13. Dezember 2020, 18:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Atmen ist nicht gleich Atmen – das ist mittlerweile vielen klar. Wie und wie oft wir atmen, hat großen Einfluss darauf, wie es uns geht – körperlich und mental. Doch wie viele Atemzüge pro Minute sind nun eigentlich optimal? Wir haben eine Ärztin gefragt.
Das Thema Atmen ist auf dem Vormarsch. Nicht, dass wir es unbedingt häufiger täten, wir werden uns unseres Atmens aber immer bewusster. Das liegt auch an der Corona-Pandemie, die bei manchen sicherlich öfter als vorher den Fokus auf die eigene Atmung schiebt. Etwa aus der Angst heraus, dass die Atemzüge nicht mehr ganz so optimal und selbstverständlich ablaufen wie früher. Doch bereits bevor die Welt sich mit dem Virus auseinandersetzten musste, entdeckten die Menschen das Atmen und seinen Einfluss auf die Gesundheit neu.
Übersicht
Von Yoga bis Wim Hof – Atmen rückt in den Fokus
Dazu beigetragen hat besonders Yoga mit den diversen Atemtechniken des Pranayama, die Experten wie Laien gern einsetzen, um ihren Geist zu beruhigen, besser zu schlafen oder sich selbst Stück für Stück Richtung Selbsterkenntnis und Erleuchtung zu führen. Hier wird der Atem teilweise extrem heruntergedrosselt, zum Beispiel auf fünf Atemzüge pro Minute.
Einen Namen hat sich in puncto spezieller Atemtechniken der Niederländer Wim Hof gemacht, dessen Methode die Widerstandskraft stärkt und Körper wie Geist auf das Eisbaden vorbereiten soll. Dafür wird 30 bis 40 Mal ohne Pause kräftig ein- und ausgeatmet und der Atem anschließend mehr als eine Minute angehalten.
Atmen ist Thema bei Achtsamkeitsübenden, sportlichen wie allgemein körperinteressierte Menschen und vermutlich allen, die mit dem Atmen Probleme haben. Und mit dem Thema kommen Fragen auf, zum Beispiel die: Wie oft sollen wir atmen? Je nachdem, welche Technik man hier anwendet, unterscheidet sich die Zahl der Atemzüge pro Minute. Doch was gilt für den durchschnittlichen Erwachsenen an einem normalen Tag (also unabhängig von einem Bad im eiskalten See oder einer Meditation)? Darüber haben wir mit der Fachärztin für Innere Medizin Johanna Stoll gesprochen.
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Wie viele Atemzüge sind optimal?
Die Ärztin sagt: „Optimal sind im Schnitt zwölf bis 15 Atemzüge pro Minute.“ Sie erklärt: „Der Mensch braucht Sauerstoff. Den muss er aufnehmen und das Kohlendioxid muss er loswerden, also abatmen. Mit dem entsprechenden Atemzugvolumen von circa 500 Millilitern klappt das gut mit der Sauerstoffaufnahme und der Kohlendioxidabgabe.“
Atmet man mal für ein paar Minuten mehr ein und aus, sei das nicht weiter schlimm. „Das erste, was dann passiert ist, dass man hyperventiliert“, sagt sie und erklärt: „Bevor es zum Problem wird, dass zu wenig Sauerstoff da ist, wird es zum Problem, dass zu viel CO2 abgeatmet wurde.” Die Folge: Klassische Hyperventilations-Symptome wie Muskelkrämpfe, Kribbeln in den Fingern, Schwindel, gefühlte Atemnot, Panik und eventuell Ohnmacht. „Das passiert, bevor sich das zu intensive Atmen auf das Sauerstofflevel im Blut auswirkt.“
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Die Gefahr bei einer zu flachen Atmung
Generell könne eine zu flache Atmung dazu führen, dass zu wenig Sauerstoff oder zu viel Kohlendioxid in der Lunge sei, der Körper steuere da aber automatisch gegen. „Der Körper reguliert sich ohnehin größtenteils selbst, willkürliche Atemzüge kann man selbst gar nicht so sehr beeinflussen“, sagt Stoll. Und der Körper sei zudem sehr anpassungsfähig und fahre sich in den unterschiedlichen Situationen hoch bzw. runter – wie etwa bei Stress, Anstrengung oder im Schlaf.
Wer über einen längeren Zeitraum zu wenig ein- und ausatmet – was jedoch nicht so sehr bei gesunden Lungen, sondern bei chronischen Lungenerkrankungen der Fall ist –, kann das Problem bekommen, dass zu wenig Sauerstoff und/oder zu viel Kohlendioxid im Körper ist. „Wird das Gewebe auf Dauer mit Sauerstoff unterversorgt, stirbt es ab. Zuerst das Gehirn, dann alles andere“, sagt Stoll.
Die Ärztin macht außerdem klar, dass Atemphysiologie und Sauerstoffversorgung des Körpers sehr komplexe Themen seien und einiges mehr zum richtigen Atmen gehöre, als bloß die optimale Zahl der Atemzüge pro Minute. Die Frage nach dem „Wie“ zum Beispiel. Hierzu gehört zum einen, dass besser durch die Nase als durch den Mund geatmet werden sollte – wieso lesen Sie in diesem Artikel bei FITBOOK. Dazu gehört aber auch wie bereits erwähnt, dass wir nicht flach und nur in die Brust, sondern tief bis in den Bauch hinein atmen sollen.
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Der Einfluss der Atmung auf das Gehirn
Yogis lehren es uns schon lange, und auch die Wissenschaft hat inzwischen bewiesen, dass richtiges Atmen Einfluss auf das Gehirn und die Konzentration haben kann. Ein ruhiger Geist hängt also mit der Atmung und so letztlich auch mit der Zahl der Atemzüge zusammen. Und das ist nicht alles: Der gesamte Gemütszustand kann von der Atmung beeinflusst werden. Um zu sehen, wie sich das Atmen direkt auf Ihr Befinden auswirkt, können Sie diesen Test der Standford Universität ausprobieren: „Atmen Sie langsam und sanft. Ein Gefühl der Ruhe breitet sich aus. Atmen Sie jetzt schnell und frenetisch. Die Spannung steigt.“
Stoll sagt zur Verbindung von Stress und Atem: „In Stresssituationen passiert vieles automatisch. Der Puls steigt, der Blutdruck steigt, die Atemfrequenz erhöht sich. Das alles passiert über diverse komplexe Mechanismen.” Das einzige, an dem man aktiv etwas ändern könne, sei die Atemfrequenz, also der optimalen Anzahl der Atemzüge pro Minute. „Das ist besonders mental gut, um sich runterzubringen und zu konzentrieren. Das hat also fast etwas Meditatives.“ Ruhiger und tiefer Atem kann also helfen, uns zu beruhigen und etwa Gefühle von Stress oder Angst zu mindern. Dem Gehirn wird dabei signalisiert, dass wir sicher sind. Es schüttet folglich keine Stresshormone aus. Das wirkt sich letztendlich auch auf die körperliche Gesundheit aus.
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Kann ich lernen, richtig zu atmen?
Ursachen für falsches Atmen gibt es auch bei Menschen mit einem gesunden Atemsystem viele. Gerade Stress wird mit kurzen, schnellen Atemzügen in Verbindung gebracht. Aber auch Verkehrsgerüche können dazu führen, dass wir anders atmen. Gleiches gilt für zu enge Kleidung und die falsche Sitzhaltung. Das sind nur ein paar Auslöser für falsches Atmen. Am Ende geht es vor allem darum, sich bewusst zu machen, wie man atmet – um es dann gegebenenfalls zu ändern.
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Richtiges Atmen kann gelernt werden. Es kann zum Beispiel helfen, die Atemzüge pro Minute zu zählen und mit der Hand zu ertasten, ob die Einatmung im Bauch ankommt. Beim Lernen der richtigen Atmung können Yogakurse und Atem-Coaches helfen. Ebenso wie Atemtherapie. Die hat inzwischen so einen festen Platz in der Medizin, dass sie sogar von den Krankenkassen übernommen wird. Am Anfang steht aber in jedem Fall Achtsamkeit für Ihren Atem und Ihren Körper. So finden Sie dann auch heraus, wie viele Atemzüge pro Minute für Sie selbst optimal sind.