30. Oktober 2024, 19:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Während der Corona-Pandemie galt der Verlust des Geruchssinns als eines der wichtigsten Krankheitssymptome. Doch auch unabhängig davon hat der Verlust des Geruchssinns starke Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebenserwartung, wie zwei aktuelle Studien belegen.
Der Geruchssinn zählt zu unserem Wahrnehmungssystem und hat wichtige Funktionen. Zum einen können wir riechen, ob ein Lebensmittel verdorben ist oder nicht. Zum anderen regt ein angenehmer Essensduft unsere Verdauung an und sorgt für einen Dopamin-Ausstoß (bekannt auch als Glückshormon) im Gehirn. Statistisch gesehen wird bei nur einem unter 8000 Neugeborenen fehlender Geruchssinns diagnostiziert.1 Allerdings steigt mit hohem Alter das Risiko für eine Riechstörung. Etwa jeder zweite 80-Jährige erleidet diese Störung – insgesamt sind rund fünf Prozent der Deutschen davon betroffen.2 Welche gravierenden Auswirkungen der Verlust des Geruchssinns auf die Gesundheit und Lebenserwartung hat, zeigen jetzt zwei Studien.
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Übersicht
Forscher finden Zusammenhang zwischen Verlust des Geruchssinns und Krankheiten
Im Fachjargon bezeichnet man den Verlust des Riechvermögens als Anosmie.3 Einige Betroffene können zwar noch salzige, süße, saure und bittere Lebensmittel schmecken, jedoch keine spezifischen Aromen wahrnehmen. Daher beklagen Betroffene nicht nur den Verlust des Geruchssinns, sondern auch den des Geschmackssinns und die damit verbundene Freude am Essen und Trinken.
Allerdings sind die Folgen des Verlusts noch gravierender, wie jetzt eine Studie herausfand. Britische Forscher der „Charlie Dunlop School of Biological Sciences“ und des „Oxford Research Centre in the Humanities“ haben einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Verlust des Riechvermögens und Entzündungen bei 139 neurologische, somatische und angeborene/erbliche Erkrankungen Krankheiten beobachtet.
Darunter u. a.:4
- Alzheimer
- Autismus
- Epilepsy
- Depression
- Chorea Huntington
- Migräne
- Narkolepsie
- Parkinson
- Angststörung
- Schlafstörung
- Restless-Legs-Syndrom
- Schizophrenie
- Schlaganfall
- Tinnitus
- Tourette-Syndrom
- Asthma
- Arthritis
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Morbus Crohn
- Diabetes
Diese Studie kann womöglich mehr Klarheit darüber schaffen, welchen tieferen wichtigen Einfluss der Geruchssinn auf unsere körperliche und geistige Gesundheit hat.
Geruchssinn und Gedächtnis stehen in Verbindung zueinander
Für diese Metastudie haben die Forscher bisherige Forschungsarbeiten zum Thema Geruchsverlust analysiert und ausgewertet. „Die Daten sind besonders interessant, weil wir zuvor herausgefunden hatten, dass Geruchsverstärkung das Gedächtnis älterer Erwachsener um 226 Prozent verbessern kann“, wird Studienleiter Michael Leon vom Fachportal „MedicalExpress“ zitiert. Laut dem Forscher weiß man jetzt, dass angenehme Düfte Entzündungen verringern können, was möglicherweise auf einen Mechanismus hinweist, durch den positive Düfte die Gesundheit des Gehirns verbessern können.
Andererseits weisen die Forscher darauf hin, dass der Verlust des Geruchssinns ein früher Indikator für Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer gilt. Somit könnte ihre Studie dabei helfen, das Testen des Geruchssinns in Zukunft als eine Methode zu etablieren, die zur Vorbeugung von Krankheiten hilft. Doch auch der Zusammenhang von Geruchssinn und Gedächtnis ist von hoher Bedeutung. Die Forscher gehen davon aus, dass sich mit Aroma-Therapien die Gedächtnisleistung steigern lässt. Deswegen wollen sie weiter in diese Richtung forschen. „Es wird spannend, zu sehen, ob wir die Symptome anderer Erkrankungen ebenfalls durch Geruchsverstärkung abmildern können“, sagt Prof. Leon.
Verlust des Geruchssinns hat noch weiteren Einfluss auf die Gesundheit
In einer anderen nahezu zeitgleich vorgestellten Studie haben israelische Forscher herausgefunden, dass Menschen ohne Geruchssinn anders atmen als Personen mit gesundem Geruchsempfinden.5 Und das hat womöglich gravierende Folgen auf die Lebenserwartung.
Für diese Studie wurden 21 Personen mit angeborener Anosmie sowie 31 Personen mit einem normalen Riechvermögen rekrutiert. Die Studienteilnehmer mussten ein speziell entwickeltes Gerät tragen, das ihren nasalen Luftstrom über 24 Stunden hinweg präzise maß. Währenddessen konnten sie ihren Alltag absolvieren. Dabei wurde mit dem Atemgerät ihr Atemmuster aufgezeichnet. Die Auswertung der Daten ergab, dass beide Teilnehmergruppen etwa gleich viele Atemzüge pro Minute machten. Dennoch gab es deutliche Unterschiede:
- Personen mit normalem Geruchssinn nahmen während der Wachphasen etwa 24 Atemzüge mehr mit „Riechspitzen“ pro Minute,
- Probanden ohne Geruchssinn machten öfter Atempausen während der Einatmung im wachen Zustand
- sie zeigten außerdem ein variableres Atemvolumen während des Schlafs
- und sie hatten einen geringeren Spitzenluftstrom während der Ausatmung im Wachzustand
Gesunde Probanden machen „Erkundungs-Schnüffeln“
Vor allem zeigten die Probanden mit gesundem Geruchssinn im wachen Zustand viel öfter kleine „Riechspitzen“ in ihren Atemmustern. Die Forscher bezeichnen diese Spitzen als „Erkundungs-Schnüffeln“. Interessanterweise verschwand dieses Phänomen, als die Probanden mit normalem Geruchssinn in einen geruchlosen Raum waren. Somit hängen die zusätzlichen Atemzüge höchstwahrscheinlich mit dem Erkunden der Umgebung nach Gerüchen zusammen.
Und selbst im Schlaf zeigten sich unterschiedliche Schlafmuster zwischen den beiden Probandengruppen. Personen ohne Geruchssinn hatten zum Beispiel mehr Schwankungen im Atemvolumen während des Schlafs. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass ein Leben ohne Geruchssinn auch einen Einfluss auf das Atemsystem hat. Die gemessenen Unterschiede waren so deutlich, dass die Forscher anhand der Atemmuster mit einer Genauigkeit von 83 Prozent feststellen konnten, wer an Anosmie litt und wer nicht.
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Verstehen, wie genau Geruchssinn und Lebenserwartung zusammenhängen
Diese könnten dabei helfen zu verstehen, warum der Verlust des Geruchssinns so tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebenserwartung hat. Denn – darauf verweisen die Wissenschaftler der aktuellen Forschungsarbeit – zeigten bereits frühere Studien dass ältere Erwachsene, die ihren Geruchssinn verlieren, ein mehr als dreimal so hohes Risiko haben, innerhalb von fünf Jahren zu sterben als Menschen mit normalem Geruchssinn.6 Ein Teil ist damit zu erklären, dass die Menschen nicht mehr in der Lage sind Gefahren wie gefährlichen Rauch oder verdorbene Lebensmittel zu erkennen. Doch auch das Atemmuster könnte eine Rolle bei der geringeren Lebenserwartung spielen. Hierzu muss aber noch weiter geforscht werden.