19. Juni 2020, 17:00 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
20 Prozent der Weltbevölkerung trägt Risikofaktoren, um schwer an Corona zu erkranken. Das legen aktuelle Zahlen einer Londoner Studie nahe. FITBOOK fasst zusammen, was die Wissenschaftler herausgefunden haben.
Weltweit haben 1,7 Milliarden Menschen ein erhöhtes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Das sind rund 20 Prozent der Weltbevölkerung, die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 besonders bedroht sind. Forscher schätzen, dass 4 Prozent der Menschen weltweit infolge der Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen, weil sie unter mehr als einem Risikofaktor leiden: 349 Millionen oder mehr. Diese Zahlen wurden kürzlich im renommierten Fachblatt „Lancet Global Health“ veröffentlicht.
Welche Risikofaktoren für Corona sind besonders gefährlich?
Andrew Clark ist spezialisiert auf mathematische Computermodelle über Seuchen. Mit Hilfe eines Teams von Forschern hat der Professor an der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin nun Daten zur Corona-Pandemie erhoben. Die Frage, die die Wissenschaftler umtreibt: Wer ist besonders von dem Coronavirus betroffen? Wem droht ein schwerer Verlauf der Erkrankung?
Bekannt ist, dass ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen als sogenannte Risikopatienten gelten. Aber geht das konkreter? Ja. Die Forscher nahmen die Gesundheitsdaten aus 188 Ländern genauer unter die Lupe. Die Daten ihrer Untersuchung wurden im Rahmen einer großen Studie 2017 erhoben. Darin ging es um die Häufigkeit von Erkrankungen in den jeweiligen Ländern.
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11 Vorerkrankungen gelten als Risikofaktoren
Clark und sein Team listen in ihrer Studie die elf häufigsten Gesundheitsstörungen auf, die einen schweren Verlauf fördern.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (auch Bluthochdruck)
- Nierenerkrankungen
- Atemwegserkrankungen
- Lebererkrankungen
- Diabetes
- Krebserkrankungen (Immunsystem wird durch Medikamente unterdrückt)
- Krebserkrankungen (ohne direkte Unterdrückung des Immunsystems durch Medikamente)
- HIV-Infektion
- Tuberkulose
- Chronische neurologische Störungen
- Sichelzell-Anämie
Weltweit leiden unter einer dieser Erkrankungen 1,7 Milliarden Menschen. Genau sind das 22 Prozent der derzeitigen Weltbevölkerung, wie Clark und sein Team schreiben. Im Alter nimmt die Anzahl der Risikofaktoren zu. So liegt der Anteil bei den 25-Jährigen bei zehn Prozent. Bei den 70-Jährigen jedoch bei 66 Prozent. Das könnte erklären, weshalb in Ländern mit einer jüngeren Bevölkerung weniger Menschen durch Covid-19 bedroht sind.
Die Wissenschaftler schreiben, dass rund sechs Prozent der Weltbevölkerung – 400 Millionen Menschen – zwei oder mehr Risikofaktoren aufweisen. Vor allem ältere Menschen aus Nordamerika und Europa gelten als betroffen. Vier Prozent der Weltbevölkerung laufen nach Angaben der Forscher Gefahr, besonders schwer an Covid-19 zu erkranken. Die Gesundheit von 349 Millionen Menschen müsste nach Prognose der Londoner Ärzte im Krankenhaus gerettet werden.
Interessant: Männer sind deutlich stärker vom Coronavirus betroffen als Frauen. Das haben bereits frühere Studien gezeigt. FITBOOK hat schon im März berichtet, dass Männer häufiger an Corona sterben als Frauen. Das Risiko, an dem Virus zu erkranken, nimmt im Alter bei beiden Geschlechtern signifikant zu. Clark gibt an, dass unter den 70-Jährigen und darüber 26 Prozent Gefahr laufen, wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Bei den Frauen liegt der Prozentsatz hingegen bei 14 Prozent.
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Forscher sehen Lockerungen kritisch
Andrew Clark beobachtet die weitreichenden bis chaotischen Lockerungen, die jetzt nach der ersten großen Corona-Schockwelle in vielen Ländern zu beobachten sind, mit Sorge. Er betont in der Studie, dass die Schwächsten weiterhin vor dem Virus zu schützen sein sollten. „Wir hoffen, dass unsere Schätzungen nützliche Ausgangspunkte für die Gestaltung von Maßnahmen zum Schutz von Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Erkrankungen bieten“, so der Mediziner. Für den glücklichen Fall, dass eines Tages ein Impfstoff gegen Corona entwickelt würde, empfiehlt Clark, Menschen mit Risikofaktoren zuerst zu impfen.