31. Juli 2023, 16:22 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Versicherte haben in regelmäßigen Abständen Anspruch auf verschiedene Vorsorgeuntersuchungen, deren Kosten dann die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen. Mit dem Alter werden es mehr – ab dem 65. Lebensjahr gibt es eine wesentliche Neuerung. Welche das ist und was Sie sonst über das umfangreiche Thema wissen sollten, lesen Sie hier.
Vorsorgeuntersuchungen zielen auf Hinweise auf verschiedene gesundheitliche Probleme und Erkrankungen ab. Das Ziel ist es, möglichst zeitnah geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Denn bei verschiedenen Leiden gilt: Je früher entdeckt und behandelt, desto höher die Heilungschancen. Einige dieser Untersuchungen werden im Rahmen regelmäßig empfohlener Gesundheits-Check-ups von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. FITBOOK geht im Folgenden genauer auf das Thema ein – und erklärt auch, welche Faktoren für die Staffelung der Vorsorgeuntersuchungen noch wesentlicher sind als das Alter von z. B. 65 Jahren.
Übersicht
Warum es immer mehr Vorsorgeuntersuchungen werden
Die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen steigt gemeinhin mit dem Alter. Das liegt einerseits an der immer mehr nachlassenden Regenerationsfähigkeit der Körperzellen. Zum anderen hatten Erkrankungen schlichtweg „mehr Zeit“ zum Fortschreiten. So erklärt sich, warum die Anzahl der von den Versicherern empfohlenen und übernommenen Vorsorgeuntersuchungen mit den Lebensjahren steigt. Dennoch widersprechen sich die Begriffe „Vorsorgeuntersuchung“ und „Alter“ in gewisser Weise. Denn immerhin geht es bei den Check-ups darum, etwaige Veränderungen im möglich frühen Stadium zu erkennen.
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Veranlagung spielt noch größere Rolle als das Alter
Ohnehin sollten Sie die Untersuchungen, die Sie in regelmäßigen Abständen vornehmen lassen, weniger von Ihrem Alter (bzw. der Kostenübernahme durch die Krankenkassen) abhängig machen und viel mehr von Ihrer individuellen Veranlagung. Denn rund 75 Prozent der Erkrankungen sind genetisch bedingt, mahnt Internist Dr. med. Matthias Riedl im Gespräch mit FITBOOK. Eine zweite Hauptrolle spiele die Lebensführung. In Dr. Riedls Worten: „Viele reizen die Möglichkeiten, sich krankzumachen, voll aus.“ Dies wäre etwa der Fall, wenn z. B. eine Person mit einer veranlagten Neigung zu Arterienverkalkung raucht und/oder viel rotes Fleisch, Gepökeltes und Zuckerreiches zu sich nimmt.
Einen Großteil der in regelmäßigen Abständen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen übernehmen die Kassen für ihre Mitglieder bereits ab dem 35. Lebensjahr. Ab diesem Zeitpunkt haben Versicherte alle drei Jahre Anspruch auf einen allgemeinen Gesundheits-Check-up. Im Leistungspaket inbegriffen sind neben einem Arztgespräch, um ein Risikoprofil zu erstellen und ggf. Auffälligkeiten festzuhalten, denen es auf den Grund zu gehen gilt, verschiedene körperliche Untersuchungen und Laboruntersuchungen. In bestimmten Altersstufen, z. B. ab dem 45. und 50. Lebensjahr, kommen weitere Vorsorgeuntersuchungen dazu. Mit 65 gibt es nur eine wesentliche Neuerung.
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Neu mit 65: Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader
Männliche Versicherte haben ab dem Alter von 65 Jahren einmalig Anspruch auf eine Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader (Bauchaorta). Diese dient der Früherkennung von Aneurysmen. „Bei der Untersuchung wird festgestellt, ob die gealterte Aorta zu Aussackungen neigt“, erklärt Internist Riedl. In dem Fall bestehe das Risiko einer Ruptur, also einer Zerreißung, „und eine solche wäre innerhalb von Minuten tödlich“. Die Vorsorgeuntersuchung ist umso sinnvoller. Denn rechtzeitig erkannt (und operiert), lasse sich die Gefahr zuverlässig bannen.
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Ablauf und warum die Untersuchung wichtig ist
Sie können die sonografische Untersuchung bei Ärzten verschiedener Spezialisierungen durchführen lassen, aber auch beim Hausarzt. Dabei wird per Ultraschall der Durchmesser der Bauchschlagader festgestellt. Diese verliert mit dem Alter an Elastizität, kleinere Größenveränderungen sind somit relativ normal. Sie sollten jedoch zumindest beobachtet und ggf. behandelt werden. Wie – das richtet sich nach der Ausprägung der Erweiterung sowie auch danach, ob die Patienten Risikofaktoren mitbringen. Menschen, in deren Familie es den Befund bereits gegebene hat, gelten als besonders gefährdet. Daneben erhöhen zum Beispiel erhöhte Blutfette und Bluthochdruck die Wahrscheinlichkeit eines Bauchschlagaderaneurysmas. Rauchen gilt als der wesentlichste unter den beeinflussbaren Risikofaktoren.
Kassenleistung (bisher) nur für Männer
Bauchaortenaneurysmen treffen statistisch wesentlich häufiger Männer als Frauen.1 Man geht davon aus, dass zwei Prozent der Männer zwischen 65 und 75 erkranken. Deshalb übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen für männliche Versicherte ab 65 einmalig die Kosten für die Untersuchung.
Bei Frauen werden Bauchaortenaneurysmen meist zufällig entdeckt, also im Rahmen anderer Untersuchungen. Dabei ist in ihrem Fall eine Erkrankung, wenn auch seltener, noch gefährlicher als bei Männern. Das ist in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin nachzulesen.2 Frauen, die entsprechende Risikofaktoren mitbringen, da sie z. B. rauchen/ früher geraucht haben oder an Bluthochdruck leiden, sollten demnach unbedingt zum Screening gehen. Laut der Veröffentlichung würden meist auch für weibliche Risikopatienten die Kosten für die Untersuchung übernommen.
Alle Standard-Vorsorgeuntersuchungen in der Kurzfassung
Großes Blutbild
Das große Blutbild erlaubt, der Name lässt es vermuten, einen noch umfänglicheren Überblick der Blutwerte eines Patienten als das kleine Blutbild. Es kann von z. B. einem Nährstoffmangel bis hin zu ernsteren Erkrankungen verschiedene gesundheitliche Probleme aufzeigen. Laut Dr. Riedl handelt es sich jedoch bei den Werten, deren Bestimmung von den gesetzlichen Krankenkassen (ab dem 35. Lebensjahr) übernommen werden, um einen „Schmalspur-Check-up“. Dieser sollte risikoadaptiert erweitert werden. Beispielsweise sollte man bei bestehendem Bluthochdruck zusätzlich die Salzsensitivität des Körpers messen. Denn: „Jeder Dritte ist salzsensitiv“, warnt der Arzt.
Um ein großes Blutbild zu erhalten, müssen Patienten zur Blutabnahme. Die Probe wird im Labor von einem Zählautomaten ausgelesen und die verschiedenen Parameter in Blutwerte übersetzt. Grundsäzlich übernehmen die Versicherer die Kosten (rund 100 Euro) für die Untersuchung alle drei Jahre und bei bestehenden Krankheitssymptomen bzw. veranlagten Gesundheitsrisiken auch öfter.
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Hautkrebs-Screening
Je häufiger und intensiver die Haut im Laufe eines Lebens potenziell schädlichen UV-Einstrahlung ausgesetzt war, desto höher die Wahrscheinlichkeit krankhafter Veränderungen. Diese können tödlich sein – insbesondere, wenn z. B. schwarzer Hautkrebs erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Umso wichtiger ist die regelmäßige Vorsorge.
Das Hautkrebs-Screening ist Sache des Dermatologen, der Sie von Kopf bis Fuß (speziell mit Fokus auf veränderte Muttermale) untersucht. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür alle zwei Jahre. Diese Abstände wären laut Dr. Riedl für hellhäutige Menschen zu groß und hier insbesondere für solche, die viel im Freien Sport treiben oder arbeiten. Besser wäre demnach einmal im Jahr. Selbst wenn Sie die Kosten von zwischen 40 und 60 Euro selbst zahlen müssten – sie wären laut dem Experten gut investiert.
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Urin-Untersuchung
Verschiedene gesundheitliche Probleme sind an Auffälligkeiten im Urin erkennbar. So kann etwa ein zu hoher Gehalt an Eiweiß auf eine Nierenerkrankung hinweisen, Glukose spricht für eine Erkrankung an Diabetes mellitus. Deshalb gehören Urinuntersuchungen zu den regelmäßig vorzunehmenden Gesundheits-Check-ups.
Sie geben (z. B. beim Hausarzt) eine Urinprobe ab, die anschließend im Labor untersucht wird. Die Kosten dafür (zwischen rund 3 und 34 Euro) übernimmt alle zwei Jahre Ihre Krankenkasse. Frauen haben in dem Zusammenhang wahrscheinlich mehr Erfahrung. Denn anatomisch bedingt sind sie empfänglicher für Erreger im Intimbereich, die z. B. Harnwegsinfekte auslösen können. Zum Vorab-Check empfehlen sich Teststreifen zur Selbstanwendung aus der Apotheke.
Krebsvorsorge bei der Frau
Die Krebsvorsorge ist bei Männern und Frauen etwas unterschiedlich.
Gebärmutterhalskrebsvorsorge
Für Frauen gehört dazu seit dem 35. Lebensjahr eine regelmäßige zytologische Untersuchung auf Gebärmutterhalskrebs, und in dem Zusammenhang auch ein Test auf Humane Papillomviren (HPV). Die durch den Gynäkologen genommenen Abstriche vom Muttermund werden im Labor analysiert. Beim Termin selbst sollten auch die Lymphknoten der Patientin sowie das Brustgewebe abgetastet werden. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Untersuchung im Normalfall alle drei Jahre.
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Brustkrebsvorsorge
Daneben zahlen die Krankenkassen für ihre weiblichen Mitglieder ab 50 alle zwei Jahre eine Mammografie, also eine Röntgenuntersuchung der Brust. Es ist eine unbeliebte, da relativ unangenehme Untersuchung – dabei wird die Brust einige Minuten lang zwischen zwei Schallwellen erzeugende Kunststoffplatten eingedrückt. Dafür ermöglicht sie eine sehr genaue Ansicht des Brustgewebes, sodass selbst kleinste Tumoren festgestellt werden können.
Krebsvorsorge beim Mann
Hodenkrebsvorsorge
Hodenkrebs trifft vor allem jüngere Männer, „doch hat dann noch mal einen Gipfel im mittleren Alter“, erklärt Dr. Riedl. Aus diesem Grund übernehmen die Kassen die Vorsorgeuntersuchung auf Hodenkrebs für Versicherten bis zum 27. und dann wieder ab dem 45. Lebensjahr. Experten raten, die Untersuchung in der Zwischenzeit dennoch vornehmen zu lassen (Kosten: ca. 30 bis 40 Euro). Dabei werden die Hoden durch den Urologen abgetastet und meistens auch Blut abgenommen. Im nächsten Schritt würde eine Ultraschalluntersuchung erfolgen.
Prostatakrebsvorsorge
Das Risiko für Prostatakrebs steigt gemeinhin ab dem Alter von 50 Jahren. Ab dem 45. Lebensjahr ist die Prostatakrebsvorsorge deshalb einmal jährlich eine Kassenleistung. Doch auch jüngere Männer erkranken, mahnt der Internist. Und vor allem im jüngeren Alter sind Prostatatumoren demnach besonders aggressiv und die Betroffenen somit sehr gefährdet3.
Bei der Untersuchung tastet der Urologe die Prostata des Patienten mit rektal eingeführten Fingern ab. Zeigen sich hier Auffälligkeiten, würde Blut abgenommen und die Prostata per Ultraschall untersucht werden. Im nächsten Schritt könnte eine Gewebeentnahme und -untersuchung erfolgen.
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Darmkrebsvorsorge
Männer erkranken in der Regel häufiger und früher an Darmkrebs als Frauen. Ihnen steht deshalb bereits ab dem 50. Lebensjahr (Frauen ab 55) die Kostenübernahme für eine Koloskopie, also eine Darmspiegelung, zu, und nach weiteren zehn Jahren erneut.4 Alternativ zahlen die Kassen einmal im Jahr eine Stuhluntersuchung auf okkultes Blut. Diese liefert jedoch weniger zuverlässige Ergebnisse.
Ob 55 oder 50 Jahre – beides ist laut Dr. Riedl sowohl für Männer als auch Frauen, wenn bei ihnen eine genetische Vorbelastung besteht, deutlich zu spät. Vor allem bei Darmkrebs ist eine möglichst frühe Erkennung für die Krankheitsprognose entscheidend. Die Vorstufe von Darmkrebs seien Polypen: Geschwülste im Dickdarm, aus denen Tumoren entstehen können. Doch sie lassen sich laut dem Experten gut entfernen, wodurch Schlimmeres verhindert wäre. Die Kosten für eine Vorsorgeuntersuchung liegen für Selbstzahler bei 30 bis 45 Euro.
Nachgefragt beim Experten Die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen ab 45 Jahren
Nachgefragt beim Arzt Diese Vorsorgeuntersuchungen sind ab dem 35. Lebensjahr wichtig
Arzt klärt auf Die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen ab 50
Quellen
- 1. Gesundheitsvorsorge – Früherkennung von Aneurysmen der Bauchschlagader, KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung)
- 2. Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin: Bauchaortenaneurysma bei Frauen Experten raten Risikopatientinnen zu Ultraschall ab 65 (aufgerufen am 31.07.2023)
- 3. Lin, D., Porter, M., Montgomery, B. (2009). Treatment and survival outcomes in young men diagnosed with prostate cancer: a Population-based Cohort Study, Cancer.
- 4. Prävention – Darmkrebsfrüherkennung, KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung)