20. November 2023, 11:04 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Mit Rückenschmerzen zum Arzt und ohne Diagnose nach Hause, für 80 bis 90 Prozent der von Rückenschmerzen betroffenen Patienten ist das die Realität. Rückenschmerzen ohne identifizierbare Ursache und Diagnose stellen für viele Betroffene eine Quelle der Verunsicherung dar. Daher lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Wie können unspezifische Rückenschmerzen entstehen, geheilt und verhindert werden?
Rückenschmerzen sind mit die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und Inanspruchnahme des Gesundheitssystems.1 Das Leiden ist oft erheblich, doch eine differenzierte Diagnose nicht immer möglich. 80 bis 90 Prozent der Betroffenen erhalten trotz starker Rückenschmerzen keine Diagnose. In solchen Fällen werden Rückenschmerzen als „nicht- spezifisch“ klassifiziert, was bedeutet, dass mithilfe herkömmlicher klinischer Methoden keine präzise Ursache gefunden werden kann, die die vorliegenden Schmerzen ausreichend erklärt. Unspezifische Rückenschmerzen sind jedoch nicht gleich unspezifische Rückenschmerzen, denn das Leid der Betroffenen unterscheidet sich hinsichtlich der Ursache, Dauer, dem Verlauf und des Schweregrads.
Übersicht
Unterscheidung chronischer vs. episodischer Schmerzen
Als chronisch gelten Rückenschmerzen, wenn sie länger als drei Monate anhalten.
Akut sind Rückenschmerzen, wenn sie erstmals oder nach sechs Monaten Schmerzfreiheit auftreten und maximal sechs Wochen anhalten.
Als subakut gelten Rückenschmerzen, wenn sie länger als sechs Wochen anhalten, aber noch nicht die Kriterien für eine Chronifizierung erfüllen.
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Was können Ursachen für unspezifischen-Rückenschmerzen sein?
Gründe für das Auftreten von unspezifischen Rückenschmerzen sind oft divers und lassen sich auf eine komplexe Mischung aus psychologischen, sozialen und biophysikalischen Faktoren zurückführen.
Eine Studie in Form einer Metaanalyse analysierte die Ergebnisse von 54 Längsschnittstudien und kam zu dem Ergebnis, dass arbeitsbezogene psychosoziale Faktoren wie Konflikte am Arbeitsplatz, unbefriedigende Arbeit oder starker Stress das Auftreten von Rückenschmerzen hervorrufen können. Rückenschmerzen werden also nicht nur von ergonomischen Fehlern beeinflusst, wie einseitige Haltung, sondern treten auch durch psychosoziale Einflüsse wie geringe berufliche Anerkennung auf. Neben psychischen Stress als Risikofaktoren können auch Langzeitsitzen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und falsche Ernährung Ursache und/oder Aufrechterhaltungsfaktoren sein.2
Was tun bei unspezifischen Rückenschmerzen?
Da es bei unspezifischen Rückenschmerzen oft an einer präzisen Diagnose und entsprechenden Handlungsempfehlungen mangelt, sind Betroffene häufig überfordert und stehen vor der entscheidenden Frage: was nun?
Ein Großteil der Betroffenen neigt dazu, sich weniger zu bewegen und körperliche Aktivitäten zu vermeiden.3 Tatsächlich ist jedoch Gegenteiliges empfohlen. Leichte körperliche Aktivitäten wie Spaziergänge können dazu beitragen, die Rückenmuskulatur zu stärken und die Genesung fördern.4 Auch die Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten.5
Auf ärztliche Anweisung können auch rezeptfreie Schmerzmittel wie Ibuprofen eingenommen werden, um akute Schmerzen zu lindern und eine Bewegungsreduktion zu verhindern. Auch der Besuch eines Physiotherapeuten kann sinnvoll sein, um individuelle Übungen und Techniken zur Schmerzlinderung und Stärkung der Muskulatur zu erhalten.
Darüber hinaus sollte der Arbeitsplatz möglichst ergonomisch gestaltet sein, denn ein ergonomischer Stuhl und die richtige Bildschirmhöhe können den Rücken entlasten.
Auch die Anwendung von Wärme- oder Kältepacks kann zur Schmerzlinderung beitragen. Wärme lockert die Muskulatur, während Kälte Entzündungen reduzieren kann.
Da häufig Stress, durch psychische Belastungen, psychosoziale Konflikte oder auch berufliche Beanspruchung unspezifischer Rückenschmerzen fördert, ist es empfehlenswert, auch psychosomatische Komponente bei der Behandlung von Rückenschmerzen zu berücksichtigen.
Experte Dr. Hartmut Bork empfiehlt in seinem Buch „Nicht spezifischer Rückenschmerz“ daher bei chronischen Rückenschmerzen eine Kombination von sport- bzw. bewegungstherapeutischen Maßnahmen und Verhaltenstherapie. Verhaltenstherapie hilft dabei, Stressoren zu identifizieren und Strategien zur Reduzierung psychischer Belastungen zu entwickeln. Dies leistet wiederum einen nachweisbaren Beitrag zur Förderung der Genesung bei Rückenschmerzen.
Darüber hinaus können Entspannungsübungen wie Yoga, Tai-Chi, Meditation und progressive Muskelentspannung dazu beitragen, Verspannungen zu lösen.
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Rückenschmerzen verhindern
Die Prävalenz von chronischen Rückenschmerzen kann je nach Studie variieren. Es kann jedoch angenommen werden, dass etwa 20 bis 30 Prozent der akuten Rückenschmerzen sich chronifizieren. Daher ist es ratsam, das Auftreten von Rückenschmerzen prophylaktisch zu verhindern.
In einer Studie aus dem Jahr 2017 kamen Forscher zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten und anderen Freizeitaktivitäten das Risiko für häufig auftretende oder chronische untere Rückenschmerzen reduziere. Regelmäßige körperliche Bewegung stelle eine effektive Prophylaxe gegen Rückenschmerzen dar, da sie zur Stärkung der Rückenmuskulatur, zur Erhöhung der Flexibilität der Wirbelsäule, und zur Verbesserung der Durchblutung beitrage. Auch psychosozialen Risikofaktoren wie Stress könne durch Bewegung und die durch Sport erhöhte Ausschütten von Endorphinen entgegengewirkt werden. Für die Ergebnisse der besagten Studie wurden 36 prospektive Kohortenstudien mit insgesamt 158.475 Teilnehmern in die Metaanalysen einbezogen.6