6. April 2020, 12:20 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Corona-Infizierte sind bekanntermaßen hochgradig ansteckend. Warum das Infektionsrisiko besonders zu Beginn der Erkrankung und auch ohne Auftreten von Symptomen am höchsten ist, haben nun Forschende der Charité, der München Klinik Schwabing und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in einer Studie herausgefunden.
Dass Corona auch ohne Symptome ansteckend ist, weiß man jetzt schon länger. Warum das aber so ist, haben nun Forschungsgruppen der Charité, der München Klinik Schwabing und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr genauer untersucht. Das erklärten sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Für die Untersuchung wurden bei Patienten in der Münchener Klinik während des gesamten Verlaufs ihrer Corona-Erkrankung täglich Nasen-Rachen-Abstriche und Proben des Hustenauswurfs entnommen. Ergänzend sammelte man Stuhl-, Blut- und Urinproben der Infizierten. Die Proben wurden schließlich in zwei verschiedenen Labors – am Institut für Virologie der Charité in Berlin und am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München – unabhängig auf SARS-CoV-2 untersucht.
Viruslast im Rachen macht Corona auch ohne Symptome so ansteckend
Dabei fand man heraus, dass die Menge an infektiösen SARS-CoV-2-Viren in der ersten Woche der tatsächlich symptomatischen Erkrankung vor allem im Rachen besonders hoch war. Auch im Hustenschleim stellte man eine hohe Dichte an Virus-Erbgut fest. Das verdeutlicht die besondere Ansteckungsgefahr für andere zu Beginn der Erkrankung. „Die hohe Viruslast im Rachen gleich zu Beginn der Symptome deutet darauf hin, dass Covid-19-Erkrankte bereits sehr früh infektiös sind, möglicherweise sogar bevor sie überhaupt bemerken, dass sie krank sind“, so die Aussage von Oberstarzt Privatdozent Dr. Roman Wölfel, Direktor des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr.
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Coronaviren breiten sich nicht erst in der Lunge aus
Dass man sowohl aus den Nasen-Rachen-Abstrichen als auch dem Auswurf infektiöse Viruspartikel isolieren konnte, lässt noch weitere Schlüsse zu. Der Virologie-Professor der Charité, Christian Drosten, erklärt: „Das bedeutet, dass sich das neue Coronavirus nicht erst in der Lunge, sondern bereits im Rachen vermehren kann und damit sehr leicht übertragbar ist.“
Ganz zu Beginn der Virus-Pandemie war man noch davon ausgegangen, dass das neuartige Coronavirus wegen seiner genetischen Ähnlichkeit zum ursprünglichen SARS-Virus nur die Lunge befällt und die zwischenmenschliche Übertragung deshalb nicht so leicht sei. „Unsere Untersuchungen der Münchner Fallgruppe haben stattdessen gezeigt, dass sich das neue SARS-Coronavirus von dem alten in Bezug auf das befallene Gewebe stark unterscheidet“, so Virologe Drosten nun. Dies habe nach seiner Aussage daher große Konsequenzen für die Infektionsausbreitung.
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Antikörperbildung zum Teil bereits innerhalb einer Woche
Zusätzlich wurden die Blutproben der Patienten auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht. Innerhalb der ersten sieben Tage nach Symptombeginn hatte bereits die Hälfte der Erkrankten Antikörper gegen das Virus gebildet. Nach 14 Tagen konnten schließlich bei allen Patienten Antikörper nachgewiesen werden. Im Zusammenhang mit der Antikörperproduktion konnte man einen langsamen Abfall der Viruslast feststellen.
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Forscher empfehlen, wann man Corona-Patienten frühestens entlassen kann
In den meisten Fällen hat die hohe Viruslast im Rachen im Laufe der ersten Krankheitswoche deutlich abgenommen. Auch in der Lunge verringerte sich die Virusvermehrung, jedoch erst später. Obwohl weiterhin Coronaviren in Rachen und Lunge nachzuweisen waren, konnten die Wissenschaftler ab dem achten Tag nach Krankheitsbeginn in Proben, die weniger als 100.000 Kopien des Viren-Erbguts enthielten, keine infektiösen Viruspartikel mehr feststellen.
Anhand dieser Erkenntnisse sprechen die Forschenden nun eine Empfehlung aus, wann Covid-19-Patienten nach einer Behandlung im Krankenhaus wieder in häusliche Quarantäne entlassen werden können, um Bettenkapazitäten in den Kliniken zu schonen: Wenn sich nach dem zehnten Tag der Erkrankung weniger als 100.000 Kopien des Viren-Erbguts in Abstrich oder Hustenauswurf nachweisen lassen, sind Corona-Patienten in häusliche Quarantäne zu verlegen.