16. April 2020, 15:31 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Händewaschen, Abstand halten und so weit wie möglich zu Hause bleiben – mehr kann man gegen das Coronavirus kaum tun, oder? Doch: Man kann mit dem Rauchen aufhören. Denn Experten gehen davon aus, dass die Qualmerei das Risiko verschärft.
Rauchen ist grundsätzlich ungesund – doch steigt für Raucher auch die Gefahr, am Coronavirus bzw. der Lungenkrankheit Covid-19 zu erkranken? Ja, sagt Prof. Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Leiter der Pneumologie am Universitätsklinikum Regensburg. Auch wenn es noch zu wenig Daten für eine abschließende Beurteilung gibt.
»Raucher gefährdeter für Virusinfektionen
So sei zum Beispiel noch nicht ganz klar, ob durch das Rauchen die Infektionsgefahr im Allgemeinen steigt. Es spreche aber vieles dafür. „Raucher haben grundsätzlich ein höheres Risiko, Virusinfektionen zu erleiden“, sagt der Experte.
Der Grund dafür: Durch die Belastung des Rauchens sind die Abwehrkräfte des Bronchialsystems eingeschränkt. Viren und Co. haben so leichteres Spiel. „Das wissen wir aus dem klinischen Alltag – beim aktuellen Coronavirus ist es aber noch nicht nachgewiesen.“
Mehr Informationen gibt es dagegen bezüglich des Verlaufs des Coronavirus bei Rauchern. „Da haben wir aus Wuhan relativ eindeutige Daten“, so Pfeifer. „Die geben zumindest einen Hinweis darauf, dass das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs mit einer echten Lungenentzündung deutlich höher ist.“
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Menge an ACE-2-Enzymen in der Lunge könnte entscheidend sein
Der Annahme, dass Raucher einen schwereren Verlauf des Coronavirus befürchten müssen, schließen sich nun auch kanadische Forscher auf Grundlage neuester Untersuchungen an, die sie im European Respiratory Journal veröffentlichten. Sie gingen zunächst der Frage auf den Grund, warum Patienten in China, die an einer so genannten COPD (chronische obstruktive Lungenerkrankung) litten, schwerer an COVID-19 erkrankt sind. Den Grund dafür vermuteten sie in der Menge des Angiotensin-Converting-Enzyms II, kurz ACE-2, in der Lunge der Erkrankten. So hatten frühere Untersuchungen bereits gezeigt, dass das ACE-2-Enzym auf der Oberfläche von Lungenzellen als Rezeptor für Coronaviren fungiert, von wo aus weitere Zellen infiziert werden. Die Forscher stellten beim Vergleich von 21 COPD-Patienten mit 21 Personen ohne COPD fest, dass bei den COPD-Erkrankten tatsächlich mehr ACE-2 in der Lunge nachzuweisen war. Die COPD ist eine der am häufigsten auftretenden Folgeerkrankungen bei Rauchern.
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Deshalb verläuft das Coronavirus bei Rauchern vermutlich schwerer
Und auch bei aktiven Rauchern ohne COPD fanden die Forscher bereits eine vermehrte Menge des ACE-2-Enzyms in der Lunge. In einer weiteren Untersuchung hatten sie den Enzymgehalt bei insgesamt 249 Nichtraucher, aktuelle Raucher und ehemalige Raucher gemessen. Hierbei zeigte sich, dass der ACE-2-Spiegel bei derzeitigen Rauchern generell höher war als bei den Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern.
Dr. Janice Leung von der Universität von British Columbia und dem St. Paul’s Hospital in Vancouver fasste die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Wir haben festgestellt, dass Patienten mit COPD und Menschen, die noch rauchen, mehr ACE-2 in ihren Atemwegen haben, was ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung schwerer COVID-19-Infektionen mit sich bringen könnte.“
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Doch lohnt es sich jetzt noch, deswegen mit dem Rauchen aufzuhören?
Erstens lohnt sich das Rauchen aufzugeben natürlich immer – Corona hin, Corona her. Aber tatsächlich, so Prof. Pfeifer, könne ein solcher Schritt jetzt noch Wirkung haben: „Es ist durchaus möglich, das Krankheitsrisiko und den Krankheitsverlauf auch jetzt noch zu beeinflussen, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Es macht immer einen Unterschied, ob man aktiver oder ehemaliger Raucher ist.“
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Diese Ansicht vertritt auch Dr. Janice Leung. Laut der kanadische Wissenschaftlerin sei gerade jetzt der beste Zeitpunkt, um das Rauchen aufzugeben und sich so ein Stück weit vor Covid-19 zu schützen. Auch legt sie COPD-Patienten nahe, sich zum Selbstschutz vor einer Infektion besonders strikt an die Abstandsregelungen und Hygienevorschriften zu halten.