24. Mai 2022, 11:34 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
FITBOOK hat mit einem Urologen über Symptome, Behandlung und Heilungschancen von Hodenkrebs gesprochen – der häufigsten Tumorerkrankung bei Männern zwischen 20 und 45.
Die im Hodensack befindlichen Hoden (auch Testikel genannt) gehören zu den männlichen Fortpflanzungsorganen. Ab der Pubertät werden darin Spermien sowie das Geschlechtshormon Testosteron produziert. Zu diesem Zeitpunkt fangen die Hoden auch an, an Größe zuzunehmen, bis sie mit 40 ihr Höchstmaß erreicht haben und dann erst ab 50 wieder etwas kleiner werden. In die Zeit der Wachstumsphase fallen auch die Jahre, in denen die Gefahr, an Hodenkrebs zu erkranken am größten ist.
Übersicht
Was ist Hodenkrebs?
Hodenkrebs ist ein bösartiges Geschwulst, das in 95 Prozent der Fälle nur einen der beiden Hoden befällt. Wie uns der Urologe Dr. med. Christoph Pies erklärt, handelt es sich dabei zumeist um einen sogenannten Keimzelltumor, sprich einen Tumor, der zumeist aus Keimzellen (den Vorläuferzellen der späteren Spermien) entsteht. „In diesem Fall nennt man den Tumor Seminom. Alle anderen Formen heißen Nicht-Seminome“, so der Experte. Diese Unterscheidung sei für die Behandlung des Krebses wichtig. Um die Ursprungszelle zu ermitteln, muss befallenes Gewebe eingeschickt und eine histologische Untersuchung vorgenommen werden.
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Risikofaktoren für Hodenkrebs
Das Durchschnittsalter von Hodentumorpatienten liegt bei etwa 38 Jahren. Wen es trifft, hänge dabei auch von erblichen Faktoren ab. „Als gesicherter Risikofaktor gilt vor allem ein Leistenhoden im Kleinkindalter“, so Pies. Bei einem Leistenhoden (auch: Hodenhochstand) befinden sich ein oder beide Hoden außerhalb des Hodensacks, etwa im Leistenkanal oder Bauchraum. Diese meist angeborene Anomalie wird in der Regel noch vor dem ersten Lebensjahr operativ behoben.
Fälle von Hodenkrebs machen laut Angaben des Robert-Koch-Instituts 1,6 Prozent der Krebsneuerkrankungen aus. Es handelt sich somit um eine verhältnismäßig seltene Tumorerkrankung – allerdings mit steigender Tendenz. „In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat die Zahl der Hodenkrebsfälle in den westlichen Industrieländern deutlich zugenommen“, weiß auch Dr. Pies. Die Ursachen dafür sind nicht vollständig geklärt. Genetische Störungen der Stammzellen und Umweltgifte würden diskutiert, außerdem etwaige Hormoneinflüsse noch vor der Geburt des Betroffenen. „Beispielsweise scheint eine Östrogenbehandlung der Mutter während der Schwangerschaft das Risiko für Hodenkrebs beim Sohn zu erhöhen.“
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Wie tastet man den Hoden richtig ab und auf welche Symptome sollte man achten?
Damit der Krebs früh erkannt und somit erfolgreich behandelt werden kann, sollten Männer bereits in der Pubertät damit anfangen, ihren Hodensack einmal im Monat auf eine Verhärtung abzutasten. Dr. Pies (Autor des Gesundheitsratgebers „Männer-TÜV“) erklärt uns, wie. „Einfach den Hoden zwischen Daumen und Zeigefinger leicht hin- und herrollen“, sagt uns der Arzt.
Für die Selbstuntersuchung ist es sinnvoll, die Anatomie des Hoden zu kennen, um nicht unnötig zu erschrecken. „An der oberen Rückseite des Hodens liegt kappenartig der etwas strangförmige Nebenhoden auf, der manchmal für einen Tumor gehalten wird“, so Pies‘ Hinweis. Ein tatsächlicher Tumor sei meist härter, tut aber nur sehr selten weh. Stattdessen kann er sich mit einem Ziehen oder Schweregefühl bemerkbar machen.
Weitere mögliche Symptome, mit denen Sie sich an einen Experten wenden sollten, sind eine Vergrößerung des betroffenen Hoden – und/oder der Brüste. Der Hintergrund: Manche Hodentumoren produzieren das weibliche Hormon Östrogen bzw. das Schwangerschaftshormon hCG (humanes Choriongonadoptrin).
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Wie wird Hodenkrebs behandelt?
Die Therapie richtet sich, wie oben erwähnt, nach der Art der Ursprungszelle. Nach der Diagnosestellung verfahre man meistens so, dass der befallene Hoden (oder ein Teil davon) operativ entfernt wird. Um zu überprüfen, ob der Krebs sich weiter im Körper verteilt hat, werden per Computertomografie der Bauch- und Brustraum untersucht. Eine Bestrahlung sei nur dann sinnvoll, wenn es sich um ein Seminom handelt. Fortgeschrittenere Stadien und Nicht-Seminome würden hingegen mit einer zusätzlichen Chemotherapie behandelt.
Vor der Chemotherapie haben nach Dr. Pies‘ Erfahrung die Patienten „berechtigterweise“ am meisten Respekt. „Die Chemotherapie muss über mehrere Wochen als Infusion verabreicht werden und ist körperlich belastend, da sie mit starker Übelkeit und Haarausfall einhergehen kann“, beschreibt er uns. „Dafür ist sie aber glücklicherweise meist von Erfolg gekrönt.“
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Heilungschancen stehen gut
Selbst bei einer aggressiveren Form von Hodenkrebs liegen die Heilungschancen bei etwa 95 Prozent und sind damit laut Dr. Pies so gut wie bei keiner anderen Krebsart. Aber auch nach überstandener Krankheit sind zeitlich eng getaktete Nachsorgetermine zur Ultraschall-, Röntgen- und Blutuntersuchungen beim Arzt wichtig.
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Familienplanung mit nur einem Hoden?
„Allein durch die Entfernung eines der beiden Hoden ist die Zeugungsfähigkeit meist nicht entscheidend eingeschränkt“, beruhigt Dr. Pies. Wer sich dennoch absichern will, kann vor der Behandlung Samen für eine spätere künstliche Befruchtung einfrieren lassen. Selbst Libido und Potenz sollen nach der Therapie in der Regel unverändert bleiben.
Auch wenn man(n) aus gesundheitlicher Sicht nur einen Hoden braucht – sollte aus kosmetischen Gründen ein zweiter gewünscht sein, bietet die ästhetisch-plastische Chirurgie die Möglichkeit des Einsatzes von Kunststoffprothesen.