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Studie mit 160.000 Frauen

Bereits 1 bestimmtes Getränk pro Tag erhöht Risiko für Mundhöhlenkrebs

Mundhöhlenkrebs und zuckerhaltige Getränke
Daten einer Langzeitstudie belegen einen direkten Zusammenhang zwischen regelmäßigem Konsum von Cola, Limonaden und anderen gesüßten Getränken und Mundhöhlenkrebs. Foto: Mohammed Haneefa Nizamudeen/Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

17. März 2025, 15:29 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Mundhöhlenkrebs wurde lange Zeit vor allem mit Rauchen und Alkohol in Verbindung gebracht. Eine neue Studie mit Daten von 160.000 Frauen zeigt, dass Getränke wie Cola, Limonaden und Eistee das Risiko für Krebs an der Zunge, am Gaumen, Zahnfleisch und weiteren Stellen im Mund fast verfünffachen. Das ist vor allem für die Haupt-Konsumentengruppe alarmierend.

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Die Inzidenz von Mundhöhlenkrebs steigt weltweit an. Nicht nur bei älteren Menschen, denn bösartige Tumoren in diesem Bereich können auch bei jungen Menschen unter 45 Jahren auftreten, die weder rauchen noch regelmäßig Alkohol konsumieren.1 Wissenschaftlich erwiesene Risikofaktoren wie Rauchen, Kiffen und – als eigenständiger sowie zusätzlich befeuernder Faktor – Alkohol erklären diesen Trend nicht vollständig. Da chronische Zahnentzündungen wie Parodontitis vermutlich zur Entwicklung von Krebs beitragen, interessieren sich Forscher für die Ursachen von Parodontitis: Etwa Säuren, wie sie in Cola, Limonaden und vielen weitere zuckerhaltigen Getränke enthalten sind. Und tatsächlich: Solche Getränke erhöhen das Risiko für Mundhöhlenkrebs.

Was ist Mundhöhlenkrebs?

Das Mundhöhlenkarzinom ist ein bösartiger Tumor im Kopf-Hals-Bereich. Etwa 95 von 100 bösartigen Tumoren der Mundhöhle (Cavum oris) gehen vom Plattenepithel der Mundschleimhaut aus. In der Mundhöhle kann jeder Bereich betroffen sein, etwa die Zunge, Innenseite der Lippe, Wangen, das Zahnfleisch oder der Gaumen. Besonders häufig betroffen sind Zunge und Mundboden, also der Bereich zwischen Zunge und Unterkiefer. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 10.000 Menschen an Mundhöhlenkrebs, bei den Männern steht die Erkrankung an neunter Stelle aller bösartigen Tumoren. Früh erkannte, kleine Tumore können operiert oder bestrahlt werden. Sind etwa Fernmetastasen in anderen Organen vorhanden, zum Beispiel in der Lunge, ist eine Heilung von Mundhöhlenkrebs nicht mehr möglich.2

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Mundhöhlenkrebs: Am größten ist das Risiko für Raucher, die auch trinken

Die Risikofaktoren sind in der Forschung vielfach beschrieben. Studien belegen ein vielfach höheres Risiko für Mundhöhlenkrebs bei Menschen, die Tabak rauchen und/oder Alkohol konsumieren. Eine Studie der internationalen Krebsforschungsagentur stellte 2014 ein bis zu 10-fach höheres Risiko für Mundhöhlenkrebs bei Menschen, die Tabak konsumieren. Alkohol verstärkt diesen Effekt.3 Besonders steigernd wirken beide „Laster“ im Zusammenhang: Bereits 1988 beschrieb eine Studie im „New England Journal of Medicine“ ein bis zu 35-fach erhöhtes Risiko für Mundhöhlenkrebs bei starken Rauchern und Trinkern.4 Laut einem WHO-Bericht aus dem Jahr 2020 ist Tabak für etwa 90 Prozent aller Mundhöhlenkrebsfälle verantwortlich. Alkohol als zusätzlicher Faktor verdopple oder verdreifache das Risiko.5 Aber: Auch moderater Alkoholkonsum erhöht das Risiko für Mundhöhlenkrebs, wie eine Meta-Analyse von 15 Studien im Jahr 2007 zeigte.6

Das verdeutlicht: Viele Jahrzehnte waren Tabak und Alkohol als Hauptursachen für Mundhöhlenkrebs ausgemacht. Als begünstigender Faktor für chronische Entzündungen, Insulinresistent und Fettleibigkeit kam der Zucker sozusagen zur Hintertür als Risikofaktor für Krebs herein. Spätestens ab 2007 Galt Zucker auch als begünstigenden Faktor für Mundhöhlenkrebs – und zwar in Form von Softdrinks.7

Softdrinks schaden der Mundgesundheit

Hoher Zuckerkonsum kommt in erster Linie nicht, wie man vielleicht denkt, durch Kuchen oder Gummibärchen zustande. Der Löwenanteil erreicht viele über Cola, Limonaden, Fruchtsäfte und Nektare. In Deutschland beträgt dieser Anteil 36 Prozent.8 Wir essen den Zucker weniger, wird trinken ihn überwiegend.

Nur: Was macht der Zucker in der Mundhöhle, wenn wir einen erfrischenden Schluck Limonade in uns reinkippen? Bekannt ist etwa, dass Zucker das Wachstum von Bakterien fördert, die Säuren produzieren und die Mundschleimhaut schädigen.

Auch weiß man, dass durch einen hohen Zuckerkonsum Zahnfleischentzündungen (Gingivitis) und Parodontitis entstehen, weil solche Getränke oft säurehaltig sind. Das mündet dann irgendwann in einer dauerhaften Entzündungsreaktion.

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Zuckerhaltige Getränke erhöhen Risiko für Mundhöhlenkrebs

Den genauen Zusammenhang zwischen erhöhtem Krebsrisiko im Mund und süßen Getränken verstehen Forscher noch nicht so genau – er bestätigt sich aber ein ums andere Mal. Luis Gomez-Castillo und Kara Cushing-Haugen von der University of Washington und weitere Forscher der Harvard T.H. Chan School of Public Health lieferten nun den direkten statistischen Zusammenhang. Die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie wurden in „JAMA Otolaryngology – Head & Neck Surgery“ veröffentlicht.9 Alarmierend sind sie insbesondere für jüngere Menschen, die oft besonders viel Cola und Co. konsumieren – und für Nichtraucher. Letzteres auch eher eine Überraschung.

Studiendesign und Methoden

Die Forscher analysierte Daten aus der Nurses’ Health Study (NHS) und der Nurses’ Health Study II (NHSII), zwei groß angelegte prospektive Kohortenstudien mit weiblichen US-amerikanischen Pflegekräften. Insgesamt wurden 162.602 Frauen über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren beobachtet. Die Frauen beantworteten alle zwei Jahre Fragebögen zu Lebensstil, Ernährung und Gesundheitszustand. Der Konsum von zuckerhaltigen Getränken wurde anhand von Ernährungsfragebögen erfasst, die alle vier Jahre aktualisiert wurden. Die Forscher untersuchten das Auftreten von Mundhöhlenkrebs-Fällen und berechneten das relative Risiko für unterschiedliche Konsumgruppen mittels Coxschem Regressionsmodell. Mit diesem Verfahren kann man Überlebenszeiten analysieren.

Zur Analyse wurden die Teilnehmerinnen in vier Gruppen eingeteilt:

  • Weniger als ein zuckerhaltiges Getränk pro Monat
  • 1 bis 4 Getränke pro Monat
  • Mehr als 1 bis weniger als 7 Getränke pro Woche
  • 1 oder mehr Getränke pro Tag

Zur Kontrolle von Störfaktoren wurden unter anderem Alter, Kalorienaufnahme, BMI, Tabak- und Alkoholkonsum sowie glykämische Last berücksichtigt.

Mit zuckerhaltige Getränke sind gemeint: Kohlensäurehaltige Softdrinks mit Zucker wie Cola oder Limonaden; nicht-kohlensäurehaltige gesüßte Getränke wie Eistee ode gesüßte Fruchtsaftgetränke sowie koffeinhaltige als auch koffeinfreie Varianten.

Kernergebnis der Studie: 1 zuckerhaltiges Getränke täglich verfünffacht Risiko für Mundhöhlenkrebs

Während der Nachbeobachtung von 30 Jahren traten 124 Fälle von Mundhöhlenkrebs auf (entspricht 0,08 Prozent der Teilnehmerinnen). Frauen, die täglich mindestens ein zuckerhaltiges Getränk konsumierten, hatten ein um das 4,87-Fache erhöhtes Risiko für diese Form bösartiger Tumoren als Frauen, die weniger als einmal pro Monat ein solches Getränk zu sich nahmen.

Auffällig war, dass dieser Zusammenhang auch in der Gruppe der Nichtraucher oder leichten Raucher sowie der Nicht- oder Leichttrinker bestehen blieb. Hier lag das Risiko für Mundhöhlenkrebs sogar 5,46-mal höher bei täglichem Konsum von Cola und Co. im Vergleich zu weniger als einem Getränk pro Monat.

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zuckerhaltige Getränke eine bisher unterschätzte Rolle bei der Entstehung von Mundhöhlenkrebs spielen könnten – selbst bei Frauen ohne klassische Risikofaktoren wie Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum.

Ein möglicher Mechanismus könnte die durch Zucker geförderte chronische Entzündung sein, die Veränderungen im oralen Mikrobiom und eine Schwächung der Immunabwehr zur Folge haben kann. Laut den Forschenden könnte dies die Entstehung von Krebszellen begünstigen. Eine weitere Hypothese ist, dass Fruktose-haltige Süßstoffe in SSBs die Insulin- und Insulin-like-Growth-Factor-1-Spiegel erhöhen, was das Krebswachstum fördern könnte.

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Limitationen der Studie

Die Studie zeichnet sich durch ihre große Teilnehmerzahl und lange Nachbeobachtungszeit aus. Zudem wurden zahlreiche Störfaktoren berücksichtigt. Dennoch gibt es einige Limitationen. Obwohl 162.602 Frauen untersucht wurden, traten insgesamt nur 124 OCC-Fälle auf, was die Präzision der Schätzungen einschränken könnte. Die Studie wurde ausschließlich mit Frauen durchgeführt. Da OCC häufiger bei Männern auftritt, sind weitere Untersuchungen notwendig. Weiter kann zu Ungenauigkeiten führen, dass die Konsum-Erfassung von Limonaden und Co. per Fragebögen erfolge. Zuletzt muss man auch noch anmerken, dass die Mehrzeit der Probandinnen weiß war; die ERgebnise sind somit nicht direkt auf andere ethnische Gruppen übertragbar.

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Dennoch trifft die Studie wieder einmal einen wunden Punkt fast aller Gesellschaften: Den übermäßiger Verzehr von Zucker und die damit potenziell einhergehenden Krankheiten. Mundhöhlenkrebs ist ein vergleichsweise „kleiner“ Teil des Problems. Hoher Zuckerkonsum wird für Krankheiten wie Adipositas, Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche verantwortlich gemacht. Trinkt man ein Glas à 200 Milliliter, schluckt man laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft 20 bis 34 Gramm Zucker.10 Man kann sich leicht ausrechnen, mit wieviel Cola und Limonade man die maximal empfohlenen 50 Gramm Zucker pro Tag intus hat.

Themen Krebs Parodontitis

Quellen

  1. Deutsche Krebshilfe: Krebs im Mund-Kiefer- Gesichtbereich (aufgerufen am 17.03.2025) ↩︎
  2. Wissenschaftliche Medizinische Fachgesellschaften e. V., Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Deutsche Krebshilfe e. V.: Leitlinienprogramm Mundhöhlenkrebs (2014, aufgerufen am 17.03.2025) ↩︎
  3. Secretan B., Straif K., Baan R. et al. (2014): A review of human carcinogens—Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. The Lancet. ↩︎
  4. Blot W. J., McLaughlin J. K., Winn D. M. et al. (1988): Smoking and drinking in relation to oral and pharyngeal cancer. The New England Journal of Medicine. ↩︎
  5. World Health Organztation: WHO report on cancer: setting priorities, investing wisely and providing care for all. (2020, aufgerufen am 17.03.2025) ↩︎
  6. Hashible M., Brennan P., Benhamou S. et al. (2007): Alcohol drinking in never users of tobacco, cigarette smoking in never drinkers, and the risk of head and neck cancer: pooled analysis in the International Head and Neck Cancer Epidemiology Consortium. International Journal of Cancer ↩︎
  7. Morse D. E., Ross Kerr A.,(2006): Disparities in oral and pharyngeal cancer incidence, mortality and survival among black and white Americans. Journal of Americal Dentist Association. ↩︎
  8. Nationale Verzehrsstudie II 2018 ↩︎
  9. Gomez-Castillo L., Cushing-Haugen K. L., Useche M. et al. (2025): High Sugar-Sweetened Beverage Intake and Oral Cavity Cancer in Smoking and Nonsmoking Women. JAMA Otolaryngology – Head & Neck Surgery ↩︎
  10. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Höchstens 50 Gramm pro Tag (aufgerufen am 17.03.2025) ↩︎
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