5. Januar 2020, 18:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In Deutschland sind rund acht Millionen Menschen von Diabetes mellitus betroffen, die allermeisten davon leiden am Typ 2. Diese Form des Diabetes tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf und ist in den meisten Fällen durch den Lebensstil selbst verschuldet. Wie die Krankheit genau entsteht, in dieser Fragestellung glaubt ein britisches Forscherteam von der Newcastle University ein großes Stück näher gekommen zu sein.
Geht es nach Prof. Roy Taylor von der Newcastle University, entsteht Diabetes dadurch, dass Leber und Bauchspeicheldrüse verfetten („Twin Cycle“-Hypothese), worüber auch schon das Ärzteblatt berichtete. Im Umkehrschluss ließe sich ableiten, dass man Diabetes zurückdrängen könnte, wenn man die Verfettung von Leber und Bauchspeicheldrüse stoppt.
Und genau das war das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2017, derzufolge „Heilung“ auch ohne Operation oder Medikamente möglich sei. Denn nach einer radikalen Gewichtsreduktion im Rahmen der DiRECT-Studie hatte die Hälfte der teilnehmenden Typ-2-Betroffenen nach einem Jahr einen normalen Blutzuckerwert (und den positiven Nebeneffekt verbesserter Blutdruckwerte). Dabei galt: Je höher die Gewichtsabnahme, desto höher auch die Erfolgsrate, wie man der Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Lancet 2017 entnehmen konnte.
- 0 – 5 kg Gewichtsverlust: 7 % der Patienten mit Diabetes-Rückgang
- 5 – 10 kg Gewichtsverlust: 34 % der Patienten mit Diabetes-Rückgang
- 10 – 15 kg Gewichtsverlust: 57 % der Patienten mit Diabetes-Rückgang
- > 15 kg Gewichtsverlust: 86 % der Patienten mit Diabetes-Rückgang
In einer aktuellen Untersuchung wollten Prof. Taylor und seine Kollegen jetzt wissen, wie es zu einem Diabetes-Rückgang kommen kann – und wie man diesen Zustand aufrechterhalten kann. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, stützten sich die Forscher auf Daten der fortlaufenden DiRECT-Studie und wandten zudem modernste bildgebende Verfahren an. Ihre Ergebnisse erschienen in der Fachpublikation Cell Metabolism.
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Das haben die Forscher untersucht
Die vorliegende Untersuchung wollte die sogenannte „Twin Cycle“-Hypothese testen, die Taylor und sein Team vor mehr als zehn Jahren postuliert hatten. Deren Theorie geht davon aus, dass Diabetes durch eine Ansammlung von Fett in der Leber (Verfettung) entsteht. Diese Verfettung löst wiederum eine Insulinresistenz aus und ebnet damit Diabetes den Weg. Unter Insulinresistenz ist gemeint, dass Zellen weniger empfindlich auf das Hormon Insulin reagieren und damit dessen Wirkung eingeschränkt wird (Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und fördert die Aufnahme von Glukose aus dem Blut in die Körperzellen, während es gleichzeitig die Neubildung von Glukose in der Leber hemmt). Da der Stoffwechsel aber zur Senkung des Blutzuckerspiegels unbedingt Insulin benötigt, produziert die Bauchspeicheldrüse jetzt immer mehr davon, bis sie am Ende erschöpft ihren Dienst aufgibt.
Aufgrund der Leberverfettung können die Lipide auf umliegendes Gewebe „überlaufen“, zum Beispiel auf die Bauchspeicheldrüse, und so auch diese verfetten. In der Bauchspeicheldrüse befinden sich sogenannte Beta-Zellen, die für die Insulinproduktion zuständig sind. „Wenn Beta-Zellen über einen längeren Zeitraum gesättigten Fettsäuren ausgesetzt sind, wirkt das schädlich auf sie“, schreiben die Autoren.
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In der aktuellen Studie wollten die Forscher jene Prozesse – auf Basis ihrer Hypothese – beschreiben, die dafür verantwortlich sind, dass bei bestimmten Patienten der Diabetes erst weggegangen und dann wiedergekommen ist. Dafür setzten sie auf hochmoderne MRT-Technologie, die es erlaubt, Fett innerhalb der Organe und des Abdomens (=Bauchfett) zu messen. In erster Linie betrachteten sie das Fett in Speicheldrüse und Leber.
Das haben die Forscher herausgefunden
Die Untersuchung hat herausgefunden, dass die meisten Teilnehmer der DiRECT-Studie auch noch zwei Jahre nach Remission, also dem Rückgang der Krankheit, diabetesfrei blieben – vorausgesetzt, auch ihre Fettwerte in Leber und Bauchspeicheldrüse blieben niedrig.
Prof. Taylor erklärt die Ergebnisse: „Wir haben gesehen: Wenn eine Person zu viel Fett anhäuft, das eigentlich unter der Haut eingelagert werden sollte, dann muss es an eine andere Stelle im Körper hin. Wie viel Fett unter die Haut passt, hängt von Person zu Person ab.“ Das bedeute, es gebe so etwas wie eine „persönliche Fettschwelle“. Würde man diese überschreiten, können das Fett im Körper „Ärger bereiten“, so Taylor weiter.
Denn: Kann das Fett nicht mehr unter der Haut abgelagert werden, wird es in der Leber gespeichert, von wo aus es unter anderem auf die Bauchspeicheldrüse „überschwappen“ kann. Taylor weiter: „Das verstopft die Bauchspeicheldrüse und schaltet bestimmte Gene ab, die für die Insulinproduktion wichtig sind. So entsteht am Ende Typ-2-Diabetes.“