24. Dezember 2022, 16:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Vor und an Weihnachten wird nahezu bei jeder Gelegenheit Alkohol getrunken. Wenn das Trinken den Alltag bestimmt, bekommen auch Angehörige das irgendwann mit. Doch wie sprechen sie eine Alkoholsucht sensibel an und motivieren Betroffene, sich Hilfe zu holen?
Aus dem gelegentlichen Feierabendbier ist eine Gewohnheit geworden. Im Schrank liegen versteckte Weinflaschen. Absprachen werden nicht mehr eingehalten. Spätestens, wenn der oder die Liebste ohne Alkohol nicht mehr einschlafen kann, fragen sich Nahestehende: „Das muss doch ein Alkoholproblem sein, oder?“ Und jetzt? Es handelt sich um ein Tabuthema – die Alkoholsucht ansprechen, das fällt vielen schwer. Zu groß sind die Sorgen vor der Reaktion. FITBOOK gibt Antworten auf Fragen, die Nahestehende in so einer Lage oft beschäftigen:
Übersicht
Ab wann ist jemand alkoholabhängig?
Der Alkohol übernimmt laut Rummel dann wichtige Funktionen wie Entspannung zu schaffen. Oder er wird genutzt, um belastende Gedanken abzuschalten.
Oft läuft es so: Durch das regelmäßige Feierabendbier etwa gibt es schon eine Gewöhnung ans Trinken. Taucht dann im Leben ein großes Problem auf – eine Trennung, ein Jobverlust – ist der Weg in die Sucht oft kurz, weil der Körper an Bier, Wein und Hochprozentiges gut gewöhnt ist. Es wird mehr Alkohol, immer öfter. Das Trinken können Suchtkranke dann ohne Entzugserscheinungen nicht mehr aufgeben.
Wie viel Alkohol ist zu viel?
Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sollten Frauen nicht mehr als 12 Gramm reinen Alkohol pro Tag zu sich nehmen – das entspricht etwa einem Glas Bier oder einem Achtelliter Wein. Erwachsene Männer dürften immerhin zwei Gläser Bier oder ein Viertelliter Wein pro Tag trinken. Zwei Tage in der Woche sollten aber generell alkoholfrei bleiben, um Gewöhnung und Abhängigkeit vorzubeugen. Wie es gelingen kann, zu viel Alkohol zu vermeiden, hat FITBOOK bei Wissenschaftlern erfragt.
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Anzeichen einer Alkoholsucht
Die Anzeichen haben längst nicht immer mit einem lallenden Sprechen oder Bier-Atem zu tun. „Das kann sozialer Rückzug sein oder Müdigkeit und übertriebene Reizbarkeit. Aber auch die Vernachlässigung von Pflichten, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten“, sagt Diplom-Psychologe Jürgen Güttel, der beim Caritasverband Dortmund in der Suchtberatung arbeitet.
Auch wenn sich bestimmte Vorfälle im Alltag häufen, kann das auf eine Sucht hindeuten. Konflikte am Arbeitsplatz etwa – oder der Führerschein, der auf einmal in Gefahr ist. „Das sind dann viele kleine Sachen, die sich aufsummieren können, wo man dann merkt: Vielleicht liegt das alles an dem Alkoholkonsum“, sagt Güttel.
Nahestehende tun also gut damit, verschiedene Puzzleteile im Blick zu haben und sie zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen.
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Wie spreche ich eine Alkoholsucht richtig an?
Und: „Man sollte konkret benennen können, was einen stört“, sagt Christina Rummel. Eine gute Vorbereitung ist dabei das A und O. Es kann beispielsweise helfen, sich vor dem Gespräch Notizen zu machen. Das ordnet die eigenen Gedanken und Beobachtungen.
Ein weiterer Tipp: Formulierungen aus der Ich-Perspektive, damit sich das Gegenüber nicht angegriffen fühlt. Wichtig dabei ist ehrliches Interesse an dem, was hinter der Sucht steckt. „Man sollte versuchen, die Hintergründe zu erfragen, ohne direkt Vorwürfe zu machen“, rät Jürgen Güttel. „Je näher man einer Person steht, desto mehr ist man auch in der Pflicht, die Unterstützung anzubieten.“
„Letztendlich muss die Person, die trinkt, handeln, aber ein Gespräch kann ein guter erster Anstoß sein“, sagt Christina Rummel. Schon vor dem Gespräch können sich Angehörige externen Rat von einer Beratungsstelle einholen. Auch um den Betroffenen Möglichkeiten aufzuzeigen, wo sie professionelle Hilfe bekommen können.
Wie bleibe ich als Nahestehender bei Kräften?
Passiert das nicht, sollten sich Angehörige abgrenzen – und von dem ganzen Thema auch mal Abstand nehmen. Christina Rummel rät, sich immer erst selbst zu schützen: „Man muss selber schauen, dass man – wie im Flugzeug – erst mal selbst eine Sauerstoffmaske bekommt.“
Das heißt: Gut auf sich selbst und seine Kräfte aufpassen, sich Auszeiten gönnen, das Leben nicht nur um die Alkoholsucht des geliebten Menschen kreisen lassen. Dann kann man der betroffenen Person am allerbesten helfen.
Spezielle Beratungsangebote für
Angehörige Suchtkranker
- DRK-Sorgentelefon für Angehörige von Menschen mit Suchtproblemen
Tel. +49 6062 60767
Das Sorgentelefon des DRK ist insbesondere am Wochenende (Freitag – Sonntag) und an allen gesetzlichen Feiertagen erreichbar. - NACOA Deutschland
Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V.
Gierkezeile 39, 10585 Berlin
Tel. +49 30 35122430
info@nacoa.de, www.nacoa.de - Al-Anon Familiengruppen
Selbsthilfegruppen für Angehörige und Freunde von Alkoholikern - Alateen
Zentrales Dienstbüro
Hofweg 58, 22085 Hamburg
Tel. +49 40 226389700
zdb@al-anon.de, www.al-anon.de - Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter e.V. (BVEK)
Kelsterbacher Straße 17
60528 Frankfurt
Tel. +49 69 677354-159
info@bvek.org, www.bvek.org
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Anonyme und vertrauliche Beratung
- Bundesweite Sucht & Drogen Hotline
Tel. 01806 31 30 31 (0,20 €/Anruf aus dem Festnetz und aus dem Mobilfunknetz)
Sprechzeiten: Montag – Sonntag von 0.00 – 24.00 Uhr - TelefonSeelsorge
Tel. 0800 1110111 oder 0800 1110222 (kostenfreie Servicenummer)
24 Stunden täglich
Medikamentenproblematik und Alkohol- und Drogengebrauch können bei Betroffenen und Angehörigen von massiven persönlichen Problemen wie Ängstlichkeit, Depressivität und Einsamkeit begleitet sein. Die Telefonseelsorge bietet hierzu neben Gesprächen auch Beratung und Seelsorge per E-Mail und Chat an: www.telefonseelsorge.de - Elterntelefon Nummer gegen Kummer e.V.
0800 1110550 (kostenfreie Servicenummer)
Sprechzeiten: Montag – Freitag von 9.00 – 17.00 Uhr; Dienstag und Donnerstag von 9.00 – 19.00 Uhr
Mit Material von dpa