4. Dezember 2020, 20:08 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Einige Familien haben es schon in den Herbstferien gemacht, zu Weihnachten haben das noch weitaus mehr in Planung: sich vier bis fünf Tage in Selbstquarantäne begeben. Die Politik ruft ebenfalls dazu auf. Aber wie sinnvoll ist das?
Die Ministerpräsidenten der Länder empfehlen Menschen, die mit ihrer Familie Weihnachten feiern möchten, sich vor den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne zu begeben.
„Dies kann durch gegebenenfalls vorzuziehende Weihnachtsschulferien ab dem 19. Dezember 2020 unterstützt werden“, heißt es weiter. Damit solle die Gefahr von Corona-Infektionen im Umfeld der Feierlichkeiten mit Verwandten so gering wie möglich gehalten werden.
Selbstquarantäne vor Weihnachten – sinnvoll oder nicht?
Die sogenannte Inkubationszeit bei einer Corona-Infektion beträgt laut Medizinstatistiker Tim Friede von der Uni Göttingen im Durchschnitt fünf bis sechs Tage. Gemeint ist damit die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung. Man kann jedoch auch davor und danach infektiös sein. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) und etwa der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Uni Göttingen, Uwe Groß, berufen sich auf diese Zahlen.
Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass ein großer Teil der Infizierten gar keine klinischen Symptome entwickle und dennoch infektiös sein könne, sagt Groß. Das seien in etwa 15 bis 45 Prozent. „Vor allem junge Leute.“ Er halte den Appell der Ministerpräsidenten aber dennoch für „sehr gut“.
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Fünf Tage Selbstquarantäne vor Weihnachten können zu wenig sein
Ein weiteres Problem der Selbstquarantäne ist laut Friede auch, „dass es hier keinen zeitlichen Bezugspunkt gibt, wie etwa ein erster negativer Test“. Man wisse daher nicht, ob sich die jeweilige Person infiziert habe oder nicht und ob sie schon oder vielleicht nicht mehr infektiös sei. Er halte daher das Infektionsrisiko auch nach fünf Tagen Selbstquarantäne „noch für erheblich“. Dennoch betont er: „eine Quarantäne von vier bis fünf Tagen ist natürlich besser als gar keine Quarantäne“.
Zudem könnten in seltenen Fällen – bei weniger als fünf Prozent der Infizierten – auch erst nach 10 bis 14 Tagen Symptome auftreten. Bis wann maximal Symptome auftreten können, lasse sich nicht genau festmachen. „Aber klar ist natürlich, dass die Wahrscheinlichkeit immer geringer wird, je mehr Tage vergehen.“
Auch nachträglich können noch Symptome auftreten
„Aus den genannten Daten würde ich ableiten, dass die Wahrscheinlichkeit, Symptome zu entwickeln, auch nach fünf Tagen noch bei durchaus 50 Prozent liegen könnte“, sagt Friede. Hintergrund seiner Annahme: Er gehe von einer halbwegs symmetrischen Verteilung aus wie etwa einer sogenannten Normalverteilung – ein wichtiger Typ der Wahrscheinlichkeitsverteilungen in der Statistik.
„Wenn man von einer Inkubationszeit, also einem Mittelwert von fünf bis sechs Tagen ausgeht, bildet dieser Mittelwert den Höhepunkt der symmetrischen Kurve“, sagt Friede. Folglich würden etwa 50 Prozent der Fälle erst nach diesem durchschnittlichen Mittelwert Symptome entwickeln. „Bei einer schiefen Verteilung, die auch nicht ganz abwegig hier ist, wäre der Anteil allerdings geringer. Gute Daten sind mir dazu aber nicht bekannt“, sagt Friede.
Erkrankte sind teils schon vor Symptombeginn infektiös
Die Tücke der Corona-Ansteckung liegt vor allem darin, dass Erkrankte schon vor Beginn der Symptome infektiös sein können. „Und zwar etwa ein bis drei Tage vorher“, sagt Friede. Das mache die Sache natürlich viel komplizierter, da die Betroffenen dies nicht wissen können – es sei denn, sie wurden getestet.
Eine Infektion sei allerdings erst nach einigen – frühestens 2, typischerweise 4 bis 7 – Tagen nachdem man einer infektiösen Person begegnete etwa mittels PCR-Test feststellbar. Und erst dann sei man auch ansteckend, sagt Andreas Podbielski von der Uni Rostock. „Infektionssymptome treten noch einmal 1 bis 2 Tage später auf. Typischerweise wird jemand, der sich Heiligabend infiziert, selber erst nach Weihnachten ansteckend sein.“
Theoretisch sei es möglich, dass man schon am Tag der Infektion ansteckend sei, sagt Groß. „Ich persönlich halte das eher für unwahrscheinlich. Es sei denn, man infiziert sich um 0.30 Uhr in der Disco mit sehr hoher Viruslast; dann könnte man eventuell schon am späten Abend (23.00 Uhr) infektiös sein. Aber wie gesagt: Noch ist das alles sehr theoretisch.“
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Wann im Verlauf der Infektion ist man besonders ansteckend?
Laut Groß ist man ein bis drei Tage vor Auftreten der Symptome schon „hochgradig infektiös“. Grund sei, dass sich das Virus zunächst stark in der Mundhöhle vermehre und erst dann in die Lunge wandere. Aber auch zwei bis drei Tage nach dem Auftreten der Symptome sei die Gefahr einer Ansteckung noch „sehr hoch“.
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Der Höhepunkt einer Infektion lasse sich nicht pauschal bestimmen, sondern hänge von der Infektionsdosis ab. „Wenn Person A 100 Viruspartikel aufnimmt und Person B 100.000 Viruspartikel, dann wird Person B eine kürzere Inkubationszeit haben, schneller Symptome entwickeln und somit auch früher hochgradig infektiös sein“, sagt Groß.
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Fazit: Selbstquarantäne hilft – schützt aber nicht zwangsläufig
Eine Selbstquarantäne vor den Weihnachtsfeiertagen ist also prinzipiell nicht schlecht und kann das Corona-Risiko zumindest dahingehend verringern, dass man in diesen Tagen keine möglicherweise Infizierten mehr trifft und sich ansteckt. Problematisch ist jedoch, dass falls man bereits infiziert sein sollte, eine Quarantäne von nur wenigen Tage nicht ausreichend sein könnte, um vor dem anstehenden Verwandtenbesuch zu Weihnachten nicht mehr infektiös zu sein.