22. Juni 2020, 12:59 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein in China entwickelter Impfstoff soll bei Probanden Wirkung gezeigt haben. Klingt zunächst nach guten Nachrichten, doch nun wird mehr und mehr Kritik laut. Die Spritzen haben offenbar bei vielen Geimpften Nebenwirkungen gezeigt. Zudem soll ein Inhaltsstoff schon früher negativ aufgefallen sein.
Die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 hält die Forschung in Atem. Auch innerhalb der Bevölkerung scheint die Bereitschaft groß zu sein, sich gegen den hochansteckenden Erreger immunisieren zu lassen. In China haben sich zuletzt 108 Menschen (Alter: zwischen 18 und 60) bereit erklärt, ein Mittel des Impfstoffunternehmens CanSino Biologics an sich testen zu lassen – offenbar mit positivem Ergebnis.
Weniger optimistisch stimmt jedoch die Kritik, die nun an verschiedenen Stellen laut wird. Sie beinhaltet zum einen Zweifel an der Wertigkeit der Studie und richtet sich zum anderen gegen einen ganz bestimmten Inhaltsstoff.
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Bedenken wegen Ad5 in Corona-Impfstoff
Die Details zur Untersuchung, aktuell nachzulesen im Fachblatt „The Lancet“, hat u.a. der „Tagesspiegel“ verständlich zusammengefasst. Wie es dort heißt, enthält der vermeintliche Corona-Impfstoff von CanSino Biologics neben Erbmaterialsbestandteilen des Erregers Sars-CoV-2 das sogenannte Adenovirus „Ad5“. Dessen Zweck ist es, das Erbmaterial des Erregers in die Zellen des Behandelten zu transportieren. Innerhalb der Zelle wird der Sars-CoV-2-Bestandteil als Spike-Protein übersetzt und dieses als Eindringling erkannt, mit der gewünschten Folge, dass das Immunsystem eine Abwehrreaktion anstößt.
Eine der kritischen Stimmen gegen den Einsatz von Ad5 ist die von Hana El Sahly, Virologin am US-amerikanischen Baylor College of Medicine. Sie bezieht sich in ihrer Stellungnahme im Fachjournal „New England Journal of Medicine“ auf Erfahrungswerte aus der Impfforschung. Einen auf Ad5 basierenden Impfstoff habe man vor etwa zehn Jahren gegen HIV getestet, und bewirkte dabei das Gegenteil des gewünschten Effekts: Er habe bei den Probanden die Anfälligkeit für HIV erhöht. Folglich hält sie die Wahl des Transportstoffes für „bedenklich“.
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Teilweise schwere Nebenwirkungen nach Spritze
Auch bei der aktuellen Corona-Studie hat der Impfstoff bereits unmittelbar Nebenwirkungen gezeigt. Einen Probanden, dem man eine sehr hohe Dosis des Mittels verabreicht hatte, soll es laut „The Lancet“ besonders schwer getroffen haben. Er habe nach der Spritze zwei Tage lang an Fieber über 38,5 Grad gelitten, welches u.a. von Atembeschwerden und Muskelschmerzen begleitet worden sein soll. Bei mehr als der Hälfte der Probanden wurden an der Einstichstelle Schmerzen dokumentiert. Immer noch 46 Prozent von ihnen litten nach der Impfung an Fieber und/oder berichteten von starker Müdigkeit, 39 Prozent hatten Kopfschmerzen.
Was spricht für den Wirkstoff?
Tatsächlich soll der Impfstoff von CanSino Biologics bei den Probanden eine messbare Immunreaktion ausgelöst haben. Allerdings: Immunreaktionen bedeutet nicht automatisch Immunschutz. Folglich zweifeln einige Wissenschaftler die Wertigkeit der Studie an, deren angeblich positive Ergebnisse sich bislang auf Test-Impfungen mit vordergründig geringen bis mittelhohen Impfstoffdosen stützt.
Alle offenen Fragen (z.B. wie hoch die Impfstoffdosis sein muss, um eine Immunisierung zu erzielen) will man in einer zweiten Prüfphase klären. Doch ob diese zugelassen wird, dürfte nach den neuesten Meldungen auf der Kippe stehen.
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Impfstoff-Entwicklung dauert normalerweise Jahre
Für gewöhnlich kann die Entwicklung von Medikamenten wie Impfstoffen Jahre dauern. Man benötigt diese Zeit, um die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen und Langzeitfolgen im Rahmen länger andauernder Versuchsreihen bewerten zu können. Im Moment soll es aber besonders schnell gehen. Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit durch die Coronavirus-Pandemie werden auch Zwischenschritte der Forschung auf Preprintservern dokumentiert, noch bevor sie von der Fachwelt überprüft werden konnten.