20. August 2020, 13:01 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermeldet 1707 Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages in Deutschland. Höher hatte die Zahl zuletzt im April gelegen. Auch in vielen anderen Ländern ist das Virus wieder auf dem Vormarsch. FITBOOK gibt einen Überblick über die Fragen, die Fachleute im Moment besonders beschäftigen.
In Deutschland ist die Zahl der bestätigten Corona-Fälle nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) um 1707 auf 228.621 gestiegen (Stand: Donnerstag, 20. August 2020). Höher lag die Zahl zuletzt am 26. April, mit 1737 registrierten Neuinfektionen. An den Folgen des Virus sind in den vergangenen 24 Stunden zehn weitere Personen gestorben. Die Gesamtzahl der Todesfälle steigt somit auf 9253.
Angesichts dieser Fallzahlen sind neue Erkenntnisse zu u.a. Übertragung des Virus, Behandlung von Erkrankten extrem wichtig. Noch liegt einiges im Dunklen. Was sind für Ärzte, Wissenschaftler und andere Experten die drängendsten Fragen, die geklärt werden sollten?
Welcher Impfstoff gegen Corona wird sich durchsetzen?
Weltweit gibt es zahlreiche Impfstoff-Kandidaten. Russland verkündete kürzlich die weltweit erste staatliche Zulassung eines Impfstoffs zur breiten Verwendung. Aber welche Impfung wird sich als der Königsweg erweisen? Das werde sich laut Bernd Salzberger, Infektiologe am Universitätsklinikums Regensburg, in den kommenden Wochen und Monaten klären. Sollte sich die Entwicklung eines Impfstoffs wider Erwarten verzögern, rechne der Experte damit, dass mögliche Zusatz-Schutzvorkehrungen in den Vordergrund rücken. Er nennt in diesem Zusammenhang etwa verbesserte Methoden zur Belüftung von bspw. Klassenzimmern.
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Wie kann man die Corona-Tests verbessern?
Immer weiter wurden die Testkapazitäten in Deutschland ausgebaut und Testangebote erweitert. Das allein werde aber kaum helfen, glaubt Gérard Krause. Er ist Epidemiologe vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. „Wir müssen daran arbeiten, Tests fokussierter einzusetzen“, betont er.
Es müsse zum Beispiel besser priorisiert werden, wer, zu welchem Zeitpunkt und wie oft getestet wird. Laborergebnisse müssten außerdem schneller zu den Gesundheitsämtern gelangen. Massenhaft anlasslose Tests könnten dazu führen bergen seines Erachtens Risiken. Etwa, dass die dringlicheren Fälle – Vorbelastete, Menschen nach Risikokontakten und medizinisches Personal – länger auf ihre Testergebnisse warten müssen. Ganz einfach deshalb, weil deren Bearbeitung in Konkurrenz zu den anderen, weniger nötigen Tests stehen.
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Eine verbindliche Priorisierung bei der Testung auf das Virus sei unerlässlich. Das betont auch Eugen Brysch vom Vorstand der Stiftung Patientenschutz. „Bei Menschen mit Symptomen und im Gesundheitswesen sind Tests zwingend notwendig“, so Brysch. Er fordert zudem wöchentlich vorsorgliche Tests in allen Heil- und Pflegeberufen.
Wie sieht die optimale Behandlung von Covid-19-Patienten aus?
„Wir verstehen noch nicht richtig, wann wir welchen Schalter umlegen müssen“, sagt Salzberger mit Blick auf die Therapie von Covid-19-Patienten. Antivirale Medikamente brächten erst einen Vorteil, wenn es Patienten schlecht gehe. Das unterscheide sie von beispielsweise Antibiotika, die bereits im Frühstadium bakterieller Lungenentzündungen Wirkung zeigten. Es sei vor diesem Hintergrund wünschenswert, individuelle Parameter zu kennen, um einen womöglich bevorstehenden schwerer Verlauf besser vorhersagen zu können.
Noch ist keine Standardvorgehensweise für die Behandlung von Covid-19-Patienten festgelegt. Derzeit würden Leitlinien dafür je nach Krankheitsschwere entwickelt. Genaueres dazu weiß Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor an der LungenClinic Grosshansdorf und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Wichtig sei zum Beispiel, Kriterien festzulegen, wie lange mit dem Beginn einer Beatmung abgewartet werden kann.
Patienten, die nicht invasiv beatmet werden müssen, hätten eine bessere Prognose. Das hat zuletzt auch eine Studie gezeigt. Demnach lag die Sterblichkeitsrate von in Deutschland behandelten Covid-19-Patienten, die beatmet werden mussten, mit 53 Prozent besonders hoch. Rabe betonte aber, dass die Beatmung naturgemäß nicht die Ursache für diesen Verlauf sein müsse.
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Problematik bei milden Verläufen einer Corona-Erkrankung
SARS-CoV-2 scheine eine doppelte Natur zu haben. Bei einigen Personen verlaufe eine Infektion tragisch tödlich und bei anderen überraschend mild. Das schreiben US-Forscher im Journal „Annals of Internal Medicine“. Asymptomatische Infizierte scheinen demnach ungefähr 40 bis 45 Prozent der Fälle auszumachen. Das Fehlen von Symptomen müsse aber nicht unbedingt bedeuten, dass kein Schaden vorliege. Warum sich die Verläufe so stark unterscheiden, ist bisher nicht klar.
Studien geben Hinweise darauf, dass die Blutgruppe ein Faktor sein könnte. Ebenso wird erforscht, ob frühere Erkältungen, ausgelöst von älteren Coronaviren, die Schwere einer Infektion mit SARS-CoV-2 beeinflussen könnten. Coronaviren verursachen in Deutschland laut Angaben der Berliner Charité bis zu 30 Prozent der saisonalen Erkältungen.
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„Wir brauchen dringend Daten zu Patienten, die nicht an Maschinen beatmet werden müssen oder nicht krank erscheinen“, sagte Rabe. Es gelte, Langzeitverläufe zu betrachten und auch zu beobachten, was außerhalb der Lunge geschehe. Zudem brauche es auch Therapieoptionen für mild erkrankte Menschen.
Wie lange besteht nach einer SARS-CoV-2- Infektion Immunität?
Viele Menschen (darunter auch Wissenschaftler) hoffen, dass man nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 zumindest eine Zeit lang dagegen immun ist. Aber ob es so ist, steht nicht fest. Viele Studien weisen vielmehr darauf hin, dass gerade bei Menschen, die nur wenige oder gar keine Symptome hatten, schon bald nach einer Infektion keine Antikörper im Blut mehr nachweisbar sind.
Zwar ist noch unklar, was das für eine mögliche Immunität bedeutet. Doch die Beobachtungen wecken Zweifel an der Aussagekraft von Antikörper-Tests.
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Sind Corona-Spätfolgen absehbar?
„Genesen“ steht in vielen Corona-Statistiken. Doch sind diese Menschen auch wirklich wieder fit? Aufgrund der Neuartigkeit des Krankheitsbildes ließen sich keine zuverlässigen Aussagen zu Langzeitauswirkungen und Folgeschäden durch Covid-19 treffen. Gleiches betrifft etwaige Auswirkungen von bspw. einer Langzeitbeatmung, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in einem Online-Steckbrief. Allerdings existieren Berichte über Patienten, die eher leichter erkrankt waren, doch noch über Wochen und Monate von Folgen betroffen sind. Etwa Luftnot bei Anstrengung.
Klar ist inzwischen: Covid-19 betrifft nicht nur die Lunge. Das Virus kann sich – ebenso wie zum Beispiel Grippeviren – auch auf andere Organe auswirken.
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Ist die Herkunft des Coronavirus geklärt?
Studien legen einen Ursprung des Virus bei Fledermäusen nahe. Aber wie ist es auf den Menschen übergesprungen? Vermutet werden Zwischenwirte.
Charité-Virologe Christian Drosten lenkte vor einiger Zeit den Verdacht auf Marderhunde, in denen bereits der SARS-Erreger nach dem SARS-Ausbruch 2002/3 gefunden worden sei. Geklärt ist die Frage bis heute nicht. Aus Sicht des Lungenspezialisten Rabe würde die Aufhellung solcher Graubereiche gegen Verschwörungstheorien helfen. Er bemerke in Gesprächen mit Patienten teils eine tiefe Verunsicherung wegen unklarer Sachstände und widersprüchlicher Informationen.
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Mediziner Rabe stört sich an interessengeleiteten Lockerungsdebatten, etwa durch die Kreuzfahrtindustrie oder die Fußball-Lobby. Auch kritisiert er Politiker-Alleingänge, die dem Vertrauen in Politik und Institutionen schadeten. „Das Grundprinzip müsste sein: Keep calm and keep working (z.Dt.: ruhig bleiben und weiterarbeiten)“, betont er.