11. November 2024, 4:37 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Alkohol gehört in Deutschland zur Volksdroge mit einer jahrhundertealten Tradition. Cannabis hingegen verbreitet sich erst seit einigen Jahrzehnten. Mit dem in Krafttreten des Cannabis-Gesetzes am 1. April 2024, wurde ein neuer Auftakt für die Drogenpolitik in Deutschland geschaffen. Seitdem ist der legale Konsum von Cannabis für Erwachsene erlaubt. Auch Anbauvereinigungen haben die Möglichkeit erhalten, Cannabis offiziell anzubauen. Doch welche Substanz ist schlimmer? FITBOOK ordnet ein.
Wer ab und zu einen Joint raucht, führt gern als Argument an, dass häufiger Alkoholkonsum gesundheitsschädlicher sei als Marihuana. Allein im Jahr 2021 konsumierten in Deutschland über vier Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren innerhalb eines Jahres Cannabis. Besonders gefährlich war der Kauf von Cannabis auf dem Schwarzmarkt, da dies oft erhebliche Gesundheitsrisiken birgt. So könnte es entweder verunreinigt sein oder unbekannte Mengen an Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, deren Stärke die Konsumierenden nicht einschätzen können.1 Ein zentraler Bestandteil des Legalisierungsgesetzes ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen. Zudem werden auch in der Alkoholpolitik verschärfte Regelungen für Minderjährige gefordert.2 Aber wie schädlich sind Alkohol und Cannabis für die Gesundheit?
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Übersicht
Die Wirkung von Alkohol
Alkohol ist ein Zellgift, das schnell über den Blutkreislauf in den gesamten Körper gelangt.3 Innerhalb weniger Sekunden erreicht es dann das Gehirn, in welchem unterschiedliche Neurotransmitter beeinflusst werden. So wird unter anderem Dopamin freigesetzt, welches das Belohnungssystem anregt. Aber auch die Wirkung des Neurotransmitters GABA wird verstärkt, was beruhigende und angstlindernde Effekte nach sich zieht.
Risiken von Alkoholkonsum
Allerdings können hohe Mengen an Alkohol zu akuten Gefahren führen. Ab ungefähr einem Promille tritt bei den Betroffenen ein Rauschzustand ein. Dieser führt dazu, dass die Reaktionsfähigkeit sowie die räumliche Wahrnehmung und Orientierung stark eingeschränkt werden. Auch das Urteilsvermögen und die Risikobereitschaft eines Menschen sinken. Somit kann sich auch die Unfallgefahr – gerade im Straßenverkehr – ebenfalls erhöhen, was oft zu tödlichen oder schwerwiegenden Folgen führen kann.
Aber auch extreme Formen des Alkoholkonsums, wie das sogenannte „Komasaufen“, können lebensbedrohliche Zustände hervorrufen. Man kann ab etwa drei Promille bewusstlos werden, was zu einer Auskühlung des Körpers führt, da die Schutzreflexe des Menschen ausgeschaltet werden. Im schlimmsten Fall kann es durch einen Atemstillstand zum Todesfall kommen.
Die Wirkung von Canabis
Die Hanfpflanze „Cannabis sativa“ enthält mehr als 60 Cannabinoide, von denen das THC als stärkste psychoaktive Substanz eingestuft wird. Im ganzen Körper gibt es Rezeptoren, an denen körpereigene Cannabinoide, aber auch THC, andocken. Generell sind die Effekte von Alkohol besser erforscht, bei Cannabis kommt die Schwierigkeit hinzu, dass der THC-Gehalt der Pflanzen höchst unterschiedlich sein kann.
Effekte des Konsums
Tatsächlich ist die Wirkung von THC in Cannabis recht vielfältig und kann von den Konsumierenden individuell erlebt werden. Daher ist die Wirkung schwer vorhersehbar. Als Konsument erlebt man positive Effekte, die Gelassenheit, Euphorie und ein allgemeines Gefühl der Leichtigkeit und Entspannung umfassen – und das, obwohl sich der Herzschlag dabei oft beschleunigen kann. Zudem verlangsamen sich Bewegungen und auch das Kurzzeitgedächtnis ist etwas eingeschränkt. Verstärkt kann es zu einem gesteigerten Appetit kommen oder es treten sprunghafte Gedankengänge auf.
Die Wirkung selbst hängt von der Konsumform (Essen oder Rauchen), der Dosis, der Umgebung, dem THC-Gehalt sowie dem Gemütszustand der Person ab. So kann beispielsweise eine bereits vorhandene Grundstimmung durch Cannabis positiv oder negativ verstärkt werden. Gerade häufiger Konsum kann das Risiko für gesundheitliche und soziale Probleme erhöhen: etwa, wenn man es täglich oder in Kombination mit anderen Substanzen zu sich nimmt.4
Akute negative Folgen beider Substanzen
Beide Substanzen wirken sehr schnell auf das Gehirn. Ebenfalls bei beiden schwinden Konzentration und Gedächtnisleistung. Alkoholeinfluss ist eine der häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr, auch Cannabis beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit. Da Alkohol eine enthemmende Wirkung hat, tendieren einige Menschen dazu, sich aggressiv zu verhalten – fast jede dritte Gewalttat geschieht unter Alkoholeinfluss. Cannabis wirkt zwar bei vielen entspannend und beruhigend, es kann aber auch Angst und Panik auslösen.
Langfristige Schäden beider Substanzen
Alkohol
Besonders problematisch ist, dass Alkohol in das Blut geht und dadurch in fast alle Organe tranportiert wird und bei einem langjährigen Missbrauch zu schweren Schäden (auch im Gehirn) führen kann. So kann ein chronischer Konsum Persönlichkeitsveränderungen sowie Konzentrations- und Gedächtnisproblemen nach sich ziehen. Zudem kann das zentrale sowie periphere Nervensystem geschädigt werden. Aber auch die Leber, die als Entgiftungsorgan fungiert, kann unter anhaltendem Konsum stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Betroffene können eine Fettleber entwickeln, die dann in eine Leberzirrhose übergehen kann. Zudem erhöht langjähriger Alkoholkonsum das Risiko für unterschiedliche Krebsarten, wie Mund-, Leber-, Rachenkrebs und Brustkrebs bei Frauen.5
Cannabis
Bei Cannabis gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang mit Erkrankungen wie Depressionen oder Hodenkrebs. Mehrere Studien belegen, dass das Psychose-Risiko steigt – insbesondere wenn früh mit dem Kiffen begonnen wird. Zu weiteren negativen Effekten des Cannabiskonsum kann man Angst und Panik zählen, die besonders in bedrohlich wirkenden Situationen zum Vorschein treten. Erinnerungslücken, verwirrte Gedanken, Sprachlosigkeit und eine eingeschränkte Wahrnehmung der Umgebung können ebenfalls auftreten. Mögliche Nebenwirkungen sind Herzrasen, Schwindel, Übelkeit und im schlimmsten Fall ein Herzkollaps. Letzteres ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, bei Menschen aufzutreten, die die Substanz unerfahren konsumieren. In Bezug auf langfristige Folgen ist es also schwer zu sagen, ob Alkohol oder Cannabis schädlicher für die Gesundheit ist.
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So sieht die Studienlage aus
Zusammenhang zwischen Cannabis und Entwicklung von Psychosen
Laut dem Ärzteblatt hat eine Studie des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und der Entwicklung von Psychosen untersucht. Die Ergebnisse deuten an, dass regelmäßiger Cannabiskonsum, insbesondere in jungen Jahren, das Risiko für psychotische Störungen erhöhen kann.6
Cannabis kann Gehirnfunktion beeinträchtigen
Eine weitere Untersuchung des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters liefert Hinweise darauf, dass Cannabiskonsum im Jugendalter die Gehirnentwicklung beeinträchtigen und zu kognitiven Defiziten führen kann.7
Eine andere Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum im Jugendalter und der Gehirnentwicklung. Dabei wurden 799 Teilnehmer im Alter von 14 bis 19 Jahren über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtet. Die Ergebnisse deuten an, dass höherer Cannabiskonsum mit einer verstärkten Ausdünnung der kortikalen Hirnsubstanz einhergeht und negative Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben könnte.8
Alkohol kann Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen
Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) kann der Konsum von Alkohol mit der Entstehung von über 200 Krankheiten assoziiert werden. Darunter fallen Leberzirrhose, verschiedene Krebsarten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Untersuchung deutet an, dass Alkohol ein signifikanter Risikofaktor für zahlreiche gesundheitliche Probleme ist.9
Konsum in Deutschland
Laut dem Bundesministerium für Gesundheit konsumieren 7,9 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in Mengen, die man als gesundheitlich riskant einstufen kann. Durch diesen Konsum erhöht man die Wahrscheinlichkeit für psychische, körperliche oder soziale Beeinträchtigungen.10
Eine Datenerhebung aus dem Jahr 2021 zeigt, dass ungefähr 4,5 Millionen Erwachsene in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben. Der Anteil befand sich dabei bei 10,7 Prozent der Männer und 6,8 Prozent der Frauen. Am häufigsten wurde Cannabis in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen konsumiert.11
Starke Gefährdung in der Jugend durch beide Substanzen
Sowohl Alkohol- als auch Cannabiskonsum im Jugendalter schädigen die Gehirnentwicklung. So kann es zu Minderungen der Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit kommen. Laut einer Studie erhöht sich das Risiko, erstmalig an einer Psychose zu erkranken, bei täglichem Cannabiskonsum je nach THC-Gehalt um das Drei- bis Fünffache. Im Jugendalter ist die Gefahr größer, mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus zu landen. Wer früh mit dem Trinken beginnt, trinkt auch später oft zu viel, wird abhängig oder hat bereits im Alter von 40 bis 50 Jahren Folgeerkrankungen wie eine Fettleber.
Suchtpotenzial von Alkohol und Cannabis
Dem Epidemiologische Suchtsurvey 2018 zufolge konsumieren 6,7 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form.12 Etwa 1,6 Millionen Menschen dieser Altersgruppe gelten als alkoholabhängig. Der gleichen Untersuchung zufolge haben 3,7 Millionen Menschen mindestens einmal innerhalb der letzten zwölf Monate Cannabis konsumiert, 309.000 Personen seien abhängig von Cannabis. Während der Alkohol- und Tabakkonsum bei jungen Menschen zurückgeht, wird das Kiffen laut Befragungen beliebter. Mediziner schätzen das Suchtpotenzial beider Substanzen ähnlich ein. Beim Alkoholentzug zeigten sich allerdings im Gegensatz zu Cannabis besonders schwerwiegende körperliche Entzugserscheinungen.
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Fazit
Die Frage, ob Alkohol oder Cannabis schädlicher für die Gesundheit ist, kann also nicht eindeutig beantwortet werden. Zum einen, weil die Forschung auf dem Gebiet des Alkohols viel weiter ist. Zum anderen ist es schwierig, bspw. die hohe Zahl der alkoholbedingten Todesfälle gegen die schweren Schädigungen der Hirnstrukturen bei kiffenden Menschen in der Entwicklungsphase aufzuwiegen.
Mit Material von dpa