9. April 2024, 4:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
US-Forscher haben untersucht, inwieweit standardmäßig gemessene Blutwerte dazu taugen, Aussagen über ein höheres Risiko für schwere Erkrankungen und einen vorzeitigen Tod zu treffen. Im Mittelpunkt stand eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen.
Emsig arbeiten Forscher weltweit daran, herauszufinden, welche Personen für welche Krankheiten wie stark gefährdet sind. Ihr Wunsch ist es, Biomarker zu identifizieren, die eine Vorhersage für das Auftreten und den Verlauf diverser Krankheiten erleichtern können – von Krebs, über Autoimmunerkrankungen, bis hin zu Demenz. Im Jahr 2019 veröffentlichten Forscher des University Hospitals Cleveland Medical Center eine Studie, die sich statt auf neue Biomarker auf standardmäßig gemessene Blutwerte konzentrierte. Sie kam zu dem Schluss, dass besonders ein Blutwert eine hohe Aussagekraft für das Erkrankungs- und Sterberisiko haben könnte. Weiter Studien lieferten in den folgenden Jahren diesbezüglich zusätzliche Hinweise.
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Übersicht
Studie von 2019
Die Wissenschaftler um Dr. Jarrod E. Dalton vom University Hospitals Cleveland Medical Center hatten Daten aus einem Zeitraum von zwölf Jahren und von insgesamt 31.178 Teilnehmern im Rahmen einer national angelegten Untersuchung (NHANES) analysiert. Sie betrachteten die erhobenen Blutwerte und setzten diese in Bezug zu den in den nächsten zwölf Jahren auftretenden Krankheiten und Sterbefällen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der medizinischen Fachpublikation „JAMA Network Open“.1
Das Ziel der Studie: herauszufinden, was ein gängiger Wert, der in keinem Blutbild fehlen darf, eigentlich noch so kann. Statt sich also auf neue, womöglich noch nicht identifizierte, Biomarker zu fokussieren, wollten die Wissenschaftler wissen, ob man an Werten, die bereits jetzt bei Arztbesuchen ermittelt werden, noch mehr ablesen kann. Können die Werte etwas über ein mögliches Risiko für Krankheiten und die Wahrscheinlichkeit, an diesen zu sterben, aussagen?
Von besonderem Interesse war für die Forscher der Lymphozyten-Spiegel. Bei den Lymphozyten handelt es sich um eine Art der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Ein niedriger Spiegel galt bis dato nur für Betroffene eines bestimmten Herzklappenfehlers als ernstzunehmender Risikofaktor für einen frühzeitigen Tod. Ob er auch als allgemeiner Risikofaktor Vorhersagekraft haben könnte, wollte man in der vorliegenden Studie herausfinden.
Korrelation zwischen Blutwert und erhöhtem Krankheits- sowie Sterberisiko
Die Analyse ergab tatsächlich Hinweise auf eine Korrelation zwischen wenig Lymphozyten im Blut (=Lymphopenie) und einem erhöhten Krankheits- und Sterberisiko. Der Zusammenhang blieb unabhängig vom Alter und anderen typischen Risikofaktoren bestehen. Das heißt: Wer deutlich zu wenig Lymphozyten hatte, erkrankte häufiger schwer und/oder starb früher. Die Korrelation galt für folgende Krankheiten: Herzerkrankungen, Krebs sowie Atemwegserkrankungen.
Damit nicht genug: Die Aussagekraft konnte noch gesteigert werden, indem die Forscher zwei weitere Blutwerte hinzuzogen: CRP und RDW. CRP (=C-reaktives Protein) ist ein Eiweiß, das – wenn im Blutbild erhöht – auf Entzündungen im Körper hinweist. RDW (=red cell distribution width) heißt übersetzt Erythrozytenverteilungsbreite und ist ein Maß für die Größenverteilung der roten Blutkörperchen im Blut. Ein (stark) erhöhter RDW-Wert kann ein Hinweis auf verschiedene Formen von Blutarmut sein.
In ihrer Studie kamen die Forscher zu dem Schluss, dass – basierend auf diesen Werten – rund 20 Prozent der erwachsenen US-Bevölkerung als Hochrisikopatienten einzustufen wären. Sie stellten folgende Rechnung auf: Für Personen mit dem höchsten Risiko (laut den Blutmarkern) liegt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten zehn Jahren zu versterben, bei 28 Prozent – bei Personen mit dem niedrigsten Risikoprofil hingegen nur bei vier Prozent.
Das Fazit von Studienleiter Dr. Dalton lautete seinerzeit: „Eine große standardmäßige Blutuntersuchung ist nicht nur einfach durchzuführen und kostengünstig, sondern – wie unsere Ergebnisse nahelegen – könnte auch Ärzten dabei helfen, gesundheitlich besonders gefährdete Menschen früher zu identifizieren.“
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Weitere Studien zur Bedeutung der weißen Blutkörperchen
Seit Veröffentlichung der beschriebenen Studie im Jahr 2019 gab es weitere Forschungsarbeiten, die sich mit dem Zusammenhang von Blutwerten und Krankheiten sowie Sterberisiko beschäftigten. So konnte insbesondere die gesundheitliche Bedeutung der weißen Blutkörperchen weiter untermauert werden. In einer Untersuchung von 2021 etwa konnten Wissenschaftler eine Korrelation zwischen einem niedrigen Lymphozyten-Spiegel und einem erhöhten Risiko, an einer Covid-Erkrankung zu sterben, aufzeigen.2
2023 erschienen zwei Studien, die die Zusammensetzung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) in den Fokus rückten. So scheint neben dem Lymphozyten-Spiegel auch das Verhältnis von Neutrophilen zu den Lymphozyten ein Indikator für Erkrankungs- und Sterberisiko sein zu können. Bei Neutrophilen handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die dem Körper bei der Bekämpfung von Infektionen und der Heilung von Verletzungen helfen.3 Bei Menschen mit Adipositas wies man eine Korrelation zwischen der Leukozyten-Zusammensetzung und dem Risiko für Herzerkrankungen auf.4 Auch für Diabetiker scheint diese Zusammensetzung von besonderem Interesse zu sein – nämlich bei der Frage, wie hoch ihr Risiko ist, an einer Herzerkrankung zu sterben. Zudem lässt sie offenbar einen Schluss auf das allgemeine Sterberisiko von Menschen mit Diabetes zu.5
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Was bedeutet das für mich?
Dass Sie beim Anblick Ihrer Blutwerte nicht gleich in Panik ausbrechen sollten. Weichen diese von der gesunden Norm ab, wird Ihr Arzt Sie darauf aufmerksam machen. So auch im Fall eines niedrigen Lymphozyten-Spiegels. Entsprechende Folgeuntersuchungen können dann sinnvoll sein. Ein Mangel an Lymphozyten heißt in erster Linie erstmal nur, dass Ihr Körper anfälliger für Infekte ist. Trotzdem kann es nicht schaden, den Wert im Hinterkopf zu behalten und ggf. bei späteren Blutuntersuchungen mal darauf zu achten, wie er sich entwickelt hat.
Außerdem kann Ihnen ein niedriger Lymphozyten-Spiegel vielleicht als Weckruf dienen, andere Risikofaktoren für Krebs, Herzinfarkt und Co. aus ihrem Leben zu verbannen: etwa Rauchen, eine ungesunde Ernährung, Übergewicht oder zu wenig Bewegung.