15. August 2024, 4:13 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Männer können bekanntlich auch noch jenseits der 50 Kinder zeugen. Doch welchen Einfluss hat dies auf die Gesundheit des Babys? Eine wichtige Frage vor dem Hintergrund einer neuen Studie der Stanford University, die zeigt, dass Männer immer häufiger erst spät Vater werden.
Bei Frauen bestimmt die biologische Uhr, bis wann sie Mütter werden können – bereits ab 35 Jahren spricht man von einer Risikoschwangerschaft, ab 45 Jahren bleibt ein Kinderwunsch in den meisten Fällen leider unerfüllt. So stand in vergangenen Forschungsarbeiten vorwiegend das Alter der Frau im Fokus, wenn es um die Gesundheit des Säuglings ging. Doch scheint auch das Alter des Vaters eine wichtige Rolle zu spielen. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, denn laut einer groß angelegten Querschnittsstudie werden Männer immer häufiger spät Vater – mit Risiko für die Kindesgesundheit.
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Übersicht
Besorgniserregender Trend: Männer werden immer später Vater
Amerikanische Forscher wollten wissen, welche soziodemografischen Merkmale, zeitlichen Trends und perinatalen (um die Geburt herum) Ereignisse mit den ältesten Vätern (50 Jahre oder älter) in den USA verbunden sind. Dafür sammelten sie zwischen den Jahren 2011 und 2022 die Daten von 46.195.453 Geburten in den USA.1
Von den Vätern, die Teil der Studie waren, waren 484.507 (1,1 Prozent) 50 Jahre oder älter, 47.785 (0,1 Prozent) 60 Jahre oder älter und 3777 (0,008 Prozent) 70 Jahre oder älter. Die Anzahl von Geburten mit Vätern im Alter von 50 Jahren oder älter stiegen von 1,1 Prozent im Jahr 2011 auf 1,3 Prozent im Jahr 2022 an. Das ist ein geringer, aber signifikanter Anstieg.
Welche Gründe gibt es für diesen Trend?
Die Beweggründe von Männern für eine späte Vaterschaft sind bislang unklar, die Studienautoren weisen jedoch darauf hin, dass dieser Umstand häufig auf „verminderte Sorgen um die männliche ‚biologische Uhr‘ und den Wunsch nach schulischer und finanzieller Stabilität vor der Familiengründung“ zurückgeführt werde. Außerdem könne auch die Entwicklung der Rollenbilder Einfluss nehmen, die eine aktive Beteiligung beider Eltern fördern und gleichzeitig traditionelle Rollen wie die des männlichen „Ernährers“ betonen.
Wie beeinflusst das Alter des Vaters die Gesundheit des Babys?
Die Wissenschaftler berücksichtigten bei ihrer Analyse weitere Einflussfaktoren wie das Alter und Body-Mass-Index der Mutter, Tabakkonsum, den Bildungsstatus beider Elternteile und ethnische Herkunft. Doch auch vor diesem Hintergrund zeichnete sich ab, dass das Alter des Vaters signifikant Einfluss auf die Kindesgesundheit zu nehmen scheint.
Das von den Autoren gewählte Berechnungsmodell zeigte einen schrittweisen Zusammenhang zwischen negativen perinatalen Ergebnissen und jedem Zehn-Jahres-Anstieg des Alters des Vaters. So war das Risiko für eine Frühgeburt bei Vätern im Alter zwischen 50 und 59 Jahren im Vergleich zu Vätern im Alter zwischen 30 und 39 Jahren um 16 Prozent erhöht. Ebenso stieg das Risiko eines geringen Geburtsgewichts um 14 Prozent. Bei Vätern ab 70 Jahren stieg das Risiko einer Frühgeburt sogar um 21 Prozent, das eines zu geringen Geburtsgewichts um 24 Prozent.
Auch Folgen für die Mütter wurden festgestellt
Wer spät Vater wird, beeinflusst offenbar auch das Risiko der Mutter, dass es während der Schwangerschaft zu Komplikationen kommt. In der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen wurden auch Komplikationen für die werdende Mutter festgestellt. So kam es häufiger zu Fällen von Schwangerschaftsdiabetes: Das Risiko hierfür war um 13 Prozent erhöht. Bei Vätern im Alter von 60 bis 69 Jahren stand das Risiko einer Schwangerschaftshypertonie im Vordergrund. Hierfür stieg das Risiko um elf Prozent an (und um immerhin zwei Prozent bei den 50- bis 59-Jährigen). Bei über 70-Jährigen waren diese Zusammenhänge nicht erkennbar.
Auch interessant: Ernährung der Mutter beeinflusst Gewicht des Kindes schon vor Schwangerschaft
Häufige Zuhilfenahme von Befruchtungsmethoden
Ältere Väter zeigten eine höhere Neigung, die Hilfe von assistierter Reproduktionstechnologie (ART), also bspw. einer künstlichen Befruchtung, in Anspruch zu nehmen. So wendeten Väter im Alter zwischen 50 und 59 Jahren mehr als doppelt so häufig ART an und wiesen eine um 16 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf, ein Kind mit einer Erstgebärenden zu zeugen.
Ergebnisse decken sich mit früheren Erkenntnissen der Stanford University
Bereits 2018 enthüllte eine Studie der Stanford University beunruhigende Zusammenhänge zwischen dem Alter des Vaters und einer Reihe von Komplikationen, die Mutter und Kind betreffen. Die damalige Untersuchung bezog Männer ab einem Alter von 45 Jahren ein. Die Daten stammten von mehr als 40,5 Millionen Lebendgeburten in den USA zwischen 2007 und 2016.2
13 Prozent der Frühgeburten hängen mit dem Alter des Vaters zusammen
Väter ab 45 Jahren wurden mit einer Referenzgruppe verglichen, die aus Vätern zwischen 25 und 34 Jahren bestand. Die Gegenüberstellung offenbarte: War der Vater mindestens 45 Jahre alt, wurde ein signifikant höheres Risiko für Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht beobachtet. Auch unter Einbezug des mütterlichen Alters zeigte sich ein um 14 Prozent erhöhtes Risiko für Frühgeburten. Außerdem stellte man ein um 18 Prozent erhöhtes Risiko für Krampfanfälle des Säuglings fest. Das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes der Mutter stieg um 28 Prozent. Auch benötigten Babys älterer Väter auffällig oft Atemunterstützung.
„Mögliche Risiken einer späten Elternschaft wurden lange Zeit hauptsächlich in Bezug auf das Alter der Frau betrachtet. Der Einfluss des Alters des Vaters wurde bislang vernachlässigt“, zitiert das „Ärzteblatt“ Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Stefan Schlatt, Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster.3
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Mit dem Alter verändert sich die Qualität der Spermien
Woran könnte es liegen, dass es auch das Risiko von Komplikationen erhöht, wenn man spät Vater wird? Die Forscher vermuten, dass es mit einer Abnahme der Spermienqualität zu tun haben könnte. So schreiben die Studienautoren: „Altersbedingte Erkrankungen wie Erektionsstörungen und Hypogonadismus beeinträchtigen die väterliche Fruchtbarkeit, während mit zunehmendem Alter eine Abnahme des Samenvolumens, der Beweglichkeit und der Morphologie einhergeht.“
Lange Zeit sei man davon ausgegangen, dass männliche Keimzellen nicht alterten, so Dr. Schlatt weiter. Mittlerweile glaube man aber, dass bei älteren Männern die Spermien-DNA durch genetische Veränderungen Schaden nehmen könne. Dazu passen die Ergebnisse einer früheren Studie mit 5081 Männern zwischen 16 und 72 Jahren. Diese hatte herausgefunden, dass bei Männern über 35 sowohl die Qualität als auch die Quantität der Spermien abnehmen. In der Folge könnte die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft sinken.4
Generell könnte sich das Risiko spät Vater zu werden weiter erhöhen, da seit Jahrzehnten weltweit die Spermienqualität sinkt.