1. Juni 2022, 16:39 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wer sich gegen Corona impfen lässt, reduziert sein Ansteckungsrisiko sowie das Risiko eines schlimmen Krankheitsverlaufs. Doch schützt die Impfung auch vor den mitunter heftigen Spätfolgen? Das haben Forscher untersucht – mit ernüchterndem Ergebnis.
Chronische Erschöpfung, Kopfschmerzen, Geschmacksverlust, Halluzinationen, Menstruationsbeschwerden – es gibt rund 200 Symptome, die nach einer durchgemachten Coronainfektion auftreten können (FITBOOK berichtete). Long Covid ist die Bezeichnung für diese späte Reaktion auf die Virusinfektion – und sie wirft noch immer viele Fragen auf. Eine davon ist die, ob eine vollständige Corona-Impfung vor Long Covid schützen kann. Hier kommen Studien zu unterschiedlichen Erkenntnissen. Nachdem britische Forscher erst Hoffnung mit einer Untersuchung zu dieser Frage gemacht hatten, kamen US-Forscher nun zu einem schlechteren Ergebnis. Ihnen zufolge schützt die Corona-Impfung nur geringfügig vor Langzeitfolgen durch eine Corona-Erkrankung.
Übersicht
Covid-Erkrankung nach Impfung möglich, aber meist mild
Auch wer vollständig geimpft ist, kann sich mit dem Coronavirus infizieren, man spricht dann von einem sogenannten „Impfdurchbruch“ (mehr zu diesen Impfdurchbrüchen lesen Sie hier). Eine Impfung reduziert jedoch das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Stattdessen führt eine Coronainfektion nach vollständiger Impfung zu milderen Verläufen, die man zu Hause auskurieren kann. Wer Glück hat, bleibt trotz Infektion sogar symptomlos. Doch wie sieht der Schutz vor Long Covid aus?
Britische Studie: Risiko für Long Covid nach Corona-Impfung halbiert
Die „Zoe Covid Study“, die im Herbst 2021 in „The Lancet Infectious Diseases“ erschien, legte nahe, dass vollständig Geimpfte neben schweren Krankheitsverläufen auch vor Langzeitfolgen nach einer Infektion mit Covid-19 geschützt sind.1 Die Forscher des King’s College London fanden heraus, dass „Erwachsene, die eine Doppelimpfung erhalten haben, tatsächlich 47 Prozent seltener an Long Covid erkranken, wenn sie eine Coronainfektion bekommen“, heißt es auf der Informationsseite zur Studie. Die Studie ergab außerdem, dass die Wahrscheinlichkeit, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, bei infizierten doppelt Geimpften um 73 Prozent sinkt. Immerhin 31 Prozent weniger wahrscheinlich sei das Entwickeln akuter Corona-Symptome.
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So wurden die Daten erhoben
Die Studie basiert auf Daten aus der „UK Zoe Covid Study“-App zwischen dem 8. Dezember 2020 und 4. Juli 2021. Die britischen App-Nutzer übermittelten darin Corona-Symptome, Testergebnisse und Impfstatus. Außerdem fragte die App verschiedene Faktoren ab, wie etwa Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Gewicht, Größe, Wohnort, Gesundheitsrisiken usw.
Im genannten Zeitraum meldeten 1.240.009 Menschen via App eine erste Corona-Impfdosis und 971.504 eine zweite. 2.370 (0,2 Prozent) der zweifach Geimpften meldeten eine Infektion mit dem Coronavirus. Von den einfach Geimpften infizierten sich 0,5 Prozent beziehungsweise 6.030 Menschen mit dem Virus. In der Folge wurden eventuell auftretende Symptome ebenfalls via App getrackt.
Laut der Forscher wurden „fast alle Symptome bei infizierten geimpften Personen seltener gemeldet, als bei infizierten Ungeimpften“. Die vollständig geimpften Studienteilnehmer zeigten demnach häufig gar keine Corona-Symptome, „insbesondere wenn sie 60 Jahre oder älter waren“. Die Forscher erklären an anderer Stelle: „Wir fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, 28 Tage oder länger Symptome nach einer Infektion zu haben, durch zwei Impfdosen etwa halbiert wurden.“ Dieses Ergebnis deute darauf hin, dass das Risiko, nach der Corona-Impfung an Long Covid zu erkranken, reduziert werde. Zudem müsse das insgesamt geringere Ansteckungsrisiko vollständig Geimpfter berücksichtigt werden, mahnen die Forscher an.
US-Studie: Corona-Impfung senkt Risiko für Long Covid nur um 15 Prozent
Die neue Studie zum Schutz der Corona-Impfung vor Long Covid stammt aus den USA und erschien jetzt in „Nature Medicine“. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Schutz nur geringfügig ist. Das Risiko für Geimpfte, Long Covid zu bekommen, ist nur 15 Prozent geringer als für nicht Geimpfte. Allerdings kann die Impfung vor den schwersten Spätfolgen schützen. So senkt sie die Wahrscheinlichkeit, Lungenprobleme zu entwickeln, um fast 50 Prozent. Das Risiko für Blutgerinnsel sinkt laut der Studie durch eine Impfung sogar um 56 Prozent.
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So lief die Studie ab
Im Rahmen der Studie analysierten die Wissenschaftler nationale Gesundheitsdaten des U.S. Department of Veterans Affairs. Diese bezogen sich auf einen Zeitraum von Januar bis Oktober 2021. Enthalten waren medizinische Informationen von 34.000 geimpften Menschen, die einen Impfdurchbruch hatten, sowie von 113.000 ungeimpften Personen, die eine Covid-Infektion überstanden hatten. Die geimpften Studienteilnehmer hatten je zwei Dosen von BioNTech oder Moderna oder eine Impfung von Johnson & Johnson erhalten.2
Die Forscher betrachteten Daten, die über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach der Corona-Erkrankung erhoben worden waren, um zu sehen, ob die Patienten lang anhaltende Symptome aufwiesen. „Impfungen bleiben weiter sehr wichtig im Kampf gegen Covid-19“, betont Studienleiter Ziyad Al-Aly von der Washington University in St. Louis in einer Universitätsmitteilung.3 „Impfungen reduzieren das Risiko, aufgrund von Covid ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben. Menschen, die einen Covid-19-Impfdurchbruch hatten, sollten ihre Gesundheit aber weiter im Blick behalten und sich an einen Arzt wenden, wenn sie anhaltende Symptome oder Schwierigkeiten haben, alltägliche Aktivitäten auszuführen.“
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Quellen
- 1. Antonelli, M., Berry, S., Canas, L. S. et al. (2021). Risk factors and disease profile of post-vaccination SARS-CoV-2 infection in UK users of the COVID Symptom Study app: a prospective, community-based, nested, case-control study (aufgerufen am 3.9.2021)
- 2. Ziyad A., Bowe B., Xie Y. (2022). Long COVID after breakthrough SARS-CoV-2 infection. Nature Medicine.
- 3. Sauerwein K. (2022). Long COVID poses risks to vaccinated people, too. Washington University School of Medicine in St. Louis. (aufgerufen am 01.06.2022).