6. Mai 2022, 11:01 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Schätzungsweise acht Prozent der erwachsenen Deutschen leiden an Depressionen. Das hat nicht nur einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch auf ihre Gesundheit. Wie eine aktuelle Studie der TU Dresden zeigt, können nämlich Depressionen auch das Immunsystem schwächen und dadurch eine chronische Erschöpfung auslösen.
Depressive Störungen sind in Deutschland ein weitverbreitetes Leiden. Zu den häufigsten Symptomen zählen Antriebsmangel, chronische Müdigkeit, Freudlosigkeit, Interessenverlust und Schlafprobleme. Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sind davon etwa 11 Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer betroffen.1 Und leider ist die psychische Erkrankung für die meisten Suizide verantwortlich. Umso wichtiger ist es, depressive Störungen zu behandeln. Nun haben Forscher der Technischen Universität Dresden, der Universität Zürich sowie des Max-Planck-Instituts erstmals einen Zusammenhang zwischen Depressionen und dem Immunsystem aufgezeigt.2
Übersicht
16 Millionen Bilder von Blutzellen analysiert
Für die Studie wurden 69 Personen mit einem hohen Risiko für Depressionen rekrutiert. Als Kontrollgruppe dienten 70 gesunde Kandidaten. Alle Teilnehmer wurden anhand des anerkannten „Composite International Diagnostic Interview“-Tests auf ihre psychische Gesundheit hin untersucht. Mit dem Verfahren konnten die Wissenschaftler Lebenszeit- und 12-Monats-Diagnosen erstellen. Außerdem wurde das Blutbild der Probanden analysiert. Dabei verwendeten die Forscher künstliche Intelligenz, um über 16 Millionen Bilder von Blutzellen nach Anzeichen für Veränderungen der Zellgröße und -struktur zu durchsuchen.
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Verformte Blutzellen bei depressiven Patienten
So fanden die Wissenschaftler heraus, dass Blutzellen bei Patienten mit depressiven Störungen im Vergleich zu Kontrollpersonen verformter waren, während die Zellgröße nicht beeinflusst wurde. Dabei wiesen Probanden, die Jahre oder sogar ihr Leben lang an einer depressiven Störung litten, eine erhöhte Zellverformbarkeit auf. Das traf insbesondere auf die Monozyten und neutrophile Granulozyten (ein Teil der weißen Blutkörperchen) zu. Patienten, die kürzer, nämlich ein Jahr, an einer Depression litten, hatten hingegen stärker verformte Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und Lymphozyten.
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Geschwächtes Immunsystem sorgt für chronische Erschöpfung
Die Studienergebnisse zeigen, dass depressive Störungen, die länger als zwei Jahre andauern, Blutzellen stärker deformieren. Davon sind am stärksten Lymphozyten, Monozyten und Neutrophile betroffen, die besonders für das Immunsystem wichtig sind. Deswegen schlussfolgern die Forscher, dass bei Depressionen mechanische Veränderungen der Zellen im Immunsystem auftreten, was eine anhaltende Immunreaktion auslösen kann. Dies sei ein Hinweis für eine schlechtere Zellfunktion und könne einer der Gründe für die chronische Erschöpfung vieler Betroffener sein.
Dank dieser Erkenntnis bieten sich in Zukunft womöglich neue Therapiemöglichkeiten, um die Zellfunktion zu verbessern und somit auch das Befinden der Patienten. „Wir arbeiten parallel an der Erforschung pharmakologischer Therapien zur Verbesserung einer dysfunktionalen Biologie sowie an psychologischen Therapien zur Verbesserung dysfunktionaler kognitiver und emotionaler Prozesse. Meines Erachtens lässt sich nämlich nur in einem holistischen Ansatz dieses komplexe Störungsbild verstehen und effizient therapieren und hoffentlich in Zukunft viel Leid verhindern“, sagt Erstautor Dr. Andreas Walther, der die Studie an der Professur für Biopsychologie der TU Dresden durchgeführt hat.3
Jedoch ist weitere Forschung notwendig, um den Einfluss von Depressionen auf das Immunsystem an größeren Probanden-Gruppen zu bestätigen.
Hier finden Sie einen Selbsttest, Hilfe sowie weitere Informationen bei einem depressiven Leiden: Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Info-Telefon Depression: 0800 / 33 44 533
Betroffene müssen aber viel Geduld mitbringen Depression laut Depressionshilfe besser behandelbar als oft geglaubt
Hoffnung für Betroffene Antibiotikum soll gegen Depressionen helfen
Studie Diesen positiven Effekt haben bereits 20 Minuten zügiges Gehen täglich
Quellen
- 1. Stiftung Deutsche Depressionshilfe: Zahlen und Fakten über Depression
- 2. Walther, A., Mackens-Kiani, A., Eder, J. et al. (2022). Depressive disorders are associated with increased peripheral blood cell deformability: a cross-sectional case-control study (Mood-Morph). Translational Psychiatry.
- 3. Technische Universität Dresden. Depressive Störungen können zu Veränderungen der Immunzellen führen. (aufgerufen am 06.05.2022)