4. Dezember 2024, 13:51 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ein möglicher Zusammenhang zwischen viszeralem Fett (= in der Bauchhöhle eingelagertes Fett) und der Entstehung von Alzheimer ist bereits bekannt. Eine neue Untersuchung hat ihn nun detaillierter analysiert und sich dabei auf spezifische Marker konzentriert, um die Verbindung besser zu verstehen. Die Forscher gewannen dabei potenziell wertvolle Erkenntnisse über erste Erkrankungshinweise bereits im mittleren Lebensalter.
Viszerales Fett – oft auch inneres Bauchfett genannt – „ist eine große Drüse, die schädliche Botenstoffe produziert“. So erklärte es FITBOOK der renommierte Internist und Diabetologe Dr. med. Matthias Riedl. Das Wort visceralis im Namen könnte man am treffendsten mit innerlich übersetzen. Viszerales Fett bezeichnet in der Bauchhöhle eingelagertes Fett, das dort wichtige (u. a. Verdauungs-)Organe umgibt. Die von ihm freigesetzten Botenstoffe können Entzündungsreaktionen im Körper auslösen und so die Entstehung verschiedener Erkrankungen begünstigen. Hierzu zählt auch Alzheimer. Eine aktuelle Untersuchung hat diesen Zusammenhang nun näher beleuchtet.
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Übersicht
Neue Studie zu viszeralem Fett als Risikofaktor für Alzheimer
Die Ergebnisse der Untersuchung wurden auf der diesjährigen Jahrestagung der Radiological Society of North America (RSNA) vorgestellt. Parallel dazu wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht.1 An der Stelle ist zu erwähnen, dass bereits frühere Studien den Zusammenhang zwischen einem hohen Body-Mass-Index (BMI) und dem allmählichen Verlust von Hirnsubstanz thematisiert haben. Die aktuelle Untersuchung ging darüber hinaus – so wurde etwa auch die Verteilung des Körperfetts konkreter charakterisiert. Die verantwortlichen Forscher unter der Leitung von Hauptautorin Mahsa Dolatshahi identifizierten eine Verbindung zwischen viszeralem Fett und der Ablagerung von abnormen Proteinen wie Beta-Amyloid und Tau. Diese können demnach bereits 20 Jahre vor dem Auftreten erster Alzheimer-Symptome nachgewiesen werden.
Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit ist somit die Erkenntnis, dass eine Untersuchung auf Alzheimer-Kennzeichen bereits in der Lebensmitte – also in den 40ern und 50ern – entscheidend sein kann. Bekanntlich ist Alzheimer bis heute nicht heilbar. Auch lassen sich bereits bestehende Begleiterscheinungen der Demenz-Art nicht mehr umkehren. Umso bedeutender ist eine frühzeitige Erkennung der Erkrankung, um ihr Fortschreiten im Rahmen einer gezielten Behandlung bestmöglich einzudämmen.
Details zur Untersuchung
Zusammenfassend untersuchte die Studie den Zusammenhang zwischen veränderbaren Lebensstilfaktoren und den Mechanismen der Alzheimer-Krankheit. Im Fokus standen dabei Fettleibigkeit, die Verteilung von Körperfett und verschiedene metabolische Aspekte, die bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle spielen können. Es wurden 80 Frauen und Männer im mittleren Lebensalter (das Durchschnittsalter lag bei 49,4 Jahren) in die Studie einbezogen. Sie alle waren zu Untersuchungsbeginn kognitiv gesund, wiesen also noch keine Hinweise auf Demenzerkrankungen auf. Mehr als die Hälfte der Probanden war adipös – der durchschnittliche BMI lag bei 32,31.
BMI-Klassifikation nach WHO
- Unter 18,5: Untergewicht
- 18,5 bis 24,9: Normalgewicht
- 25 bis 29,9: Präadipositas
- 30 bis 34,9: Adipositas, Grad I
- 35 bis 39,9: Adipositas, Grad II
- über 40: Adipositas, Grad III
Die Forscher unterzogen die Probanden verschiedenen körperlichen Untersuchungen. Per Gehirn-Positronen-Emissions-Tomographie (PET) beobachteten sie die Aktivität in verschiedenen Gehirnregionen und konnten so auch etwaige Ablagerungen von Amyloid und Tau erkennen. Sie maßen weiterhin ihre Blutzuckerwerte und erstellten ein Lipidprofil, um bei den Frauen und Männern den Cholesterinspiegel zu analysieren. Mithilfe von MRT-Scans des Bauches ermittelten sie den Umfang von subkutanem und viszeralem Fettgewebe.
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Erkenntnisse
Die Daten zeigten, dass ein höherer Anteil an in der Bauchhöhle eingelagertem Fett mit einer erhöhten Amyloid-Ansammlung verbunden war – ein Hauptmerkmale der Alzheimer-Krankheit. Von den gesamten Auswirkungen, die ein hoher BMI auf den untersuchten Zusammenhang hatte, waren demnach 77 Prozent auf viszerales Fett zurückzuführen. Andere Arten von Fett erklärten nicht die mit Fettleibigkeit verbundene erhöhte Alzheimer-Pathologie.
Dolatshahi und ihr Team stellten weiterhin eine Beziehung zwischen einer vorliegenden Insulinresistenz sowie einem niedrigen HDL-Wert mit Amyloid-Ablagerungen im Gehirn fest. Umgekehrt wirkte sich bei Probanden mit hohem Anteil an viszeralem Fett ein höherer HDL-Wert senkend auf das Alzheimer-Risiko aus. HDL (High Density Lipoprotein) gilt als das „gute“ Cholesterin. Es soll den Körper vor den schädlichen Auswirkungen von überschüssigem Cholesterin (= einem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) schützen.
Frühere Untersuchungserkenntnisse untermauert
Es ist nicht die erste Studie unter Beteiligung von Mahsa Dolatshahi, die eine Verbindung zwischen viszeralem Fett und den für Alzheimer typischen Gehirnveränderungen betrachtete . 2023 stellte die Forscherin mit ihrem Team in einer Untersuchung mit damals 54 Probanden einer vergleichbaren Altersgruppe fest, dass viszerales Fett bereits 15 Jahre vor dem Auftreten von Symptomen mit Alzheimer-Änderungen im Gehirn verbunden ist.2 Die neue Untersuchung stützt die Ergebnisse von damals.

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Bedeutung der Forschung
„Eine wichtige Schlussfolgerung aus unserer Arbeit ist, dass die Behandlung des Alzheimer-Risikos bei Adipositas auch die damit verbundenen Stoffwechsel- und Lipidprobleme einbeziehen muss, die häufig mit einem höheren Körperfettanteil einhergehen“, sagte Cyrus A. Raji, ebenfalls Autor der Studie.
Die Forscher ermahnen auf Basis der Erkenntnis, dass viszerales Fett das Gehirn negativ beeinflusst, zur Förderung gezielter Maßnahmen zur Gewichtsreduktion bei Betroffen. Es gelte, bei Personen, die bereits Anzeichen einer späteren Alzheimer-Erkrankung aufwiesen, durch Änderungen des Lebensstils – und gegebenenfalls den Einsatz geeigneter Medikamente – die Durchblutung des Gehirns zu fördern. Ziel davon sei es, das Erkrankungsrisiko sowie die zu erwartenden Auswirkungen des Krankheit bestmöglich zu verringern.
„Diese Arbeit wird erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben“, betont Raji. Denn fast drei von vier Amerikanern seien übergewichtig oder fettleibig. In Deutschland ist laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) mehr als die Hälfte der Bevölkerung (53,5 Prozent) von Übergewicht betroffen.3 Bei etwa 19 Prozent der Erwachsenen liegt demnach bereits Adipositas vor.