6. November 2024, 19:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Früher galt Herpes bloß als nervige Bläschen im Mundraum oder im Lippenbereich, die immer mal wieder in Erscheinung treten können. Neuere Studien haben gezeigt, dass das Virus auch mit Demenz-Erkrankungen in Verbindung steht. Doch wie gelangt es ins Gehirn und was richtet es dort an? Dazu gibt es erstmals neue Erkenntnisse.
Bei Herpes unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Viren-Arten.1 Das Herpes-simplex-Virus 1 (HSV1) verursacht das häufig auftretende Lippenherpes. Es kann aber auch an anderen Stellen im Gesicht wie an den Augen und sogar Ohren auftreten. Herpes-simplex-Virus 2 (HSV2) ist dagegen als Genitalherpes bekannt, da es im Intimbereich auftritt. Dennoch können beide Viren-Arten die gleichen Erkrankungen auslösen. Und sie können ins Gehirn gelangen, wie Studien bereits zeigten. Doch wie kommt das Herpes-Virus ins Gehirn? Auf diese Frage geht nun eine aktuelle Studie ein.
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Übersicht
Herpes-Viren verbleiben ein Leben lang im Körper
Viele Menschen, die sich mit Herpes-Viren infiziert haben, kennen dieses Phänomen: Sie treten immer mal wieder in Erscheinung. Denn die Viren infizieren das zentrale Nervensystem und verbleiben nach einer Ansteckung meist lebenslang im Körper. Vor allem, wenn das Immunsystem geschwächt ist, treten die Viren wieder an die Hautoberfläche in Form von den bekannten Bläschen. Dieser Vorgang wird als Reaktivierung bezeichnet. Andererseits werden die Viren bei Menschen mit einem starken Immunsystem in Schach gehalten und somit nicht reaktiviert. Die Herpes-Bläschen sind schon unangenehm genug für Betroffene – doch es gibt für sie noch weitere negative Konsequenzen.
Studien zu Herpes und Demenz-Erkrankungen
Es gibt bereits Studien, die darauf Hinweise liefern, dass Herpes-Viren im Gehirn Schäden anrichten und so zu Demenz-Erkrankungen führen könnten. Laut einer US-Studie aus dem Jahr 2021 könnte der Mangel eines bestimmten Proteins den neurodegenerativen Verfall bei Herpes-Infizierten mit einem schwachen Immunsystem begünstigen (FITBOOK berichtete darüber).2 Bei dem Protein handelt es sich um Optineurin (OPTN). Dieses hilft normalerweise den Zellen, das Herpes-Virus abzubauen. Liegt ein Mangel vor, können sich die Viren ausbreiten und reaktiviert werden. Deswegen vermuten die Forscher, dass die Behandlung des OPTN-Mangels womöglich Krankheiten wie Demenz und Alzheimer vorbeugen könnte.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2022 zeigt, dass jedoch das Herpes-Virus allein womöglich nicht ausreicht, um Demenz-Erkrankungen wie Alzheimer auszulösen.3 Stattdessen muss das Virus reaktiviert werden, was beispielsweise durch den Windpocken-Erreger geschehen kann. Wer also an Gürtelrose erkrankt, hat ein höheres Risiko, dass Herpes-Viren im Körper reaktiviert werden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit für Eiweißablagerungen an den Nervenzellen und damit auch Alzheimer. Wie man sich davor schützen kann, erklärt FITBOOK in einem früheren Beitrag.
Doch wie verbreitet sich das Herpes-Virus im Gehirn?
Wie die früheren Forschungen zeigen, kann also Herpes das Gehirn und damit auch das zentrale Nervensystem infizieren. Doch wie verbreitet sich dort das Virus? Dieser Fragen sind Forscher an der amerikanischen University of Colorado mit Kollegen von der französischen Universität von Burgund nachgegangen.4 Dabei untersuchten sie die Gehirne von infizierten Mäusen mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV1). Im Speziellen schauten sich die Forscher die betroffenen Regionen im Gehirn an, um die möglichen Auswirkungen einzuschätzen.
Laut den Forschern kann das Virus auf zwei Wegen in das zentrale Nervensystem gelangen:
- Durch den Trigeminusnerv: Dieser Nerv leitet Sinnesinformationen vom Gesicht zum Gehirn und steuert die Muskeln, die zum Kauen benötigt werden.
- Durch den Geruchsnerv: Wie die Bezeichnung schon darauf hinweist, leitet dieser Nerv die Geruchsinformation von der Nase zum Gehirn.
Die Analyse der Mäusehirne ergab, dass sich HSV1 in mehreren der wichtigsten Hirnregionen einnistete. Dazu zählten die folgenden:
- der Hirnstamm, der für die Koordination von Herz- und Atemfrequenz sowie Schlaf und Bewegung zuständig ist
- der Hypothalamus, der beispielsweise für Schlafregulation, Stimmung, Appetit und Hormonspiegel-Steuerung zuständig ist
Interessanterweise blieben andere Bereiche im Gehirn von den HSV1-Antigenen unberührt. Dazu zählte beispielsweise der Hippocampus. Es ist jene Region im Gehirn, die für Gedächtnis und Orientierungsvermögen zuständig ist und deswegen auch mit Krankheiten wie Alzheimer in Verbindung steht. Auch die Hirnrinde (der Kortex), welcher für Gedächtnis und Konzentration zuständig ist, war nicht betroffen.
Das Virus kann für anhaltende Entzündungen sorgen
Die Forscher untersuchten auch die Aktivität der sogenannten Mesoglia. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Immuneffektorzellen des zentralen Nervensystems. Diese haben sich ebenfalls durch das Herpes-Virus entzündeten. Das besondere dabei: In einigen Regionen blieben diese Immunzellen selbst nach dem Verschwinden des Virus noch aktiv, was auf eine anhaltende Entzündung hindeutet.
Zudem kann Herpes im schlimmsten Fall eine Enzephalitis auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung, bei der das gesamte Gehirn entzündet ist. In dieser Studie kam es zwar nicht dazu, dennoch wurde Schaden im Gehirn verursacht. Die Forscher vermuten nämlich, dass HSV1 und die dadurch entstandenen Entzündungen der Mesoglia ein Grund dafür sein könnte, dass Alzheimer sich in einigen Hirnregionen ausbreiten kann. Oder zumindest den Verlauf der Krankheit negativ beeinflussen kann.
„Dauerhaft entzündete Zellen können zu chronischen Entzündungen führen, einem bekannten Auslöser für eine Reihe von neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen“, kommentiert die Studien-Hauptautorin Christy Niemeyer die Studienergebnisse. Diese Studie liefere wichtige Erkenntnisse darüber, wie Viren mit der Gesundheit des Gehirns zusammenhängen und somit auch dem Ausbruch neurologischer Erkrankungen.
Studie Zwei weit verbreitete Virusarten können Alzheimer auslösen
US-Studie Forscher entdecken Zusammenhang zwischen Herpes und Demenz-Erkrankungen
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Einordnung der Studie
Die Studie zeigt zwar auf, wie sich das Herpes-Virus im Gehirn ausbreiten könnte. Allerdings fanden die Untersuchungen an Mäusen statt, wodurch nicht klar ist, ob die Ergebnisse auch auf den Menschen zutreffen. Deshalb sind klinische Studien nötig, um das herauszufinden.