20. Dezember 2023, 10:56 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Leber ist ein lebensnotwendiges Organ: Ihre Hauptaufgabe liegt darin, Schadstoffe abzubauen und den Körper zu entgiften. Doch bestimmte Lebensmittel erschweren die Arbeit der Leber enorm – wie etwa der Alkohol. Laut einer Studie ist aber nicht die Gesamtmenge des Genussmittels entscheidend, sondern das Trinkverhalten per se.
Etwa 1,5 Milliarden Menschen leiden weltweit an chronischen Lebererkrankungen.1 Die Folgen davon können schwerwiegend sein. Rund zwei Millionen Menschen sterben jährlich an einer Leberzirrhose – eine Vernarbung der Leber – oder an einem bösartigen Tumor (Leberarzinom). Die Gründe für diese Krankheiten sind vielfältig, doch britische Forscher haben nun einen davon genauer definieren können: Das exzessive Trinken von Alkohol kann die Leber nachhaltig schädigen.2 Dabei ist es weniger von Bedeutung, wie oft man in der Woche trinkt, sondern mehr, in welcher Menge man das Genussmittel auf einmal konsumiert.
Übersicht
Wichtige Kennzahlen der Studie
Forscher der University College London, des Royal Free Hospitals, der University of Oxford und der University of Cambridge haben untersucht, ob ein Trinkgelage schlimmere Auswirkung auf die Leber hat als der tägliche, aber dafür geringere, Alkoholkonsum. Anders als bei bisherigen Studien habe man bei dieser das Hauptaugenmerk nicht auf die Gesamtmenge über einen langen Zeitraum hinweg gelegt, erklärt die Forscherin Linda Ng Fat in einer Pressemitteilung.3 „Wir verfolgten einen anderen Ansatz, indem wir uns auf das Trinkmuster konzentrierten, und stellten fest, dass dies ein besserer Indikator für das Risiko einer Lebererkrankung war als die Menge allein.“
Dafür griffen die Wissenschaftler auf Daten aus der UK Biobank zurück: Von über 500.000 Erwachsenen im Alter von 40 bis 69 Jahren wurden Angaben zur Gesundheit und dem Lebensstil zwischen 2005 und 2010 gesammelt. Die Forscher zogen für ihre Untersuchungen nur die Daten von Personen hinzu, die nicht bereits an einer Lebererkrankung oder Virushepatitis gelitten haben. Zudem beschränkte man sich nur auf regelmäßige Trinker.
Um noch eindeutigere Ergebnisse zu erzielen, prüften die Wissenschaftler zudem Daten einer weiteren Kohorte. Hierfür nutzten sie die Auswertungen aus der China Kadoorie Biobank, woran ebenfalls über 500.000 Personen teilgenommen haben, die sich im Alter von 30 bis 79 Jahren befanden. Auch hierbei schloss man Menschen mit einer Lebererkrankung oder Virushepatitis aus. Da zudem nur zwei Prozent der Frauen angaben, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, beschränkte man sich lediglich auf die Werte von männlichen Personen.
Um das Trinkverhalten der rund 313.000 verbliebenen Teilnehmern besser bewerten zu können, wurden auch das Gewicht, die körperliche Aktivität und ein mögliches Rauchverhalten mit einbezogen. Außerdem legte man einen Grenzwert fest, ab welcher Menge man von einem Rausch oder sogar von einem Vollrausch spricht. Auch genetische Veranlagungen spielten mit ein.
Auch interessant: Darum vertragen manche mehr Alkohol als andere
Folgen eines Vollrausches auf die Leber
Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass ein exzessiver Konsum von zwölf Einheiten Alkohol pro Tag zu einem dreifach erhöhten Risiko einer Leberzirrhose führt – unabhängig vom Geschlecht. Vor allem Personen mit bestimmten genetischen Veranlagungen (polygener Risikoscore) neigten dazu, dass ihr Organ durch das Trinkgelage viermal mehr vernarbte, als bei Studienteilnehmern, die sich an die Grenze für den täglichen Alkoholkonsum hielten. Doppelt so hoch fielen die Werte bei den Teilnehmern aus, die zusätzlich noch unter Typ-2-Diabetes litten. „Diese Untersuchung ist wichtig, weil sie zeigt, dass es nicht nur darauf ankommt, wie viel man insgesamt trinkt, sondern auch darauf, wie man trinkt“, erklärt Pamela Healy Geschäftsführerin des British Liver Trust und resümiert: „Viel und schnelles Trinken oder Trinken, mit dem Ziel betrunken zu sein, kann ernste Folgen für die Gesundheit der Leber haben.“
Auch interessant: 5 Tipps, um seinen Alkoholkonsum zu reduzieren
Einordnung der Studie
Allerdings muss man die Untersuchungen und die daraus resultierenden Ergebnisse kritisch betrachten. Zum einen muss man die Glaubwürdigkeit der Angaben hinterfragen: So ist bei der Befragung nicht zwangsläufig gegeben, dass die Studienteilnehmer alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet oder sich ihr Verhalten richtig ins Gedächtnis gerufen haben. Zum anderen definiert die Studie keinen exakten Grenzwert, ab welchen man von einem Rausch spricht – diesen setzten die Befragten nach ihrem Standard.
Auch interessant: So wirken Light-Getränke auf die Leber
Studie zeigt Schon geringe Menge Alkohol soll das Demenz-Risiko erhöhen können
Studie zeigt Moderater Alkoholkonsum kann bei Menschen mit Herzleiden positiv wirken
Studie aus den USA Wein kann vor Diabetes Typ 2 schützen – unter bestimmten Bedingungen
Ist tägliches, mäßiges Trinken von Alkohol weniger schädlich?
Nicht nur aufgrund der Schwächen der aktuellen Studie gilt es, nicht nur gelegentliche Trinkgelage, sondern auch das tägliche Trinken von Alkohol in Bezug auf die Auswirkungen auf die Leber kritisch zu betrachten. Denn auch häufigeres, moderates Trinken tut dem Organ nicht gut.
Einschätzung eines nicht an der Studie beteiligten Experten
„Das muss noch genauer untersucht werden, denn es könnte etwas geben, das manche Menschen genetisch dazu prädisponiert, schwerere Leberschäden durch Trinkgelage zu erleiden. Das ist vielleicht nur auf den Schock zurückzuführen ist, den diese Menge Alkohol auslöst, die so schnell verarbeitet werden muss, im Gegensatz zu größeren Mengen, die über einen längeren Zeitraum hinweg konsumiert werden“, erläutert Dr. Theodore Strange des Staten Island University Hospitals, der nicht an der Studie beteiligt gewesen ist in einem Bericht von „Medical News Today“.
Seiner Meinung nach könnten die Risikowerte nach Trinkgelagen nur deshalb so hoch ausfallen, weil die Leber mit einer großen Menge überfordert ist und den Alkohol nicht richtig verstoffwechseln kann. Das bedeute aber nicht, dass das Trinken über einen längeren Zeitraum automatisch weniger schädlich sei.