
10. Februar 2025, 11:05 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Der Wilms-Tumor ist eine seltene, aber dennoch die häufigste kindliche Nierentumorerkrankung, die überwiegend bei Kindern im Alter unter fünf Jahren auftritt. Das Nephroblastom macht ungefähr sechs Prozent aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus und kann unbehandelt zum Tod führen.

Problematisch ist, dass der Tumor oft schnell wächst, aber dabei meist keine speziellen Beschwerden macht. Der Tumor kann aber nicht nur lokal wachsen, sondern auch Metastasen bilden, die insbesondere die umliegenden Lymphknoten, die Lunge oder die Leber betreffen. Meist findet man den Tumor in einer Niere, aber in seltenen Fällen (unter fünf Prozent) sind von Beginn an beide Nieren betroffen. FITBOOK-Autorin Julia Freiberger erklärt die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten des Wilms-Tumors.
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Übersicht
Was ist der Wilms-Tumor?
Die offizielle Bezeichnung des kindlichen Nierentumors lautet Nephroblastom, doch wird der Tumor wegen seiner Entdeckung um das Jahr 1900 durch den Chirurgen Max Wilms auch Wilms-Tumor genannt. Er entsteht durch ein unkontrolliertes Vermehren von unreifem Gewebe, das u. a. embryonalem Nierengewebe ähnelt.
Der Tumor kann aus unterschiedlichen Gewebearten bestehen und beinhaltet dabei häufig unreife Zellen, die sich im Normalfall zur Niere entwickeln würden (Blastem). Es können aber auch Anteile von Muskel-, Knorpel-, Binde- und Epithelgewebe enthalten sein, weshalb Wilms-Tumore auch als „Mischtumore“ bezeichnet werden.
Typisch für die Erkrankung ist, dass sie sich besonders schnell ausbreitet und eine frühzeitige Tendenz zur Bildung von Fernabsiedlungen in andere Organe (sog. Metastasen) aufweist.1
Eigenschaften der Erkrankung
Ungefähr elf bis 15 Prozent der betroffenen Kinder weisen schon bei der Diagnose Tochtergeschwülste auf, die sich vor allem in den Lymphknoten in der Nähe der Lunge oder Niere finden lassen. Hingegen sind Metastasen in der Leber selten. Beim Fortschreiten der Erkrankung können sich aber auch in den Knochen, im Zentralnervensystem oder außerhalb des Bauchraums Absiedlungen entwickeln. Bei etwa fünf Prozent der Fälle ist es möglich, dass die Tumoren von Beginn an in beiden Nieren auftreten.
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So häufig kommt der Tumor vor
In Deutschland erkranken jährlich ungefähr 100 bis 130 Kinder und Jugendliche an dieser Art eines Nierentumors. Je nachdem, welche Altersgruppe (0–14 oder 0–17 Jahre) man betrachtet, machen diese Tumoren etwa 5,6 Prozent der Krebserkrankungen bei Kindern unter 15 Jahren aus. Von den Jugendlichen unter 18 Jahren erkranken nach Angaben des Deutschen Kinderkrebsregisters (Mainz) jährlich etwa 95 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren neu an einem Wilms-Tumor. Eine Häufung der Erkrankung ist dabei im zweiten und dritten Lebensjahr zu sehen. Mit einem Anteil von 85 Prozent stellt der Wilms-Tumor die häufigste Form von Nierentumoren im Kindes- und Jugendalter dar.2
Ursachen der Erkrankung
Bisher sind die genauen Ursachen für die Entstehung des Wilms-Tumors nicht im Detail geklärt. Allerdings ist das sogenannte Wilms-Tumor-1-Gen (WT1-Gen) auf Chromosom 11 besonders gut untersucht, wobei das Chromosom 11 eine wichtige Rolle bei der normalen Nierenentwicklung spielt. Sollte es allerdings in einer veränderten Form vorliegen, kann dies zu Fehlbildungen und Tumorbildung führen. Aber auch andere chromosomale Veränderungen können die Entstehung des Wilms-Tumors begünstigen. Nach aktuellen Erkenntnissen müssen mehrere genetische Mutationen zusammenwirken, bevor ein Wilms-Tumor entstehen kann.
Symptome vom Wilms-Tumor
Das Tückische an Wilms-Tumoren ist, dass sie zu Beginn keine Beschwerden oder Schmerzen verursachen. Eltern fällt häufig am Anfang ein ungewöhnlich gewölbter Bauch auf, der zunächst irrtümlich als Zeichen guter Ernährung angesehen wird. Das wohl häufigste Symptom ist ein tastbarer, schmerzfreier Knoten im Bauch. Rund zehn Prozent der Wilms-Tumor-Fälle werden bei einer Vorsorgeuntersuchung zufällig vom Kinderarzt entdeckt – und das symptomfrei.
Es kann aber auch sein, dass unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Fieber auftreten. In seltenen Fällen sind neu auftretende Rückenschmerzen oder blutiger Urin (Hämaturie) möglich. Da die Nieren auch an der Blutdruckregulation beteiligt sind, kann ein Wilms-Tumor auch zu einem Bluthochdruck (Hypertonie) führen, so dass dies bei Kindern hier immer entsprechend abgeklärt werden sollte.
Zudem kann sich der Tumor in seltenen Fällen auch auf andere Organe ausbreiten – besonders die Lunge kann davon betroffen sein, wobei dann Husten, Kurzatmigkeit oder weitere Beschwerden auftreten können. Neben Verdauungsproblemen wie Verstopfung oder Durchfall und Gewichtsverlust sollten auch begleitende Fehlbildungen oder erbliche Syndrome berücksichtigt werden.
Diagnose des Tumors
Vermutet der Arzt einen Wilms-Tumor, greift man vor allem auf bildgebende Verfahren zurück, um die Erkrankung zu sichern und das Ausmaß der Erkrankung zu bestimmen. Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums kann zunächst die Art und Größe des Knotens bestimmt werden. Anschließend lässt sich durch ein MRT oder ein CT feststellen, ob der Tumor in die Leber oder in nahegelegene Lymphknoten gestreut hat und ob die andere Niere betroffen ist. Durch diese Methoden ist es nämlich möglich, den Wilms-Tumor mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent von anderen Nierentumoren abzugrenzen.3
In Deutschland wird im Gegensatz zur USA eine feingewebliche Untersuchung des Tumors nicht gleich, sondern meist erst im Laufe der Behandlung durchgeführt, da die bildgebende Untersuchung normalerweise sehr charakteristisch für den Wilms-Tumor ist.
Therapieplanung
Nachdem eine gesicherte Diagnose vorliegt, muss die Therapie individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Dazu müssen unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden, die die Prognose des Kindes beeinflussen können.
Ein entscheidender Faktor ist zum einen das Krankheitsstadium. Hierbei bewertet man, wie weit sich der Tumor bereits zum Zeitpunkt der Diagnose ausgebreitet hat und inwieweit ein operatives Entfernen möglich ist. Zum anderen ist auch die Unterform des Wilms-Tumors aussagekräftig. Die Eigenschaften des Tumors liefern Informationen über die Bösartigkeit und das Wachstumsverhalten.
Stadien des Tumors
Je nach Krankheitsstadium eines Wilms-Tumors können die nächsten Schritte für eine optimale Behandlung festgelegt werden. Dabei erfolgt die Einteilung der Stadien anhand folgender Kriterien:
- Ausmaß der Tumorausbreitung als entscheidender Faktor
- Durchbruch der Tumorkapsel
- Befall von Blutgefäßen oder benachbarten Lymphknoten
- Vorliegen von Fernmetastasen
- Befall einer oder beider Nieren
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die komplette operative Entfernung des Tumors. Aus diesem Grund kann die genaue Bestimmung des Krankheitsstadiums auch erst nach der Operation erfolgen. Es ist aber möglich, vor Behandlungsbeginn eine erste Einteilung anhand bildgebender Verfahren vorzunehmen. In diesem Fall unterscheidet man zwischen lokal begrenzten Tumoren in einer Niere, Tumoren mit Metastasen und Tumoren mit beidseitigem Nierenbefall.
In Deutschland klassifiziert man üblicherweise den Wilms-Tumor gemäß der Stadieneinteilung der International Society of Paediatric Oncology (SIOP). Dabei wird die Erkrankung in fünf Stadien eingeteilt.
Stadium I
Im ersten Stadium ist der Tumor auf die Niere begrenzt, hat die Kapsel nicht durchbrochen und kann vollständig entfernt werden.
Stadium II
Der Tumor hat die Kapsel durchbrochen, kann jedoch vollständig entfernt werden. Die Lymphknoten hingegen sind nicht befallen.
Stadium III
Im dritten Stadium kann der Tumor nicht vollständig entfernt werden. Zudem können auch regionale Lymphknoten befallen sein, oder es liegt eine Tumorruptur (Geweberiss) vor. Fernmetastasen sind jedoch nicht vorhanden.
Stadium IV
Im vierten Stadium liegen Fernmetastasen vor – beispielsweise in den Knochen, der Leber, der Lunge oder im Gehirn.
Stadium V
Der Tumor betrifft beide Nieren (bilaterales Nephroblastom).
Bei den letzten beiden Stadien wird zusätzlich das lokale Stadium (I–III) festgelegt.
Sollte bereits ein beidseitiger Wilms-Tumor vorliegen, schließt die Therapie die Behandlung des höchsten lokalen Stadiums mit ein.
Behandlung der Erkrankung
Die Behandlung des Tumors sollte in einer spezialisierten kinderonkologischen Einrichtung vorgenommen werden. Das Ziel der Behandlung ist es, den Betroffenen zu heilen und gleichzeitig die Nebenwirkungen und Spätfolgen der Therapie so gering es geht zu halten.
Die Therapie besteht in Deutschland immer aus einer Kombination von Chemotherapie und Operation. Die Chemotherapie wird dabei zuerst eingesetzt, um den Tumor zu verkleinern, aber auch die Ergebnisse der sich dann anschließenden Operation zu verbessern. Die Dauer der Chemotherapie variiert dabei in Abhängigkeit des initialen Stadiums zwischen 4 bis 6 Wochen bzw. bei beidseitigen Tumoren sogar bis zu 12 Wochen. Dieses Verfahren wird in Deutschland standardmäßig für alle Kinder über 6 Monaten und Jugendliche unter 16 Jahren umgesetzt. Bei Säuglingen unter 6 Monaten und Jugendlichen über 16 Jahren wird dagegen eher die unmittelbare Operation eingesetzt, da hier andere Nierentumore häufiger sein können, die wiederum ein anderes Behandlungsverfahren benötigen.
Eine feingewebliche Untersuchung wird meist erst im Rahmen der Operation und nur in Ausnahmefällen vorher durch eine gezielte Stanz- oder Feinnadelbiospie durchgeführt. Das Behandlungsziel ist es stets, den Tumor sowie auch mögliche Metastasen zu entfernen.
Für gewöhnlich wird nach der Operation die Chemotherapie fortgesetzt. Dabei ist die Dauer der sog. postoperativen Chemotherapie abhängig von der Bösartigkeit und der Ausdehnung des Tumors sowie des OP-Ergebnisses. Die Therapie kann zwischen einem Monat und bis zu zehn Monaten dauern. Je nach Tumorstadium und dem Vorhandensein von Metastasen kann zusätzlich eine Strahlentherapie notwendig werden, um verbleibende Tumorzellen zu eliminieren.

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Prognose
Die Prognose des Tumors kann von mehreren Faktoren beeinflusst werden:
- Diagnosezeitpunkt: Je früher die Erkrankung entdeckt wird, desto besser stehen die Heilungschancen.
- Alter: Ein höheres Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert.
- Histologie: Sie befasst sich mit dem Aufbau von menschlichen Zellen und Geweben. Die Prognose ist umso besser, je günstiger die Histologie ist.
- Molekulare Befunde: Bestimmte genetische Veränderungen können das Risiko eines Rückfalls erhöhen.
Die Behandlungsaussichten für Kinder, die am Wilms-Tumor erkrankt sind, sind insgesamt sehr gut. Handelt es sich um Erkrankungen in frühen Stadien, die nur auf eine Niere begrenzt sind, beträgt die Heilungsrate etwa 85 und 95 Prozent. Sogar bei fortgeschrittenen Krankheitsverläufen ist der Therapieerfolg vielversprechend: mit Heilungsraten von 60 Prozent bei ungünstiger und bis zu 90 Prozent bei günstiger Histologie.4