16. August 2024, 4:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Sport ist nicht nur gut für unsere Gesundheit und das Wohlbefinden. Er hat sogar nachweislich einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung. Niederländische Forscher wollten es aber ganz genau wissen und haben untersucht, welche Sportarten das Leben am stärksten verlängern können. Dabei gab es ein paar überraschende Erkenntnisse. FITBOOK-Autor Martin Lewicki erklärt, was die Wissenschaftler herausgefunden haben.
„Sport ist Mord“, lautet ein beliebter Spruch unter Bewegungsmuffeln. Dabei müsste es wohl richtig heißen „Sport kann das Leben verlängern“. Mittlerweile gibt es unzählige Studien, die die positiven Effekte auf unsere Gesundheit belegen und sogar Hinweise, dass Sport die Lebensspanne verlängern kann. So auch Leistungssport, von dem man bisweilen annahm, dass er eher verschleißend auf den Körper wirke und schneller altern lasse. Eine Analyse von Daten über Läufer auf Leistungssportniveau lieferte gegenteilige Hinweise (FITBOOK berichtete).1 Aktuelle Daten aus der Forschung deuten außerdem darauf hin, dass veränderbare Faktoren wie Ernährung, psychische Gesundheit und körperliche Aktivität einen stärkeren Einfluss auf die Lebenserwartung haben als nicht veränderbare Faktoren wie unsere Genetik.2 Aber welche Sportarten können das Leben am stärksten verlängern – und welche können es nicht? Mit dieser Fragen haben sich niederländische Forscher von der Universität Groningen beschäftigt und überraschende Antworten gefunden.
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Übersicht
- Lebenserwartung von Athleten mit Durchschnittsbevölkerung verglichen
- Männer profitieren stärker vom Sport als Frauen
- Stabhochspringer und Turner mit höchster Lebenserwartung
- Top 10 der Sportarten, die das Leben verlängern können
- Top 10 der Sportarten mit der niedrigsten Lebenserwartung
- Sportarten mit aeroben und anaeroben Eigenschaften haben den größten gesundheitlichen Nutzen
- Einordnung der Studienergebnisse
- Quellen
Lebenserwartung von Athleten mit Durchschnittsbevölkerung verglichen
Für ihre Studie haben sich die Forscher die Daten von Leistungssportlern aus aller Welt angeschaut.3 Sie sammelten die Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen und kamen so auf insgesamt 95.210 Probanden, die in die Studie eingeschlossen wurden. Davon war allerdings der Großteil (95,5 Prozent) Männer, lediglich 4,5 Prozent waren Frauen. Der Datensatz umfasste Top-Athleten aus 183 Ländern, die zwischen 1862 und 2002 geboren wurden. Dabei wurden 44 verschiedene Sportarten identifiziert. Die Lebenswartung der Athleten wurde dann mit jener der entsprechenden Durchschnittsbevölkerung verglichen.
Männer profitieren stärker vom Sport als Frauen
Bei der Auswertung der Daten zeigte sich ein starker Unterschied bei den Geschlechtern. So hatte der Leistungssport einen stärkeren Einfluss auf die Lebenserwartung bei Männern als bei Frauen. Dies kann sicherlich zum einen daran liegen, dass angesichts der geringen Anzahl betrachteter Frauen einfach nicht genug Daten über Leistungssportlerinnen vorlagen. Das muss zugleich nicht auszuschließen, dass auch andere Gründe eine Rolle spielen könnten. Auf diese ging die Studie jedoch nicht ein.
Stabhochspringer und Turner mit höchster Lebenserwartung
Die Auswertung der Daten hat zum Teil überraschende Ergebnisse geliefert. So liegen Stabhochspringer mit 8,4 Jahren über dem Bevölkerungsdurchschnitt bei der Lebenserwartung. Gefolgt von Turnern, die 8,2 Jahre im Schnitt länger leben als vergleichbare Personen, die keinen Leistungssport trieben. Insgesamt belegen viele Leichtathletik-Sportarten die vorderen Ränge, darunter Gehen, Laufen, Sprinten, Hürdenlauf sowie Weitsprung. Leistungssportler in diesen Disziplinen leben im Schnitt vier bis fünf Jahre länger.
Am anderen Ende des Spektrums, also der kürzesten Lebenserwartung unter Leistungssportlern, gab es eine Überraschung. Gleich hinter den Sumo-Ringern, die im Schnitt 9,8 Jahre kürzer leben als vergleichbare Personen, landen die Volleyballer. Diese leben im rund 5,4 Jahre kürzer als die Durchschnittsbevölkerung.
Top 10 der Sportarten, die das Leben verlängern können
- Stabhochsprung (+8,4 Jahre)
- Turnen (+8,2 Jahre)
- Fechten (+6,6 Jahre)
- Zielsportarten (wie Bogenschießen) (+6,2 Jahre)
- Schlägersportarten (wie Tennis) (+5,7 Jahre)
- Leichtathletik gemischt (+5,7 Jahre)
- Gehen (+5,7 Jahre)
- Cricket (+ 5,7 Jahre)
- Sprint (+ 5,3 Jahre)
- -athlon Sportarten (z.B. Decathlon, Biathlon)
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Top 10 der Sportarten mit der niedrigsten Lebenserwartung
- Sumo-Ringen (-9,8 Jahre)
- Volleyball (-5,4 Jahre)
- Bergsteiger (-3,8 Jahre)
- Kampfsportler (-2,5 Jahre)
- Handball (-2,2 Jahre)
- Eishockey (-0,8 Jahre)
- Boxen (-0,6 Jahre)
- Bobfahren (-0,3 Jahre)
- Wrestling (+0,5 Jahre)
- Fußball (+0,5 Jahre)
Zudem gab es einen positiven Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung und beliebten Mannschaftssportarten wie Kricket, Rudern, Baseball, Wasserball und Feldhockey. Lediglich bei Handball und Volleyball gab es einen deutlichen negativen Zusammenhang mit der Lebenserwartung. Auch bei Frauen übrigens. Warum das so ist, konnte nicht geklärt werden. Die Forscher vermuten, dass physische Traumata, denen Volleyballspieler ausgesetzt sind, zu einer stärkeren Skelett- und Muskelbelastung führen, die sich auf die Gesundheit und langfristig auf die Lebenserwartung auswirkt. Die gleiche Hypothese haben sie auch beim Handball. Doch aufgrund der Komplexität der Sportarten und der Daten der Studie können die Forscher keinen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Beobachtungen herstellen.
Sportarten mit aeroben und anaeroben Eigenschaften haben den größten gesundheitlichen Nutzen
Wie aus der Analyse hervorgeht, gehören Stabhochsprung und Turnen zu den beiden Sportarten, die das Leben am stärksten verlängern können. Hierbei handelt es sich um sogenannte gemischte Sportarten, da sie sowohl anaerobe als auch aerobe Komponenten enthalten. Das heißt, sie trainieren sowohl Kraft als auch Ausdauer. Darin sehen die Forscher eine mögliche Erklärung, warum zum Beispiel Leichtathletik-Sportarten generell gut abschneiden in der Studie und die Lebenserwartung deutlich erhöhen. Daraus könnte man schließen, dass ein Training, das sowohl auf Kraft- als auch auf Ausdauer ausgelegt ist, das Leben verlängern kann.
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Einordnung der Studienergebnisse
Andererseits müssen die Studienergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden. Denn bei allen Probanden handelte es sich um Leistungssportler, die an nationalen oder internationalen Wettkämpfen wie den Olympischen Spielen teilnahmen. Diese Sportler trainieren meist mehrere Stunden täglich über viele Jahre hinweg. Wer also einmal wöchentlich zum Volleyballspielen geht, wird damit seiner Gesundheit eher nutzen als schaden. Stabhochsprung und Turnen gehören wiederum zu technisch anspruchsvollen Sportarten, die nicht jeder Freizeitsportler ausüben kann. Dennoch legen die Studienergebnisse nahe, dass die Kombination aus Krafttraining und Ausdauertraining (auch in einer Sportart vereint) die Lebenserwartung erhöhen kann.