13. November 2024, 13:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Anhaltende Müdigkeit, Lustlosigkeit, Hoffnungslosigkeit oder auch Angstzustände gelten als typische Symptome einer Depression. Eine US-Studie hat ein weiteres, weniger offensichtliches Anzeichen in den Fokus gerückt: Bei manchen Männern äußert sich die Krankheit möglicherweise durch Wut oder Aggression. Könnte also der ständig wütende Mann im Freundeskreis oder in der Familie an einer unentdeckten Depression leiden?
Wenn Ärzte Betroffene auf eine mögliche Depression hin untersuchen, besteht offenbar das Risiko, dass so mancher Mann durch das Raster fällt. Der Grund: Typischerweise suchen Experten für ihre Diagnose nach Symptomen wie Einsamkeit, Angstgefühlen, Traurigkeit oder Antriebslosigkeit. Auch Schlafstörungen oder ein Rückzug aus dem sozialen Leben macht Mediziner aufmerksam. Dagegen wird die Frage gestellt: „Sind Sie häufig wütend?“ Dabei soll genau diese Frage in manchen Fällen entscheidend sein. Wie eine US-Studie 2021 herausfand, kann sich eine Depression bei Männern in Form von Wut und Aggression äußern.
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Übersicht
Männer erhalten seltener eine Diagnose, sind aber häufiger suizidal
Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention erkranken etwa 8,2 Prozent der deutschen Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer Depression.1 Dabei erhalten Frauen doppelt so häufig wie Männer eine Diagnose. Ob Frauen wirklich häufiger erkranken, steht zur Diskussion. Auch die Tatsache, dass Frauen sich häufiger Hilfe suchen und hormonelle Unterschiede werden als Gründe angeführt. Ebenfalls seien die Auslöser verschieden: Während das Risiko einer Depression bei Frauen eher durch zwischenmenschliche Konflikte und eine Mehrfachbelastung aufgrund von Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf im Vordergrund stehen, sind es bei Männern eher eine Scheidung, ein Beziehungsende oder Probleme am Arbeitsplatz.2
Fachleute gehen davon aus, dass Depressionen bei Männern schneller übersehen werden, da sie sich durch andere Symptome äußern. Das würde auch erklären, warum die Suizidrate bei Männern dreimal so hoch wie bei Frauen ist.3
Studie erkennt Zusammenhang zwischen Wut und Depression bei Männern
Eine von Centers for Disease Control and Prevention (CDC) geförderte Studie ergab, dass die in den USA etablierte Methode zur Diagnose einer Depression bei Männern womöglich nicht ausreichen könnte. „Unsere Messmethoden für Depression untersuchen, ob man traurig und einsam ist und sich zurückzieht. Was, wenn sie sich bei Männern eher durch Wut und Gereiztheit äußert?“, so Jodi Frey, Leiterin der Studie im Interview mit „Insider“. Die Professorin für Sozialarbeit an der Universität Maryland begleitete für ihre Studie 500 Männer im arbeitsfähigen Alter (25 bis 64 Jahre) aus Michigan über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Bei vielen von ihnen wurde ein Suizidrisiko festgestellt, dem Profil einer Depression entsprachen sie jedoch nicht. Stattdessen fand man bei ihnen ein moderates bis hohes Risiko für Wut.
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Bis zu 15 Prozent der depressiven Männer zeigen keine typischen Symptome
Wie die Daten andeuten, erfüllen zehn bis 15 Prozent der Männer, die an einer Depression leiden, nicht die Kriterien traditioneller Messmethoden. „Wir müssen anerkennen, dass Männer eine Depression womöglich anders erleben, als wir gelernt haben“, erklärt Frey. „Könnte es zum Beispiel sein, dass der wütende Kollege, den niemand mag, in Wahrheit depressiv ist?“
Während viele Menschen mittlerweile ein Bewusstsein für Depression und Symptome wie Einsamkeit oder Traurigkeit entwickelt haben, sieht das beim Thema Wut anders aus. „Ich denke oft an den Arbeitnehmer im mittleren Alter, der grundsätzlich wütend und sauer über alles ist“, so Frey. „Niemand möchte in seiner Nähe sein. Er nervt und wir haben kein Mitgefühl mit ihm. Zumindest nicht so, wie wir es für einen Kollegen haben, der auf typische Weise depressiv ist.“
Die Forschungsergebnisse legen also nahe, dass in Bezug auf die Diagnose von Depressionen – insbesondere bei Männern – umgedacht werden muss, um betroffenen Personen besser helfen zu können. Und auch Mitmenschen sollten sensibilisiert werden für Symptome wie Wut, um Betroffene aus dem nahen Umfeld besser zu verstehen und ggf. Hilfe anzubieten.
Studie läuft weiter
Bei den beschriebenen Studienergebnissen handelt es sich um die, die Frey bis 2021 ermittelt hatte. Seitdem lief ihr Forschungsprojekt ohne Pause weiter und konnte die Erkenntnisse rund um Wut, Männer und Depression weiter stärken. Neben der Datenerfassung bemüht sich die Wissenschaftlerin ihre Forschung in die Arbeitswelt hineinzutragen, um Arbeitgeber zu sensibilisieren und Interventionsmaßnahmen zu etablieren.4
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Wut nur eins der Depressions-Symptome bei Männern
Auch die renommierte Mayo Clinic betont, dass sich eine Depression bei Männern anders äußern kann als bei Frauen – und Wut nur eins dieser geschlechtsspezifischen Symptome zu sein scheint.5
Depressions-Symptome, die sowohl Frauen als auch Männer aufweisen
- Gefühl von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, innerer Leere
- extreme Müdigkeit
- Schlafstörungen oder zu viel schlafen
- keine Freude an Aktivitäten haben, die sie normalerweise genossen haben
Verhaltensweisen von Männern, die Anzeichen einer Depression sein können
- Eskapismus – z. B. auffällig mehr Zeit beim Sport oder auf der Arbeit verbringen
- Kopfschmerzen
- Verdauungsprobleme
- Schmerzen
- Alkohol- und/oder Drogenkonsum
- Reizbarkeit oder unangemessene Wut
- Kontrollierendes, gewalttätiges oder missbräuchliches Verhalten
- Riskantes Verhalten – z. B. rücksichtsloses Fahren