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27. Februar 2025, 20:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Als Samantha Alfonso im Jahr 2023 erfuhr, dass ihr kleiner Sohn an einem Wilms-Tumor erkrankt war, brach ihre Welt in Sekunden zusammen. Von einem Moment auf den anderen wurde ihr Alltag von Krankenhausaufenthalten, Chemotherapien und unzähligen Ängsten bestimmt. Doch Aufgeben war keine Option. Im FITBOOK-Interview spricht sie über ihre Geschichte und welche Botschaft sie anderen Eltern mitgeben möchte.
Der Wilms-Tumor ist zwar eine seltene Erkrankung, zählt jedoch zu den häufigsten Nierentumoren im Kindesalter – vor allem bei Kindern unter fünf Jahren. Das Gefährlich am Tumor: Er wächst oft rasch und ohne spezifische Symptome. Bei Samantha Alfonsos Sohn Damiano war die rechte Niere betroffen, die nach der Diagnose operativ entfernt werden musste.
Heute, zwei Jahre später, kann Samantha endlich aufatmen – ihr Sohn Damiano hat den Tumor besiegt. Die Diagnose und Behandlung ihres Sohnes haben ihren Alltag stark geprägt, doch sie hat viel daraus gelernt. Wie sie diese schwere Zeit erlebt hat, welche Entscheidungen ihr am schwersten fielen und was sie heute anderen Eltern in ähnlichen Situationen raten würde, hat sie FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger im Interview erzählt.
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»Moment der Diagnose brannte sich tief ins Gedächtnis
FITBOOK: Wie haben Sie den Moment erlebt, als Sie erfuhren, dass Ihr Kind einen Wilms-Tumor hat?
Samantha Alfonso: „Für mich war sofort klar, dass ich alles tun werde, um mein Kind bestmöglich zu begleiten – ohne mich ablenken zu lassen, auch wenn ich gleichzeitig meine Schule schaffen musste. Als ich die Diagnose ‚Wilms-Tumor‘ erfuhr, war ich mit meinem Sohn beim Ultraschall. Der Arzt erklärte die Befunde zuerst seiner Assistenzärztin, in einem sachlichen Ton voller Fachbegriffe, als wäre es eine gewöhnliche Entdeckung. Erst dann richtete er sich an mich – während ich die ganze Zeit im Raum war. Dieser Moment hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.“
Was war Ihre größte Angst während dieser Zeit? Gab es einen Moment, in dem Sie dachten: ‚Ich kann nicht mehr‘ – und was hat Ihnen geholfen, trotzdem weiterzumachen?
„Jeder hat in so einer Situation Ängste. Es gab viele Momente, in denen ich dachte, ich schaffe das nicht mehr. Aber mein Sohn war unglaublich stark – er hatte keine Angst, keine Schmerzen. Seine Unbeschwertheit hat mir geholfen, weiterzumachen.“
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Als der Bauch wuchs, ahnte niemand, dass es Krebs war
Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass mit Ihrem Kind etwas nicht stimmt?
„Die ersten und einzigen Symptome zeigten sich am 6. November 2023: Sein Bauch wurde auffällig dicker. Der erste Arzt, den wir aufsuchten, hielt es für eine harmlose Verstopfung. Doch als es nach drei Tagen schlimmer wurde, gingen wir erneut hin. Dieses Mal hieß es, wir sollten sofort ins Krankenhaus.“
Wie lange hat es von den ersten Anzeichen bis zur endgültigen Diagnose gedauert?
„Es war von Anfang an klar, dass es ein Tumor ist. Direkt am Tag unserer Einlieferung ins Krankenhaus wurde die Diagnose gestellt.“
Gab es während der Behandlung eine Entscheidung, die Ihnen besonders schwergefallen ist? Wie sind Sie damit umgegangen?
„Eigentlich nicht – ich habe alles getan, was für das Wohl meines Kindes das Beste war. Eine Entscheidung war dennoch herausfordernd: Wo soll Damiano operiert werden? Die Ärzte empfahlen das Universitätsklinikum Tübingen, weil dort ein Spezialist tätig ist. Ich wusste, dass das die richtige Wahl war, aber ich sprach trotzdem mit meinen engsten Vertrauten darüber, besonders mit meiner Mutter. Anfangs hatte sie Bedenken, weil sie mich nicht begleiten konnte und Angst hatte. Doch am Ende konnte ich sie überzeugen.“
In der Regel erfolgt die Behandlung von Kindern mit Nierentumoren am Universitätsklinikum Tübingen nach standardisierten Verfahren, basierend auf dem Studienprotokoll der „SIOP Renal Tumor Study Group“. Häufig erhalten Kinder mit Wilms-Tumoren zunächst eine Chemotherapie. Die Reaktion auf diese Therapie und die bildgebende Diagnostik nach der Behandlung liefern entscheidende Informationen für die Risikoeinstufung des Tumors. Anschließend folgt die operative Entfernung des Tumors – genauso wie es bei Damiano der Fall war.1
Wie hat Ihr Kind die Zeit im Krankenhaus erlebt? Gab es Rituale oder besondere Momente, die geholfen haben, den Alltag erträglicher zu machen?
„Damiano hat sich – den Umständen entsprechend – ganz normal verhalten. Wir haben viel gespielt und versucht, den Krankenhausalltag so zu gestalten, als wären wir zu Hause. Spezielle Rituale gab es nicht, aber unsere gemeinsame Zeit hat ihm geholfen.“
„Die Schule hat es mir nicht leicht gemacht“
Wie hat die Erkrankung Ihren Alltag und Ihre Familie verändert? Was war besonders schwierig – und gab es auch positive Veränderungen?
„Der Alltag nach der stationären Aufnahme war sehr anstrengend. Alle zwei bis drei Tage mussten wir zur Tagesklinik für Untersuchungen, Chemotherapie und Arztgespräche. Besonders schwierig war es für mich, da ich parallel zur Schule ging – und die Schule es mir nicht leicht gemacht hat. Aber ich habe es überstanden.“
Welche Hilfe – von Ärzten, Psychologen, Familie oder Freunden – war für Sie am wichtigsten?
„Meine Mutter war immer an meiner Seite, dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Natürlich auch meiner Familie, aber sie war mein größter Halt. Es wurden mir viele Hilfen angeboten, aber die meisten haben nicht wirklich etwas beigetragen.“
Wie hat die Kostenübernahme durch die Krankenkasse funktioniert? Gab es unerwartete Herausforderungen oder Hürden?
„Zum Glück gab es im Krankenhaus Personal, das uns bei solchen Angelegenheiten unterstützt hat – zum Beispiel bei der Übernahme der Fahrtkosten oder beim Pflegegeld, das wir allerdings kaum erhalten haben.“
„Ich habe erst viel zu spät erkannt, wie wichtig kleine Auszeiten sind“
Gab es etwas, das Ihnen niemand gesagt hat, was aber unglaublich wichtig gewesen wäre? Was hätten Sie sich an Informationen oder Unterstützung gewünscht?
„Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand sagt, wie wichtig es ist, sich selbst kleine Auszeiten zu nehmen – auch nur für ein paar Stunden, um sich zu sortieren. Ich habe das erst viel zu spät für mich erkannt. Es ist völlig in Ordnung, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und für einen Moment nicht nur an das Krankenhaus oder die Untersuchungen zu denken.“
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„Hört auf euer Bauchgefühl und haltet durch“
Wie geht es Ihrem Kind heute? Was hat sich seit der Krankheit verändert – und was würden Sie Eltern sagen, die gerade erst am Anfang dieser Reise stehen?
„Damiano geht es heute sehr gut. Er ist ein fröhlicher, verspielter – und manchmal auf charmante Weise eingeschnappter – kleiner Junge. Viel hat sich nicht verändert, außer dass wir vorsichtiger geworden sind und regelmäßig Arzttermine wahrnehmen müssen. Eltern, die gerade erst mit dieser Diagnose konfrontiert werden, möchte ich sagen: Hört auf euer Bauchgefühl! Während der Behandlung fühlte es sich manchmal an wie Zeitlupe – und plötzlich raste die Zeit. Haltet durch! Und seid nicht enttäuscht, wenn manche Freunde oder Familienmitglieder ihre Versprechen nicht halten. Konzentriert euch auf die, die wirklich an eurer Seite sind.“