25. November 2022, 10:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Hepatitis B gehört zu den hochansteckenden chronischen Krankheiten. Sie kann ernsthafte Leberschäden verursachen. Umso bemerkenswerter ist, dass sich die Zahl der registrierten Hepatitis-B-Fälle im Jahr 2022 nahezu verdoppelte. Doch das hat einen plausiblen Grund.
Hepatitis-Viren sind leicht übertragbar, insbesondere das Hepatitis-B-Virus. Es wird über Blut sowie andere Körperflüssigkeiten wie Speichel von Mensch zu Mensch übertragen. Deswegen gelten Sexualverkehr und Drogenkonsum als Hauptübertragungswege.1 Unbehandelt entwickeln etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten eine chronische Leberentzündung. Dies kann zu einer Leberzirrhose führen, was eine lebenslange Therapie erfordert. Nun hat das Robert-Koch-Institut (RKI) Zahlen zu den registrierten Hepatitis-B-Fällen veröffentlicht, die aufhorchen lassen.2 Was steckt dahinter?
Übersicht
RKI-Zahlen zeigen eine Verdopplung der Hepatitis-B-Fälle
Aus aktuellen Daten des RKI geht hervor, dass die Zahl der registrierten Hepatitis-B-Fälle im Zeitraum Oktober 2021 bis Oktober 2022 von 6.681 auf 12.702 sprunghaft angestiegen ist. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Hepatitis C. Auch in diesem Fall ist die Anzahl der Infizierten im selben Zeitraum deutlich gestiegen: von 3940 auf 6280. Interessanterweise ist bei Hepatitis A der Anstieg nicht so deutlich zu beobachten wie bei den anderen Hepatitis-Viren.
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Kostenloser Test beim Arzt für Hepatitis B und C
Der sprunghafte Anstieg der registrierten Zahlen hat einen plausiblen Grund: Seit dem 1. Oktober 2021 haben gesetzlich Krankenversicherte ab dem 35. Lebensjahr Anspruch, sich einmalig kostenlos auf die Viruserkrankung Hepatitis B und C testen zu lassen.3 Dies ist nun Bestandteil der Gesundheitsuntersuchung, auch als Check-up bekannt.
„Ich gehe davon aus, dass es aufgrund des kostenlosen Screenings zu der Verdopplung der Zahlen kam. Denn bei Hepatitis A ist ein solcher Anstieg nicht zu beobachten“, erklärt FITBOOK gegenüber die Diplom-Biologin Beate Knoblach-Gerards, verantwortlich für den Fachbereich Impfstoffe, Tropen- und Reisemedizin bei GlaxoSmithKline (GSK). Zudem gebe es keine weiteren Indikatoren wie eine Änderung der Referenzkriterien, eine Migrationswelle oder mehr Gesundheitsuntersuchungen als in den Jahren zuvor. Seitens des RKI gab es bislang keine Stellungnahmen zu dem ungewöhnlichen Anstieg.
Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor Hepatitis D
Dunkelziffer könnte bei 300.000 Infizierten liegen
Offensichtlich haben viele Patienten die einmalig kostenlose Leistung in Anspruch genommen. Der Anstieg der registrierten Hepatitis-B-Fälle lässt aber auch auf eine hohe Dunkelziffer in der Bevölkerung schließen. „Wir rechnen mit einer Dunkelziffer von bis zu 300.000 chronisch kranken Hepatitis-B-Patienten in Deutschland“, erläutert die Expertin Knoblach-Gerards. „Bei den 6000 neuen Fällen, die in diesem Jahr durch die Screenings ermittelt wurden, handelt es sich nur um einen kleinen Teil der Dunkelziffer.“
Dies ist ein Problem nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für andere Menschen, weil in vielen Fällen eine Hepatitis-Infektion symptomfrei verläuft. Dadurch können andere Personen unbewusst mit den Viren angesteckt werden. Treten jedoch Symptome auf, sind es oft folgende:4
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit und Erbrechen
- gelblich verfärbte Haut und Augen
- allgemeines Unwohlsein
- Gelenkschmerzen
- Fieber
Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei das Ziel der kostenlosen Hepatitis-B- und C-Tests, unentdeckte, weil symptomlos oder schleichend verlaufende Infektionen, zu erkennen und frühzeitig zu behandeln. Nur so sei es möglich, die gravierenden Spätfolgen wie eine chronische Leberentzündung zu verhindern. „Wenn die Krankheit akut war und vorüberging, dann ist es weniger problematisch“, sagt die Expertin. Schwieriger sei es bei einem chronischen Verlauf, der schleichend in einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren stattfindet. Dieser führt bis zur Leberzirrhose. Wenn nicht frühzeitig mit einer Therapie begonnen wird, dann kann der Verlauf auch tödlich enden.
Im Gegensatz zu Hepatitis C lässt sich Hepatitis B nicht vollständig aus dem Körper entfernen – ähnlich wie HIV. Wer jedoch früh mit einer Therapie beginnt, kann die Viruslast so weit senken, dass eine Ansteckung anderer Menschen nahezu ausgeschlossen wird. Und auch die sonstige Lebensqualität ist bei behandelten Patienten kaum eingeschränkt.
Impfungen schützen vor Hepatitis-Erkrankungen
Um sich und andere vor Hepatitis zu schützen, ist eine Impfung dagegen sinnvoll. Bislang kann man sich jedoch nur gegen Hepatitis A und B impfen lassen. Es besteht die Möglichkeit einer Kombinationsimpfung gegen beide Virusarten. Bei Kindern und Jugendlichen bis 18 werden die Kosten dafür von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Erwachsenen werden diese Kosten nur dann erstattet, wenn sie zu einer Risikogruppe gehören. Genaue Auskunft dazu kann die eigene Krankenkasse geben. Eine Übersicht von Krankenkassen und welche Impfkosten sie übernehmen, finden Sie hier.
Laut der Ständigen Impfkommission (STIKO) gehören zu den gefährdeten Personen folgende Gruppen:
- Patienten mit Lebererkrankungen oder HIV
- Menschen mit einem Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung
- Personen mit häufiger Übertragung von Blutbestandteilen
- Patienten in psychiatrischen Einrichtungen sowie Krankenhauspersonal
- Reisende in Gefahrenregionen
Screening schützt auch andere vor der Infektion
Auch wenn es eher selten der Fall ist, kann im Laufe der Jahre der Impfschutz vor allem gegen Hepatitis B abnehmen. Insbesondere ältere Menschen sprechen nicht immer auf eine Hepatitis-B-Impfung an. Deswegen wird nach einer Impfung stets geprüft, ob genug Antikörper gebildet wurden. Allein deswegen ist es sinnvoll, das einmalige kostenlose Screening ab 35 beim Hausarzt in Anspruch zu nehmen. Unbedingt empfehlenswert ist es für Menschen, die keine Hepatitis-B-Impfung haben und zu einer der oben genannten Risikogruppen gehören.
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Leberentzündung Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor Hepatitis D
Quellen
- 1. Deutsche Aidshilfe: Hepatitis B (aufgerufen am 24.11.2022)
- 2. Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 22/2021 (aufgerufen am 24.11.2022)
- 3. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Screening auf Hepatitis B und C als Teil der Gesundheitsuntersuchung in den EBM aufgenommen (aufgerufen am 24.11.2022)
- 4. MSD Manual: Übersicht über akute Virushepatitis (aufgerufen am 24.11.2022)