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Experte über gängigen Messwert

„Der BMI sagt nichts über die Gesundheit oder das Krankheitsrisiko eines Menschen aus“

BMI Body Mass Index
Das Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße ist ausschlaggebend für den Body-Mass-Index Foto: Getty Images
Laura Pomer

10. Mai 2021, 11:51 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Der Body-Mass-Index (BMI) errechnet sich aus Gewicht und Körpergröße. Der Wert soll aussagen, ob man unter-, normal- oder übergewichtig ist. Auch soll er dazu dienen, das Risiko auf verschiedene Krankheiten einzuschätzen. Der Gesundheitsexperte Dr. Michael Despeghel hält den Messwert für einen fehlerhaften Gesundheitsstandard.

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Mit fachlicher Beratung von
Dr. Dr. Michael Despeghel, Sportwissenschaftler und Vorstand der Deutschen Interessengemeinschaft für präventive Männermedizin

Den eigenen Körperumfang einzuschätzen, fällt vielen Menschen schwer – so steht es auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Deshalb findet man hier eine Maske zum Ermitteln des Body-Mass-Index, der Aufschluss darüber geben soll, „ob man zu dick, zu dünn oder vielleicht genau richtig ist“. Was taugt der Messwert? FITBOOK sprach mit Experten über den BMI und dessen Aussagekraft über die Gesundheit.

Grundsätzliches zum BMI

Laut Gesundheitsexperte Dr. Michael Despeghel hat man den Messwert eingeführt, weil die Körperwaage alleine technisch zu schwankungsaffin war. Unterschiedliche Waagen zeigen unterschiedliche Ergebnisse, ebenso Faktoren wie die Tageszeit, zu der gewogen wird, oder etwa, ob man sich mit oder ohne Schuhe wiegt. Vom BMI – also dem Gewicht einer Person geteilt durch die Größe – erhoffte man sich mehr Aussagekraft und Vergleichbarkeit.

Berechnung

BMI = Gewicht / (Körpergröße x Körpergröße)

Beispielrechnung für eine 1,75 Meter große und 74 Kilogramm schwere Person.

  • Schritt 1: 1,75 Meter x 1,75 Meter = 3,0625
  • Schritt 2: 74 Kilogramm / 3,0625 = 24,16

Die Person hat also einen Body-Mass-Index von 24,16.

Als Normalgewicht und damit empfohlen gilt ein BMI zwischen 18,5 und 24,9. Alles darunter wird als Untergewicht definiert, alles darüber als Übergewicht bzw. Fettleibigkeit (Adipositas). Dabei handelt es sich laut Bundesministerium für Gesundheit um Klassifizierungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die im Rahmen epidemiologischer Studien herangezogen werden.

BMI-Klassifikation nach WHO

  • Unter 18,5: Untergewicht
  • 18,5 bis 24,9: Normalgewicht
  • 25 bis 29,9: Präadipositas
  • 30 bis 34,9: Adipositas, Grad I
  • 35 bis 39,9: Adipositas, Grad II
  • über 40: Adipositas, Grad III

Anhand von statistischen Daten und der Klassifizierung lässt sich etwa ermitteln, dass in Deutschland rund zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig sind. Mit solchen Zahlen soll vor Risikofaktoren gewarnt werden, die unter anderem ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und übermäßiger Alkohol- und Tabakkonsum darstellen können. In der Folge wird Übergewicht ein Einfluss auf verschiedene Krankheiten attestiert.

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Experten: BMI sagt nichts über die Gesundheit

Der Gesundheitexperte Dr. Michael Despeghel bedauert, dass der BMI als Messwert – Gewicht einer Person geteilt durch die Größe – dennoch fest im Gesundheitssystem verankert ist und herangezogen wird, um Risiken für verschiedene Krankheiten einzuschätzen. Viele Krankenkassen gewähren einen Bonus, wenn der BMI im normalgewichtigen Bereich liegt. Viele Ärzte geben ihren Patienten Tipps auf Grundlage des BMI. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt ihn zur Einordnung des Körpergewichts, auch wenn die Messgröße umstritten sei, schreibt die BzGA.

Was den BMI als Messwert aus Sicht des Gesundheitsexperten problematisch macht: „Der BMI hat eine Aussage, aber sie ist sehr schwammig.“. Denn ein sich daraus ableitbares Übergewicht mache „per se nicht krank“. Ausnahme: Es liegen Indikationen vor wie Stoffwechsel- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nur in diesen Fällen sei der BMI ein Risikomarker, so Despeghel. Er persönlich halte von der Kennzahl jedoch nichts, weil sie beispielsweise einem „Menschen, der jahrelanges Krafttraining durchführt (und über einen vergleichsweise geringen Körperfettanteil verfügt, Anm. d. Redaktion), den schlechten Wert eines Übergewichtigen bescheinigen“. Das führe gezwungenermaßen zu Irritationen – und Fehlschlüssen auf ein etwaiges Gesundheitsrisiko. Despeghel: „Der BMI sagt nichts über die Gesundheit oder das Krankheitsrisiko eines Menschen aus.“ Umgekehrt gilt natürlich dasselbe: Menschen, die einen niedrigen BMI haben – aber wenig Muskeln und entsprechend viel Fett. Auch hier zeichne der BMI im Grunde ein falsches Bild.

BMI nur auf Makroebene sinnvolle Bewertungsgröße

Die Ansicht, dass man den eigenen Body-Mass-Index kennen müsse, teilt auch der Münchener Diplom-Ökotrophologe Professor Nicolai Worm nicht: „Individuell kann der BMI überhaupt nichts über Gesundheit oder Krankheitsrisiko sagen“, so Worm.

Aussagekräftig, da sind sich beide Experten ebenfalls einig, sei der BMI höchstens im Rahmen großer Bevölkerungsstatistiken. In größeren Forschungssituationen mit Hunderten Teilnehmern fielen Einzelpersonen – beispielsweise muskelbepackte Sportler mit einem entsprechend höheren BMI – nicht ins Gewicht für das Gesamtergebnis. Das erklärt, wieso der Wert bedeutsam ist, wenn man die Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung erforscht.

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Beeinflusst der BMI die Gesundheit? Studienlage

Wissenschaftler der University of California in Los Angeles (UCLA) haben 2016 in einer Studie ermitteln können, dass der BMI in Wahrheit kaum Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Bei rund 54 Millionen US-Amerikanern mit – zumindest laut Interpretation ihres BMI – fragwürdigem Gesundheitszustand, konnten keine Auffälligkeiten in puncto Körperfettwerte, Blutdruck und Blutzuckerspiegel nachgewiesen werden.

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Bauchumfang – der relevantere Messwert

Wer sein persönliches Risiko auf Fettleber, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen einschätzen möchte, braucht seinem BMI also keine Beachtung zu schenken. Viel relevanter: viszerales (inneres) Bauchfett. Dieses produziert erwiesenermaßen schädliche Botenstoffe und löst gefährliche Entzündungsreaktionen im Körper aus. In der Folge steigt das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall massiv an.

Ob man zu viel Bauchfett mit sich herumträgt, kann man mit einem Maßband ganz leicht selbst ermitteln: „Safe“ sind Männer, so Despeghel, bei einem Bauchumfang zwischen 94 und 102 Zentimetern; von 102 bis 112 Zentimeter empfiehlt der Gesundheitsexperte eine „strenge Beobachtung“. Darüberhinaus bestehe ein „hohes Risiko“ für Entzündungsprozesse im Körper. Für Frauen nennt er die Zahlen 80 bis 88 Zentimeter (bedenkenlos), 88 bis 94 Zentimeter (beobachten) und über 94 Zentimeter (risikobehaftet). Wer sein Bauchfett verringern möchte, solle eine Zeit lang keinen Alkohol trinken, auf üppige Mahlzeiten verzichten und mit Sport anfangen.

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Fazit

Ein niedriger BMI ist kein Freifahrtschein – wie auch ein hoher BMI nicht sicher bedeutet, dass ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten vorliegt. Ihrem BMI keinerlei Beachtung schenken sollten sie, wenn sie durchtrainiert sind (oder regelmäßig trainieren). Auch Schwangere oder stillende Mütter sollten auf keinen Fall mit dem Body-Mass-Index beurteilt werden. Was man hingegen im Blick haben sollte: seinen Bauchumfang. Die Werte entnehmen Sie dem Absatz oben.

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