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Corona-Mutation

Warum wissen wir nicht, wie viele Omikron-Infektionen es in Deutschland gibt?

Mit mehr genetischen Untersuchungen der Corona-Proben ließe sich der Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland besser bestimmen
Mit mehr genetischen Untersuchungen der positiven Corona-Proben ließe sich der Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland genauer bestimmen Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

22. Dezember 2021, 15:06 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Deutschland zittert vor der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus. Mit Booster-Impfungen und neuen Kontaktbeschränkungen ab dem 28. Dezember will man die Ausbreitung in den Griff bekommen. Verlässliche Zahlen zum Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland gibt es jedoch nicht. Woran liegt das?

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Seit Wochen ist die Omikron-Variante des Corona-Virus ein Gesprächsthema. Statistiken aus Großbritannien und den USA zeigen, dass diese Mutation hochansteckend ist und sich extrem schnell verbreitet. Aktuellen Zahlen zu Folge entfallen in den USA über 70 Prozent der Infektionen bereits auf die Omikron-Variante und das 20 Tage nach dem ersten registrierten Ansteckungsfall.1 In Großbritannien spricht der Gesundheitsminister Sajid Javid davon, dass 40 Prozent aller Neuinfektionen in London auf diese Mutation entfallen.2 Laut Javid verbreite sich die Omikron-Variante mit einer „phänomenalen Rate“. Dagegen sind die Werte in Deutschland bislang erstaunlich niedrig: Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) lag der Anteil der Omikron-Infektionen bis Mitte Dezember in Deutschland bei unter einem Prozent.3 Was sind die Gründe dafür?

Wie hoch ist der Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland?

Wie das RKI berichtet, wurden in Deutschland bis zum 14.12.2021 lediglich 112 Fälle einer Omikron-Infektion durch die Genomsequenzierung nachgewiesen. Zudem gab es 213 weitere Verdachtsfälle mit einem variantenspezifischen PCR-Befund. Obwohl die Zahlen im Vergleich zu den Gesamtzahlen der Infizierten (über 300.000 pro Woche) sehr gering ausfällt, lässt sich dennoch ein starker Anstieg beobachten. So waren in der 47. Kalenderwoche laut dem RKI nur 0,1 Prozent der gemeldeten Corona-Ansteckungen durch die Omikron-Variante verursacht worden. In der 48. Kalenderwoche betrug der Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland schon 0,6 Prozent. Das ist eine Versechsfachung innerhalb von nur sieben Tagen. Genau deswegen befürchten Experten, dass die große Corona-Welle Deutschland erst bevorsteht.

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Etwas höhere Zahlen liefert GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data), eine globale Initiative zur gemeinsamen Nutzung aller Influenza- und Corona-Daten.5 Darin werden die Daten vieler Labore und Wissenschaftler gesammelt. Hier wurde Omikron in der 47. Kalenderwoche in 0,3 Prozent der Corona-Proben nachgewiesen. In der 48. Kalenderwoche waren es bereits 1,8 Prozent und laut vorläufiger Proben sind es für die 49. Kalenderwoche sogar 11,2 Prozent. Obwohl die Zahlen deutlich höher sind als jene des RKI, fällt auf, dass auch hier jede Woche etwa eine Versechsfachung der Omikron-Infektionen stattfindet.

Omikron in Münchens Abwasser entdeckt

Es mehren sich Hinweise darauf, dass der Anteil der Omikron-Infektionen womöglich deutlich höher ist, als es die ermittelten Zahlen des RKI nahelegen. So hat ein Forschungsteam des Tropeninstituts am Klinikum der Münchner LMU die Omikron-Variante in Münchens Abwasser nachgewiesen.4 „In den Proben konnten wir geringe Mengen an Sequenzen nachweisen, die für die Omikron-Variante als spezifisch gelten. Dies weist darauf hin, dass die Verbreitung dieser Virusvariante in München schon in der Kalenderwoche 49 größer war, als bislang angenommen“, so der Leiter des Forschungsteams Dr. med. Andreas Wieser. Somit sei das Abwasser-Monitoring ein wichtiger Beitrag zur Beschreibung des Infektionsgeschehens, fügt der Wissenschaftler hinzu.

Warum ist der Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland bislang geringer als im Ausland?

Erstaunlich ist die Tatsache, dass im Ausland der Anteil der Omikron-Infektionen wesentlich höher ist als in Deutschland. Ein Grund dafür dürfte die Tatsache sein, dass in Deutschland wesentlich weniger Corona-Proben genetisch untersucht werden. „Welchen Anteil die neue Variante hat, ist nicht bekannt, weil hierzulande nach wie vor zu wenig Virusproben genetisch untersucht werden“, schreibt der Virologe Alexander Kekulé in seiner Kolumne bei „Focus-Online“.6 Laut ihm sei die sogenannte Sequenzierung des Virusgenoms zuletzt bei nur 1,3 Prozent der PCR-positiven Abstriche in Deutschland vorgenommen worden. Dänische Labore sollen beispielsweise rund 20 bis 75 Prozent der positiven Proben auf den Virusstamm hin untersuchen, was zu deutlich höheren nachgewiesenen Omikron-Infektionen führe.

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Ganz so niedrig wie der Virologe Alexander Kekulé es beschreibt, scheint der Prozentanteil der genetisch untersuchten Proben nicht überall in Deutschland zu sein. Denn laut der „Stuttgarter Zeitung“ und Zahlen des Sozialministeriums werden in Baden-Württemberg beispielsweise 15 Prozent der positiven Corona-Proben sequenziert.7 Dennoch sei das viel zu wenig, so das Blatt, denn die Landesregierung hatte eigentlich vor, alle positiven Proben auf den Virenstamm hin zu untersuchen.

So scheint es in Deutschland ein verzerrtes Bild des Omikron-Geschehens zu geben – mit wesentlich geringeren offiziellen Fallzahlen, als es der Realität entspricht. Nur wenn mehr positive Corona-Proben genetisch untersucht werden, können verlässliche Daten zum Anteil der Omikron-Infektionen in Deutschland entstehen.

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Quellen

Themen Coronavirus
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