20. März 2020, 15:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Den Begriff „Herdenimmunität“ oder „Gruppenimmunität“ hat man im Zuge der Corona-Krise in den vergangenen Tagen häufiger gehört. Aber was bedeutet er überhaupt? Und (wie) würde sich Herdenimmunität auf das Virus und seine Verbreitung auswirken? FITBOOK erklärt’s.
Wohl wir alle rechnen täglich mit dem Beschluss einer Ausgangssperre in Deutschland. Bisher dürfen wir aber noch rausgehen, um Dinge zu erledigen, die wir als unbedingt nötig erachten – mit einem Abstand von 1,5 Metern zu anderen Passanten und gern auch mit Mundschutz. Diese Vorsichtsmaßnahmen sollen dazu dienen, eine Ansteckung mit dem grassierenden Coronavirus zu vermeiden bzw. die Kurve zu verlangsamen. Ein anderer Ansatz wäre, es auf eine Ansteckung ankommen zu lassen. Dadurch könnte mit der Zeit eine Herdenimmunität bei Corona erreicht werden.
Immun nach einer Coronaerkrankung?
Was der Begriff „immun“ bedeutet, ist klar: Man ist unempfindlich gegenüber einem gewissen Stoff bzw. einem Erreger. Im Zusammenhang mit dem Coronavirus ist FITBOOK der Frage bereits nachgegangen, ob man dagegen immun ist, wenn man die Krankheit Covid-19 schon einmal durchgemacht hat (lesen Sie hier: Ist man immun, wenn man das Coronavirus bereits hatte?) Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Chefarzt für Hygiene, sagte dazu:
„Generell tritt infolge einer Viruserkrankung eine Immunität beim Patienten auf. Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht also auch nach einer Infektion mit dem Coronavirus eine Immunität.“ Heißt: Die Menschen, die das Coronavirus hinter sich gelassen haben, bekommen es so schnell nicht wieder und können es auch nicht weiterverbreiten.
Herdenimmunität – was es bedeutet
Zusammengefasst: Ist ein so großer Anteil der Bevölkerung gegen einen Erreger immun, kann sich dieser nicht mehr ausreichend verbreiten. In dem Fall spricht man von Herden- oder Gruppenimmunität.
Es hänge vom jeweiligen Erreger und dessen Infektiosität ab, wie groß der Anteil innerhalb der Bevölkerung sein muss, um eine Herdenimmunität zu gewährleisten, erklärt Arzt und Dipl. Molekular-Biologe Enrico Zessin im Gespräch mit FITBOOK. Bei Masern müssten rund 95 Prozent der Bevölkerung immun sein, bei der Influenza 40 bis 50 Prozent. „Bei Corona sind es 50 bis 70 Prozent“, so der Experte.
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Würden sich also so viele junge, gesunde Menschen mit dem Coronavirus infizieren, dass ihre Zahl einem ausreichenden Bevölkerungsanteil entspricht, könnte dadurch ein Immunitätsschutz für Risikopatienten entstehen. Manche Länder haben daher gezielte Ansteckungen diskutiert – ein Modell, das nicht nur die Weltgesundheitsorganisation WHO als zu riskant* einstuft.
Impfungen für breitflächige Immunisierung
Eine weitere Möglichkeit für eine Herdenimmunität ist es, einen ausreichend großen Teil der Bevölkerung gegen einen Erreger zu impfen. Eine Schutzimpfung dient dem Zweck, das Immunsystem gegen spezifische Stoffe zu aktivieren, sodass sie keine Infektion auslösen können.
In den Worten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Lassen sich viele Menschen impfen, können sich die Erreger nur begrenzt ausbreiten. Menschen, die sich nicht impfen lassen können, werden durch die Geimpften in ihrer Umgebung geschützt.“
Eine Grafik auf der BZgA-Website veranschaulicht den Mechanismus.
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Noch kein Impfstoff für Corona
Allerdings gibt es für das Coronavirus noch keinen Impfstoff. Die derzeit einzige Möglichkeit, eine Herdenimmunität gegen Sars-CoV-2 zu erzielen, wäre daher das Zulassen von Infektionen.
Die Idee erscheint naheliegend: Angeblich verläuft die Erkrankung in vier von fünf Fällen (insbesondere bei jungen Patienten) mild, symptomarm oder sogar ganz beschwerdefrei. Nach ein paar Wochen wäre die Corona-Infektion überstanden. Aber: nicht immer.
*Risiken einer gezielten Ansteckung der Jungen, Gesunden
FITBOOK berichtete bereits über einen 41-jährigen Mann aus Italien, einen eigentlich gesunden, sportlichen Mann, der sich bei der Betreuung seines am Coronavirus erkrankten (und inzwischen verstorbenen) Vaters angesteckt hat. Laut seiner verzweifelten Instagram-Botschaft durchlebt er einen wahr gewordenen „Albtraum“ und fordert andere junge wie alte Menschen auf, das Virus nicht zu unterschätzen.
Seine Erfahrung zeigt vor allem eins: dass der Verlauf der Erkrankung nicht zuverlässig vorherzusehen ist. Und, dass auch junge Menschen die Krankheit lieber nicht bekommen sollten. Nicht zuletzt ist noch nicht bekannt, ob eine Covid-19-Infektion Spätfolgen hinterlässt.
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Wie lange bleibt man gegen Corona immun?
Nicht zuletzt sind Experten noch nicht sicher, wie lange man wirklich immun gegen das Coronavirus bleibt. Laut Prof. Dr. Zastrow gebe es zwar Viren, gegen die man sein ganzes Leben lang unempfindlich bleibe. Beim Norovirus hingegen seien es nur etwa sechs bis acht Wochen.