die Forscher haben 478 Männer mit Testosteronmangel, die unter mittel- bis hochgradigen Erektionsproblemen litten, umfassend beraten. Rund die Hälfte entschied sich für eine Therapie mit Testosteron-Injektionen. Die andere Hälfte, die Kontrollgruppe, entschied sich dagegen. In beiden Gruppen nahmen rund 25 Prozent der Patienten außerdem noch bestimmte Potenzmittel, sogenannte PDE-5-Hemmer.
PDE-5-Hemmer (z.B. Viagra)
„PDE-5-Hemmer stören das Enzym Phosphodiesterase-5 (PDE-5). Dieses Enzym spaltet in den Schwellkörpern des Penis einen Stoff, der für die Erektion nötig ist. Das führt dazu, dass der Penis wieder abschwellt.“–
Bei den Probanden in der Testosteron-Gruppe besserten sich die Erektionsstörungen nach zehn Jahren gemäß IIEF-Score (International Index of Erectile Function) deutlich. Dies war auch dann der Fall, wenn man die Ergebnisse um Faktoren wie Alter, Gewicht oder Blutdruck bereinigte. Probanden, die sich gegen eine Testosteronsubstitution aussprachen, stellten eine weitere Verschlechterung ihrer Potenz fest.
Farid Saad von der Bayer AG hat dem Deutschen Ärzteblatt gesagt, dass die Kosten für eine solche Therapie (um die 560 Euro) von den Krankenkassen übernommen werden. Voraussetzung: Die Personen leiden nachweislich unter Testosteronwerten unterhalb des Normalbereiches.
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Darum wird die Studie kritisiert
Die Ergebnisse der beiden Bremerhavener Urologen sorgen auch für Kritik. So werden der Studie „gravierende methodologische Mängel“ vorgeworfen, wie der Endokrinologe Martin Reincke gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt erklärt hat. Dazu gehört einerseits, dass für die Studie verschiedene Arten von Hypogonadismus zusammengeworfen wurden. Andererseits müsse man kritisch sehen, dass die Studie von einem Testosteronhersteller (Bayer) mitfinanziert wurde. Ebenfalls kritisch: In der Kontrollgruppe kam Diabetes (ein anderer Auslöser für Erektionsstörungen) deutlich häufiger vor, was die Aussagekraft hinsichtlich der Testosterontherapie verwässern könnte.
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Darum sind die Ergebnisse wohl trotzdem richtig
Die Ergebnisse der Studienautoren – pro Testosteron bei hypogonadalen Impotenz-Patienten – entsprechen dem Fazit anderer Papers sowie den Leitlinien der European Association of Urology, deren Fazit lautet: „Eine Testosteronersatztherapie wird empfohlen für Patienten mit Rückgang bei Libido und Erektion.“
Ist Testosteronmangel ein Krankmacher?
Je älter Mann wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an Testosteronmangel leidet. Letzteres gilt aber auch altersunabhängig für Menschen, die übergewichtig sind und/oder sich zu selten bewegen. Vor Kurzem haben sich Forscher dem Thema Multimorbidität angenommen, also dem zeitgleichen Vorliegen von mehreren chronischen Erkrankungen.
Genauer gesagt haben die Wissenschaftler das Vorkommen von Mehrfacherkrankungen in drei Altersklassen mit und ohne Testosteronmangel untersucht. Das Ergebnis: Menschen mit einem zu niedrigen Testosteronspiegel leiden häufiger an mehr als einer dieser chronischen Erkrankungen: Diabetes Typ 2 („Zuckerkrankheit“), Arthrose, Schlaganfall, Bluthochdruck, Depressionen u.a. Das gelte für alle drei Altersklassen, aber vor allem für jüngere (20-40 Jahre) und ältere Männer (≥60 Jahre). Mehr dazu können Sie hier nachlesen.
Vorsicht vor Testosteronmissbrauch!
Viele Sportler schwören auf die muskelaufbauende Wirkung von Testosteron (Stichwort: Doping). Doch nicht nur, dass die Einnahme von Steroidhormonen den Wettbewerb verzerrt, sie kann bei zu hohen Dosen auch gefährlich werden! Laut der Apotheken Umschau gelten beispielsweise Thrombosen als typische Nebenwirkung unkontrollierten Testosterongebrauchs.
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Fazit
Rund 6 Prozent aller Erektionsstörungen sind hormonell bedingt. Sollten Sie unter Potenzproblemen leiden, sollten Sie kontrollieren lassen, dass Sie nicht unter einem Testosteronmangel leiden. Sollte dies der Fall sein, könnten Sie mit Ihrem Urologen über die Möglichkeit einer Testosterontherapie sprechen.