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Boomendes Hanf-Präparat

CBD-Öl – Wirkung, Studienlage und Experteneinschätzung

Frau träufelt sich CBD-Öl in den Mund
Natürliche Entspannung durch den CBD-Wirkstoff – doch ist das legale Hanf-Präparat unbedenklich? Foto: Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

17. November 2022, 15:12 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Entspannung, die man sich unter die Zunge träufelt: So ordnen es jene ein, die CBD-Öl als Wundermittel feiern. Das Geschäft mit dem legalen Hanf-Präparat boomt. Die gesundheitlichen Wirkungen werden nun mehr und mehr untersucht – eine neue Studie der Harvard Medical School zeigt etwa eine Verbesserung bei Angstzuständen. Wie (un)klug ist es, Cannabidiol in Eigenregie einzunehmen?

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Die Wirkung setzt angeblich nach einer halben Stunde ein. Eine Welle der Entspannung soll dann den Körper durchströmen. „Subtil, unterschwellig“, beschreibt ein Konsument das Gefühl gegenüber FITBOOK. „Locker, ohne high zu sein.“ Für den Mitte 20-Jährigen sind die goldenen Tropfen genau das Richtige, um in einen stressigen Arbeitstag zu starten. So geht es auch Tina, Mitte 30. Sie vergleicht die Wirkung von CBD-Öl mit der von Baldrian: „Es entspannt mich, ich fühle mich ausgeglichener.“

Mund-zu-Mund-Propaganda dieser Art hat es CBD ermöglicht, sich wie ein Lauffeuer rund um den Globus zu verbreiten. Parallel arbeiten Wissenschaftler an Studien und veröffentlichen neue Erkenntnisse rund um den Cannabidiol-Wirkstoff. FITBOOK verschafft Ihnen den Überblick.

Warum ist CBD-Öl so angesagt?

Cannabidiol (dafür steht die Abkürzung CBD) ist der nicht-high-machende Wirkstoff der Hanfpflanze. Aufgrund des niedrigen THC-Gehalts sind CBD-Produkte theoretisch legal – was sie zum Liebling der Lebensmittelindustrie macht: In den vergangenen Jahren haben Hersteller allein in Deutschland mehr als 100 Nahrungsergänzungsmittel mit CBD auf den Markt gebracht.

Die Idee von der natürlichen Entspannung vermarktet sich hervorragend. Brownies und Kaffee werden mit CBD versetzt, genauso wie Cremes, Shampoos und Kaugummis. Besonders beliebt ist es in Form von Öl: mit Hanfsamen-Öl vermischtes CBD-Extrakt, das man sich unter die Zunge träufelt.

Die kleinen Fläschchen gibt es mit 2,5/5/10 oder 15 Prozent Wirkstoff. Je nach Extraktionsverfahren hat CBD-Öl eine dunkelbraune bis goldene Farbe, die an Olivenöl erinnert. Konsumenten beschreiben den Geschmack als „erdig, herb bis mild“.

Wo wird CBD-Öl verkauft?

Zu kaufen gibt es CBD-Öle in Apotheken, zahlreichen Online-Shops sowie Hanfläden. Bereits 2019 hatten auch die Drogerieketten dm und Rossmann die Hanfextrakte geführt, sie dann aber wegen rechtlicher Bedenken zunächst wieder aus dem Sortiment genommen. Hintergrund: Die EU ist sich noch unsicher, ob CBD-haltige Erzeugnisse weiterhin als Nahrungsergänzungsmittel gelten oder ob es für den Arzneimarkt zugelassen werden soll. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) will sich mit einer abschließenden Antwort bisher nicht aus dem Fenster lehnen. Im Moment müssen Produzenten zunächst einen Prüfungsantrag stellen, wie auf der Seite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nachzulesen ist.1

Dm hat mittlerweile wieder Öle mit 5 und 10 Prozent Wirkstoff im Angebot, ebenso gibt es CBD-Öle für Tiere (keine Angabe über die enthaltene Wirkstoffmenge). Im Online-Shop von Rossmann waren CBD-Extrakte am 7. Dezember 2022 nicht auffindbar – dafür eine ganze Reihe an Lifestyle-Produkte, die auch Cannabidiol enthalten. Dazu gehören Salben, Kapseln, Gesichts-Seren oder Muskelgel. In welchem Mengen der Wirkstoff enthalten ist, geht aus den Beschreibungen nicht hervor – Cannabidiol wird lediglich als Inhaltsstoff aufgelistet.

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So wirken Cannabinoide im Körper

Die Wirkung von Cannabinoiden im Körper
Unser Körper produziert Substanzen, die ebenfalls an Bindungsstellen für pflanzliche Cannabinoide andocken. Diese sogenannten Endocannabinoide, also im Körper produzierte Cannabinoide, wirken befinden sich in nahezu allen Geweben des Körpers und beeinflussen Geistesfähigkeiten (bspw. das Lernen), Gefühlsverarbeitung, Wahrnehmung und Schmerzempfinden. Wird dieser Stoff nun von außen ersetzt, fängt der Körper an, umzustellen: Die Bindungsstellen sprechen weniger gut auf Cannabinoide an.

Finger weg von CBD-Öl aus China!

Wer aktuell CBD-Produkte im Internet bestellt, sollte darauf achten, qualitativ hochwertige Produkte zu wählen. Nico Primbas, der selbst CBD-Produkte über eine Online-Apotheke vertreibt und auch selbst schon viele Öle getestet hat, sagt zu FITBOOK: „Was vom Hanfsamen bis zum fertigen Extrakt von ein und demselben Produzenten kommt, ist meist in der Reinheit gut. Von Produkten aus China würde ich die Finger lassen. Für ein hochwertiges 5-Prozent-CBD-Öl sollte man 30 bis 35 Euro ausgeben, für eins mit 15 Prozent Extrakt mindestens 100 Euro.“ Außerdem rät er Konsumenten, sich die Mühe zu machen, die Webseite des Herstellers auf Analysezertifikate zu checken.

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Welche Wirkung erhoffen sich Konsumenten von CBD-Öl?

Dem Hype um CBD steht jedoch die Frage nach dem gesundheitlichen Nutzen gegenüber – und damit verbunden auch die Frage nach möglichen Risiken. Denn dem vermeintlichen Wundermittel wird über die Entspannungsaspekte hinaus so viel heilende Wirkung nachgesagt, dass einem bei der Aufzählung fast schwindelig wird. Es soll schmerzlindernd und antidepressiv wirken, von Krämpfen befreien, entzündungshemmend sein und Nervosität verschwinden lassen.

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Mediziner: „Mit Lifestyle-Produkten sind wir fast im Placebo-Bereich“

All das würde Franjo Grotenhermen unterschreiben. Der Allgemeinmediziner mit Praxis in Steinheim (NRW) glaubt an die therapeutische Wirkung von Hanf, ist Geschäftsführer des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ und hat ein Buch über Anwendung und Wirkung von CBD geschrieben. Grundsätzlich, so Grotenhermen, müsse man jedoch die zahlreichen, frei verkäuflichen Lifestyle-Produkte von medizinischem (rezeptpflichtigem), hochdosiertem CBD unterscheiden: „Mit täglich dreimal drei Tropfen CBD-Öl mit einer geringen Konzentration sind wir fast im Placebo-Bereich. Das ist mit geringen Baldrian-Dosen vergleichbar“, sagt er zu FITBOOK. Letzteres könne, je nach individueller Ansprechbarkeit, „starke pharmakologische Wirkungen“ erzielen. Aber gibt es dafür wissenschaftliche Beweise?

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Neue Studie zeigt positive Wirkung von hochdosiertem CBD auf Angststörungen

Laut einer neuen Studie der Harvard Medical School in Cambridge, Massachusetts, kann Cannabidiol (CBD) die Symptome bei Patienten mit Angstzuständen lindern.2 14 Probanden, die alle an einer mittelschweren bis schweren Angststörung litten, hatten sich über einen Zeitraum von vier Wochen dreimal täglich CBD-Öl in einer Dosierung von neun Milligramm unter die Zunge geträufelt. Bereits in der ersten Woche hätten sie auf das Mittel reagiert, in Woche vier habe sich die Angst im Vergleich zum Ausgangswert signifikant reduziert. Auch hinsichtlich der Bewertung von Schlaf, Lebensqualität sowie den allgemeinen geistigen Fähigkeiten habe eine Behandlung mit CBD zu Verbesserungen geführt, heißt es in der Studienzusammenfassung. Schläfrigkeit und erhöhte Mundtrockenheit werden als „geringfügige Nebenwirkungen“ aufgeführt. Mangel der Studie: Eine Placebo-Gruppe fehlte als Kontrollinstrument. Bereits 2015 hatte eine Studie eine positive Wirkung auf diverse Angststörungen durch CBD gezeigt, darunter Sozialphobien, Panikstörungen, Zwangsneurosen und Phobien.3

Ob CBD möglicherweise vor Diabetes schützen kann, ist Gegenstand einer laufenden Langzeitstudie von Forschenden der University of South Carolina.4 Dort will man mehr über die Wirkung von CBD auf das Darmmikrobiom herausfinden.

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Schmerzexperte bezweifelt Schmerzlindernde Wirkung

Und was ist mit der viel beschworenen Schmerzlinderung durch CBD? Prof. Dominik Irnich, Leiter der Schmerzambulanz am Klinikum der Universität München (LMU), bezweifelt die schmerzlindernde Wirkung von Cannabinoiden. „Es gibt bisher keine hochwertigen Studien, die das belegen“, sagt er zu FITBOOK. Eine „sehr spezielle Ausnahme“ sei die gute Wirkung von hochdosiertem, isoliertem CBD bei der Behandlung von Epilepsie bei Kindern. Ebenfalls erfolgreich eingesetzt würden (synthetische) Cannabinoide in der Chemotherapie (übelkeitsenkend) sowie Palliativmedizin (appetitsteigernd). An der Berliner Charité wird gerade erforscht, ob CBD bei Schizophrenie helfen kann.

Die subjektiven Erfahrungsberichte, wie sie zu Tausenden in Internet-Foren nachzulesen sind, die CBD als das neue Wundermittel für alles feiern, seien davon zu trennen. Irnich: „Mag sein, dass der Konsum von CBD-Produkten dem einen oder anderen guttut, vielleicht sind auch Kommentare interessengesteuert. Einen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt es nicht.“

Irnich: „Sich Entspannung mit Öl zu kaufen, ist kurzsichtig“

Für weitaus problematischer als die Frage nach der medizinischen Wirkung hält der Schmerzmediziner den lockeren Umgang mit frei verkäuflichen CBD-Produkten. „Ich würde nicht sagen, dass es hochgradig gefährlich ist“, sagt Irnich zu FITBOOK. Sich Entspannung mit Öl zu kaufen, hält er für kurzsichtig: „Das ergibt keinen Sinn. CBD hat sehr viele unterschiedliche Wirkungen im Körper und wir kennen die Langzeitfolgen noch nicht.“

Wer sich nach Entspannung sehne, solle Stressfaktoren abbauen oder versuchen, seine Stressverarbeitung zu verbessern. Der Tipp des Professors: „Konzentrieren Sie sich auf die eigenen Kräfte, anstatt Ihren Stoffwechsel langfristig durcheinanderzubringen!“

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Fazit zur Wirkung von CBD-Öl

Vom gefeierten Wundermittel CBD bleibt nicht mehr viel übrig, wenn man nach wissenschaftlichen Belegen für dessen Wirkung fragt. Von dreimal drei Tropfen pro Tag, wie es viele Lifestyle-Konsumenten praktizieren, ist nicht viel mehr als ein Placebo-Effekt zu erwarten. Aussagen über die entspannende Wirkung sind als solche zu betrachten, was sie sind: subjektive Erfahrungsberichte, für die es bisher keine Belege gibt. Und wenn man Entspannung braucht, ist es vielleicht auch ratsam, sich auf sich selbst zu konzentrieren – um vielleicht etwas an den Bedingungen zu ändern, die eine Entspannung im Alltag verhindern.

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Quellen

Themen Nahrungsergänzungsmittel
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