11. Juni 2020, 16:03 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ob ein Patient schwer oder milde an Covid-19 erkrankt, lässt sich möglicherweise über Abwehrzellen im Blut prognostizieren. Das legt eine deutsch-chinesische Studie nahe. FITBOOK erklärt, was die Forscher herausgefunden haben.
Von milde bis schwer – Covid-19-Erkrankungen verlaufen ganz unterschiedlich. Warum sich das Krankheitsbild so drastisch von Mensch zu Mensch unterscheidet, darüber rätseln Mediziner noch immer. Klar ist: Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung ist der Faktor Zeit. Aber kann man frühzeitig erkennen, wie schwer jemand erkranken wird, wenn er sich mit dem Coronavirus infiziert hat? Dieser Frage ist ein deutsch-chinesisches-Forscherteam nachgegangen.
Weniger T-Zellen im Blut schwerkranker Covid-19-Patienten
„Wir möchten den Krankheitsverlauf besser verstehen, um schwere Infektionsverläufe rechtzeitig zu erkennen und neue Ansätze für Therapien zu entwickeln“, erläutert Prof. Dr. Ulf Dittmer, Direktor der Essener Virologie und China-Beauftragter der Fakultät in einer Presseerklärung. Dittmer und seine chinesischen Kollegen fanden heraus, dass die Abwehrzellen des menschlichen Immunsystems ein wichtiger Indikator für den Krankheitsverlauf sind.
Demnach wiesen Patienten mit einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung deutlich weniger T-Zellen im Blut auf. Und das sogar, obwohl die Erkrankten noch keine heftigen Beschwerden hatten und sich dennoch vorsorglich in Behandlung begaben.
Ein möglicher Therapieansatz könnte demnach sein, die körpereigenen T-Zellen bei Covid-19-Patienten zu stimulieren, womöglich durch geeignete Impfstoffe. Auch Vitamin A und C sind bekannt, die Funktion der Abwehrzellen zu erhöhen.
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Wettlauf um die Kontrolle im Körper
Um eine Virusinfektion erfolgreich zu bekämpfen, braucht das Immunsystem zwei Waffen: Antikörper und T-Zellen, etwas martialisch auch „T-Killerzellen“ genannt. Der Name ist Programm: Die rund 400 Milliarden T-Zellen im Blut töten infizierte Zellen ab. Virus und Immunabwehr – es ist ein Wettlauf um die Kontrolle im Körper. Gelingt es dem Immunsystem rechtzeitig, genügend T-Zellen zu bilden, verläuft die Erkrankung in der Regel milde.
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Risikogruppen weißen meist weniger Abwehrzellen auf
Menschen mit Vorerkrankungen, Krebspatienten, aber auch ältere Menschen haben meist weniger Killer-T-Zellen im Blut. Sie haben ein erhöhtes Risiko, infolge einer Infektion durch das Coronavirus Sars-CoV-2 schwere Krankheitssymptome zu entwickeln, zum Beispiel eine Lungenentzündung oder Blut-Gerinnungsstörungen.
Ein weiterer Faktor ist das Übergewicht. Bekannt ist, dass Menschen, die unter Fettleibigkeit leiden, weniger T-Zellen im Blut aufweisen. Das bestätigte sich auch in der Studie. 70 Prozent der Patienten mit einem schweren Verlauf waren übergewichtige Männer.
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Neutrophile können Abwehrzellen hemmen
Für die Immunabwehr ist noch ein weiterer Zelltyp wichtig: die neutrophilen Granulozyten, genannt Neutrophile. Eigentlich wehren sie eindringende Bakterien im Körper ab. Sie können jedoch auch den T-Zellen in die Quere kommen und deren Funktion unterdrücken. In den untersuchten Blutproben fanden die Wissenschaftler bei schwer Covid-19-Erkrankten viele Neutrophile, jedoch wenig Abwehrzellen.
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Studie bereits im April veröffentlicht
Die Studie, die derzeit medial viel Aufmerksamkeit erhält, ist nicht ganz neu. Das chinesisch-deutsche Forscherteam veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Untersuchung bereits im April 2020 im renommierten Fachmagazin „The Lancet“. Die Wissenschaftler untersuchten die zeitlichen Krankheitsverläufe von 40 männlichen und weiblichen Covid-19-Patienten. Sie verglichen die Blutwerte mit Daten mehrerer hundert Patienten des Union Hospital der chinesischen Stadt Wuhan.