22. Februar 2019, 15:55 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Wir haben den Test gemacht und schickten zehn gesunde Personen zum Vitamin-D-Test. Das Ergebnis war erschreckend: Neun von Zehn hatten einen Vitamin-D-Mangel oder waren unterversorgt, nur eine Person lag im optimalen Bereich. FITBOOK erklärt, wie gefährlich das ist, wie sie dem Mangel vorbeugen und ob Sie in diesem Zusammenhang auch Vitamin K2 substituieren sollten.
In einem früheren Beitrag haben wir bereits erklärt, warum Vitamin D so wichtig ist. Es stärkt nicht nur die Knochen und beugt somit Osteoporose vor, sondern hat nachweislich einen positiven Einfluss auf das Immunsystem. Im Körper wird es zum Hormon aktiviert und ist dadurch an unzähligen weiteren Prozessen in den Zellen beteiligt. So gibt es Hinweise, dass ein Vitamin-D-Mangel zu Müdigkeit, Lustlosigkeit und sogar depressiven Verstimmungen führen kann.
Nur 1/10 Testpersonen war gut mit Vitamin D versorgt
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind etwa 60 Prozent der Deutschen mit Vitamin D unterversorgt oder haben einen Mangel. Diplom-Ökotrophologe Prof. Dr. Nicolai Worm geht im FITBOOK-Gespräch noch einen Schritt weiter: „Da aber heute die meisten Menschen im Sommer die Sonne nicht entsprechend nutzen, weil sie in Innenräumen arbeiten und Sonnenschutzmittel auftragen, entwickeln bis zu 80 Prozent der Bundesbürger im Winterhalbjahr einen Vitamin-D-Mangel.“ Das ist ein immens hoher Wert –aber stimmt das wirklich? Ist Vitamin-D-Mangel tatsächlich ein so weit verbreitetes Problem in der Gesellschaft? Das wollten wir wissen und schickten Anfang Dezember 2018 zehn Berliner Kollegen aus der Redaktion, fünf Männer und fünf Frauen, zum sogenannten 25(OH)-Vitamin-D-Test. Das Ergebnis machte uns tatsächlich sprachlos:
2 von 10 hatten einen Mangel an Vitamin D ( <12 ng/ml)
7 von 10 waren unterversorgt ( <30 ng/ml)
1 von 10 war optimal mit Vitamin D versorgt ( 30 bis 50 ng/ml)
Anmerkungen zu den Getesteten
- Es gab keine großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wobei die Person mit dem besten Wert (42,5 ng/ml), die als Einzige im Optimalbereich lag, weiblich war. Ein möglicher Grund: Erst zwei Monate zuvor war die Kollegin im Urlaub und hatte entsprechend viel Sonne „getankt“.
- Nur eine der untersuchten Personen, ein Mann, hatte etwa zwei Wochen lang vor dem Test ein Vitamin-D-Präparat eingenommen. Zwar kam er auf den zweithöchsten Wert von 28 ng/ml, lag damit aber immer noch nicht im optimal versorgten Bereich.
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Experten uneinig hinsichtlich Idealwert
Bei den genannten Grenzwerten handelt es sich um die derzeit gängigen Normwerte. Allerdings: Hinsichtlich des Idealwerts sind sich nicht alle Experten einig. Von einigen Vitamin-D-Forschern wird der Bereich 30 bis 50 ng/ml als optimal genannt. Für höhere Werte wird kein gesundheitlicher Vorteil gesehen. „Über 100 ng/ml wird es gefährlich! Das erreicht man aber nur mit einer dauerhaft völlig unverantwortlich hohen Dosierung“, sagt Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm.
Warum haben so viele Deutsche einen Vitamin-D-Mangel?
Besonders im Spätwinter ist das Risiko eines Vitamin-D-Mangels hoch, da die Reserven, die im Fettgewebe des Körpers gespeichert werden, nach und nach schwinden. Diese wurden meist im Sommer aufgebaut, sofern man viel Zeit (im Schnitt eine halbe Stunde täglich mit wenig Bekleidung) in der Sonne verbrachte.
Früher haben diese Reserven im Körper ausgereicht, um durch den Winter zu kommen. Heutzutage hält sich der Großteil der Menschen selbst im Sommer überwiegend in geschlossenen Räumen auf. Und ohne Sonnenlicht auf der Haut, beziehungsweise den darin enthaltenen UVB-Strahlen, kann kein Vitamin D gebildet werden. Unter den Lebensmitteln enthält nur fetter Meeresfisch dieses Vitamin in hohen Mengen, man müsste aber nahezu täglich ein paar Hundert Gramm Lachs, Makrele oder Hering essen, um genügend davon aufzunehmen.
Wer sich ständig vor UV-Strahlen schützt, kann nicht genügend Vitamin D produzieren
Ein weiteres Problem ist die weitverbreitete Angst vor UV-Strahlung und der damit verbundene häufige Einsatz von Sonnencremes. Denn seit Jahren wird die Bevölkerung vor den gefährlichen UV-Strahlen gewarnt und dazu angewiesen, vor jedem Sonnenbad eine Sonnenschutzcreme aufzutragen. Frei nach dem Motto: Je höher der Lichtschutzfaktor, desto besser, weil die Gefahr eines Sonnenbrands geringer ist. Und das schütze schließlich vor Hautkrebs.
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Prinzipiell ist der Schutz vor starker UV-Strahlung richtig. Doch mittlerweile enthalten auch normale Gesichtscremes einen UV-Blocker. Wer sich also ständig vor UV-Strahlen schützt, der hat kaum Möglichkeiten, genügend Vitamin D zu produzieren – selbst im Hochsommer nicht.
Welchen Umgang mit der Sonne der Experte empfiehlt
„Ab Lichtschutzfaktor 15 wird kein Vitamin D mehr aufgebaut. Ich empfehle deshalb folgenden Umgang mit der Sonne: Kurz, knackig, nackig!“, sagt Prof. Worm. Der beste Sonnenschutz sei Schatten – und zehn bis 15 Minuten direkt in der Sonne ohne Sonnenschutzmittel kein Problem.
Warum Sie Vitamin-D-Präparate nicht ohne vorherigen Bluttest nehmen sollten
Wenig ratsam ist es, einfach ein Präparat aus der Apotheke zu holen und quasi ins Blaue hinein jeden Tag eine Tablette zu schlucken. Als Erstes sollte man zum Hausarzt, Apotheker oder direkt in ein Labor und einen Vitamin-D-Test machen. Nur dann wissen Sie, ob und wie viel Vitamin D sie wirklich brauchen. Wenn ein starker Mangel diagnostiziert wird, kann der Arzt hoch dosierte Präparate (bis zu 20.000 IE – steht für Internationale Einheiten) verschreiben, wie sie frei verkäuflich nicht erhältlich sind.
In manchen Fällen wird vom Arzt geraten, mit einer hohen Anfangsdosis zu starten. In dieser sogenannten Ladephase soll der Mangel möglichst schnell beseitig werden. Später reichen kleinere Dosen aus, um den Vitamin-D-Spiegel über den Winter im Optimalbereich zu halten.
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Wovon die benötigte Tagesdosis abhängt
Es ist sehr schwierig, eine Tagesdosis zu empfehlen, da jeder Mensch das Vitamin D unterschiedlich gut verstoffwechselt. Wenn Ihnen der Arzt ein Präparat verschrieben hat, sollten Sie deshalb nach sechs bis acht Wochen erneut einen Bluttest machen lassen. Nur so lässt sich feststellen, ob die gewählte Dosis gut anschlägt und der Wert sich verbessert hat.
Das raten DGE, BfR und Gesellschaft für Endokrinologie
Wer nicht häufig in der Sonne ist, braucht laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zusätzlich zur Ernährung 800 IE Vitamin D, um einen Blutwert von 20 ng/ml zu erreichen. Damit wäre man aber immer noch nicht im Optimalbereich. Deswegen sind laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dauerhaft bis zu 4000 IE pro Tag ungefährlich, sofern der Körper selbst nicht genug Vitamin D produziert. Die US-amerikanische Gesellschaft für Endokrinologie gibt sogar einen täglichen Maximalwert von 10 000 IE pro Tag an.
Muss ich den Test selbst bezahlen?
Um einem Mangel vorzubeugen oder ihn zu beseitigen, muss man seinen Vitamin-D-Wert im Blut im Auge behalten und mindestens zweimal im Jahr überprüfen, am besten im Winter. Wenn der Arzt einen begründeten Verdacht auf einen Mangel feststellt, übernimmt sogar die Krankenkasse die Kosten für den Bluttest in Höhe von etwa 30 Euro. Ansonsten muss es der Patient privat bezahlen.
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Warum das Solarium eine schlechte Idee ist, um Vitamin D aufzubauen
Eigentlich eine naheliegende Idee: Wenn es im Winter keine Sonne gibt oder man keine Zeit hat für ausgedehnte Spaziergänge, könnte man doch ins Solarium, oder? „Ein Solarium könnte helfen, sofern Lampen mit hohem Anteil an UVB-Strahlen eingesetzt würden. Das ist aber meist nicht der Fall, weil sie nicht gut bräunen. Die meisten Solarien verwenden Lampen mit sehr hohem UVA-Anteil und geringem UVB-Anteil, sodass man stärker ins Hautkrebsrisiko gerät, wenn man sich damit so lange bestrahlen ließe, bis genügend Vitamin D aufgebaut wäre“, sagt Prof. Dr. Worm.
Damit ist das Solarium eine denkbar schlechte Idee, um den Vitamin-D-Haushalt aufzufüllen.
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Sollte ich in dem Zusammenhang auch auf Vitamin K2 achten?
Ein relativ neues Thema im Zusammenhang mit Vitamin D ist das Vitamin K2. Denn während Vitamin D für die Kalzium-Aufnahme und -Verwertung zuständig ist, hilft speziell das Vitamin K2 beim Abtransport von überschüssigem Kalzium aus dem Körper. Wenn also nicht genügend Vitamin K2 im Blut zur Verfügung steht, kann sich Kalzium ablagern und die Gefäße „verkalken“. Das kann im schlimmsten Fall zu Nierensteinen, Arteriosklerose und sogar zum Herzinfarkt führen.
Vitamin K (sowohl 1 als auch 2) ist vor allem für die Blutgerinnung zuständig. Insbesondere Menschen, die ein hohes Risiko für Thrombose haben, müssen daher sehr vorsichtig bei der Einnahme sein und vorher unbedingt einen Arzt konsultieren. Was die Dosierung selbst angeht, sind die Angaben vage, denn die meisten Menschen haben keinen Vitamin-K-Mangel.
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Während Vitamin K1 in sehr vielen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt (überwiegend im Gemüse und Obst) ist Vitamin K2 in einigen tierischen Lebensmitteln wie Eiern, Fleisch und Milchprodukten vorhanden. Laut der DGE wird Vitamin K2 überwiegend von Darmbakterien selbst hergestellt, wodurch eine zusätzliche Zufuhr nicht notwendig ist.
Problematisch könnte es nur dann werden, wenn man wirklich hohe Dosen von Vitamin D zu sich nimmt, denn durch die höhere Kalzium-Synthese steigt auch der Vitamin-K2-Bedarf. Doch auch hier gibt es noch keine ausreichenden Erkenntnisse: „Es spricht einiges dafür, dass Vitamin-K2-Substitution sinnvoll ist, aber die Datenlage ist bislang zu schlecht, um eine konkrete Empfehlung für eine sinnvolle Dosisangabe abzugeben“, sagt Ernährungsexperte Worm.