25. März 2024, 11:07 Uhr | Read time: 6 minutes
Ein zuckerfreier Kaugummi sorgt nicht nur für guten Atem, sondern kann womöglich positive gesundheitliche Effekte haben. Das behaupten zumindest amerikanische Forscher von der Tufts University. Und es geht diesmal nicht um die Zahngesundheit. Doch unser Stoffwechselexperte Dr. med. Stefan Kabisch sieht die Studienergebnisse skeptisch.
Den meisten Menschen dürfte bekannt sein: Kaugummi mit Zucker ist schlecht für die Zähne, weil Zucker Karies verursacht. Zuckerfreier Kaugummi hingegen kann gut für die Zähne sein, wenn er den Zuckeraustauschstoff Xylit (auch Xylitol oder Birkenzucker genannt) enthält. Denn Studien liefern Hinweise, dass Xylit vor Kariesbakterien schützt.1 Das Kauen sorgt zusätzlich für einen erhöhten Speichelfluss, was eine gesunde Mundflora unterstützt und sowohl für den Zahnschmelz als auch für das Zahnfleisch gut ist. Nun zeigen amerikanische Forscher in einer Studie positive Zusammenhänge zwischen zuckerfreiem Kaugummi und der Gesundheit. Doch ist das wirklich so? FITBOOK hat dazu den Studienarzt und Experten für Stoffwechsel, Dr. med. Stefan Kabisch von der Charité in Berlin befragt – und klare Antworten erhalten.
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Übersicht
Kann zuckerfreier Kaugummi gesund sein?
Viele Zahnpflegekaugummis enthalten den Zuckeraustauschstoff Xylit, der auch unter dem Namen Birkenzucker bekannt ist. Dabei handelt es sich um ein Zuckeralkohol, der Kariesbakterien sowohl im Plaque auf den Zähnen als auch im Speichel reduzieren kann. Doch dieser Effekt ist nicht stark genug, um von einem zuverlässigen Schutz gegen Karies ausgehen zu können. „In methodisch guten Studien gibt es Hinweise, dass Xylitol-Kaugummis die Bakterienzahl im Mund reduzieren kann, klare Effekte auf Karies, Parodontitis oder Zahnverlust sind aber nicht beschrieben“, erklärt Dr. med. Stefan Kabisch von der Charité in Berlin.
Nun wollten amerikanische Forscher von der Tufts University herausfinden, ob zuckerfreier Kaugummi womöglich andere gesundheitliche Benefits hat.2 Hierfür nutzten die Wissenschaftler nationale Daten einer großen US-weiten Umfrage namens „National Health and Nutrition Examination Survey“ kurz (NHANES). Diese Daten dienen Forschern dazu, den Gesundheitszustand und die Ernährungsgewohnheiten der US-Amerikaner zu analysieren und anhand der Ergebnisse Ernährungsrichtlinien zu formulieren. Die hier verwendeten Daten wurden in den Jahren 2013 bis 2018 erhoben. Für die aktuelle Kaugummi-Studie wurden 15.178 Probanden ausgewählt, die allesamt älter als 19 Jahre alt waren. 365 von ihnen hatten bei Befragungen angegeben, regelmäßig Kaugummi zu kauen.
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Drei interessante Zusammenhänge aus der Studie
Die Forscher haben sich die Gesundheitswerte der Kaugummi-Kauer angeschaut und mit Personen verglichen, die keinen Kaugummi kauen. Dabei fanden sie drei interessante Zusammenhänge, die man jedoch kritisch hinterfragen muss (siehe weiter unten bei der Einordnung der Studie).
- Erste Beobachtung: Studienteilnehmer, die regelmäßig zuckerfreien Kaugummi kauten, haben sich gesünder ernährt. Probanden, die angaben, in den letzten 24 Stunden Kaugummi gekaut zu haben, berichteten auch Ernährungsgewohnheiten, die eher den amerikanischen Ernährungsrichtlinien entsprachen, als Probanden, die keinen Kaugummi kauten.
- Zweite Beobachtung: Zudem haben Kaugummi-Kauer weniger zuckerhaltige Nahrung und Süßigkeiten konsumiert. Die Forscher gehen davon aus, dass das Kaugummi-Kauen die Lust auf Snacks und Süßes zwischen den Mahlzeiten reduzieren könnte.
- Dritte Beobachtung: Das Kauen von Kaugummi vor dem Essen führte dazu, dass die Probanden weniger kalorienreiche Mahlzeiten aßen und auch weniger Zucker konsumierten. Insgesamt war dadurch ihre Ernährung gesünder.
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Forscher empfehlen das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi
Natürlich sei Kaugummi kein Wundermittel, betonen die verantwortlichen Wissenschaftler in der Studie, aber es gebe überraschende Zusammenhänge mit der Gesundheit: „Da das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi mit weniger zuckerhaltigen Mahlzeiten und weniger Zwischenmahlzeiten in Verbindung gebracht wird, sehen wir ein Potenzial, dass das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi dazu beiträgt, gesündere Lebensgewohnheiten zu entwickeln, die auch erhalten bleiben“, schreibt einer der Forscher, Taylor C. Wallace, in einem Beitrag über die Studie.3 Es bedürfe aber noch weiterer Forschung, um zu verstehen, warum zuckerfreier Kaugummi in einem positiven Zusammenhang mit der Gesundheit steht.
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Einordnung der Studienergebnisse
Obwohl die Zusammehänge in der Studie erstaunlich positiv klingen, muss man sie mit Skepsis betrachten. So sagen die Forscher nicht, welche Inhaltsstoffe, die ein zuckerfreier Kaugummi enthält, gesund und welche ungesund sein könnten. Denn es gibt eine Vielzahl umstrittener Süßstoffe. Xylit gehört zu den als kaum bedenklich eingestuften Süßstoffen. Zudem wird es (nahezu) insulinunabhängig verstoffwechselt. Somit ist Birkenzucker zum Süßen für Diabetiker geeignet und schadet im Gegensatz zum Zucker nicht den Zähnen. Wenn also Kaugummi, dann vorzugsweise mit Xylit.
Außerdem wird nicht darauf eingegangen, ob die Kaugummi-Kauer grundsätzlich einen gesünderen Lebensstil pflegten, mehr Sport trieben und sich auch langfristig bewusster ernährten. Somit wäre nicht der Kaugummi für die positiven gesundheitlichen Effekte verantwortlich, sondern die generell gesündere Lebensweise und Haltung, zu der auch das Kauen eines Zahnpflegekaugummis gehört. Dies bestätigt uns auch der Studienarzt und Experte für Stoffwechsel, Dr. med. Stefan Kabisch von der Charité in Berlin: „Die Lesart geht in beide Richtungen. Zahnpflegekaugummis könnten eine gesunde Ernährung bewirken. Wahrscheinlicher ist aber der Umkehrschluss. Das heißt, Konsumenten dieser Kaugummis sind statistisch jünger, häufiger Frauen und insgesamt gesundheitsbewusster. Alle gesundheitlichen Folgen können deshalb diese und noch weitere verschiedene Ursachen haben“, erläutert Dr. Kabisch.
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Der Stoffwechselexperte gibt zu bedenken, dass positive Auswirkungen von Zuckeraustauschstoffen wie Xylit nur dann zu erwarten sind, wenn dadurch eine starke Zuckerzufuhr in identischen Produkten ersetzt wird. „Nur dann ist mit einer leichten Gewichtsreduktion und womöglich einer Stoffwechselverbesserung zu rechnen“, betont der Mediziner. „Da die meisten Zuckeraustauschstoffe wie Xylit im Darm von Bakterien zersetzt werden, wodurch vermehrt Gas und Flüssigkeit entstehen, können sie bei starkem Konsum zu Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfällen führen“, warnt Dr. Kabisch. Wer jedoch ab und zu einen Kaugummi mit Xylit kaut, sollte davon nicht betroffen sein.