7. Mai 2024, 13:15 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, von der man bis heute nicht genau weiß, welche Faktoren ihre Entstehung begünstigen. Betroffene sind gemeinhin ein Leben lang auf eine Behandlung angewiesen. Doch nun gibt ein bemerkenswerter Untersuchungserfolg der Hoffnung Nahrung, dass man eine Erkrankung an Diabetes Typ 1 in der Zukunft umkehren könnte – mit einem experimentellen Antikörpermedikament.
Diabetes mellitus, die sogenannte Zuckerkrankheit, gibt es in verschiedenen Typen. Von Typ 2 ist bekannt, dass vor allem starkes Übergewicht und der allgemeine „Lifestyle“ die Stoffwechselstörung auslösen können. So erklärt es der Diabetologe Dr. med. Matthias Riedl in einem ausführlichen FITBOOK-Beitrag über die unterschiedlichen Diabetes-Formen. Typ-1-Diabetes dagegen ist eine Autoimmunkrankheit, von der man annimmt, dass neben einer genetischen Veranlagung womöglich eine Virusinfektion in jungen Jahren den späteren Ausbruch begünstigt. Während man Typ 2 durch eine veränderte Lebensführung positiv beeinflussen und mitunter heilen kann, ließen sich von Typ-1-Diabetes bisher nur sehr vereinzelte Fälle in aufwändigen medizinischen Verfahren umkehren. Entsprechend bemerkenswert sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie.1
Übersicht
Forscher konnten Diabetes-Typ-1 in Versuch umkehren
Wissenschaftlern der renommierten Johns Hopkins School of Medicine ist es in einem Versuch gelungen, Erkrankungen an Typ-1-Diabetes rückgängig zu machen – jedoch aktuell zunächst nur bei Mäusen. Die hier erprobte Behandlungsmethode soll bei den Versuchstieren teilweise verhindert haben, dass die Stoffwechselstörung auftritt. Mehr noch lieferte das Experiment Hinweise darauf, dass das angewendete Medikament einen Diabetes-Befund sogar rückgängig machen könnte.
In einer aktuellen Pressemitteilung der Forschungseinrichtung bezeichnen die verantwortlichen Wissenschaftler ihre verwendete Arznei als einzigartig.2 Zum Verständnis: Im Zuge der Stoffwechselstörung wendet sich das Immunsystem gegen die eigenen Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Dies führt dazu, dass bei Betroffenen die Regulation des Blutzuckerspiegels nicht funktioniert. Das nun verwendete experimentelle Antikörpermedikament namens mAb43 ziele demnach direkt auf die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse ab und schütze sie vor den krankheitstypischen Angriffen durch das Immunsystem.
Details zur Untersuchung
Bei ihrer Untersuchung arbeiteten die Forscher mit 201 NOD-Mäusen. Diese Tiere werden aufgrund einer besonders hohen Inzidenz an spontan auftretendem Diabetes mellitus viel in der Forschung eingesetzt. Einige davon hatten sie aus einem spezialisierten Labor bezogen und einen weiteren Teil an Versuchstieren selbst herangezüchtet, wie es in der Studiendokumentation heißt.
Nun verabreichten die Forscher den entsprechend veranlagten Mäusen über einen Zeitraum von zehn Wochen einmal wöchentlich eine Dosis mAb43 (ein speziell für die Anwendung bei Mäusen entwickeltes Medikament).
Bei der Überprüfung der Therapie nach rund 35 Wochen stellten sie fest: Keine der Mäuse war zuckerkrank. Noch bemerkenswerter: Unter den Tieren sei eine gewesen, die vor Aufnahme der Untersuchung Anzeichen von Typ-1-Diabetes aufgewiesen hatte und dann kurzzeitig erkrankt war. Doch der Befund ließ sich umkehren – durch die Vergabe der Antikörper, wie die Forscher erklären.
Diejenigen der Versuchstiere, welchen die Forscher schon früh mAb43-Dosen vergaben, überlebten den gesamten 75-wöchigen Überwachungszeitraum. Die Kontrollgruppen dagegen, in denen Mäuse das Medikament gar nicht erhielten oder bei denen die Medikamenteneinnahme erst am fünften Tag der 35 Wochen begann, starben im Schnitt nach 18 bis spätestens 40 Wochen.
Vermehrung von Betazellen und weniger Entzündungsreaktionen
In weiterführenden Tests wollen die Forscher Belege darauf gefunden haben, dass sich im Zuge der Antikörperbehandlung die schädlichen Immunzellen von den Betazellen dauerhaft zurückzogen. Jene Betazellen konnten sich dadurch sogar vermehren, erklären die Forscher. Auch sanken bei den behandelten Tieren die Entzündungswerte.
Es sind bislang nur sehr vereinzelte Fälle von dauerhaft aufgehaltenen Diabetes-Typ-1-Erkrankungen bekannt. In diesen sind ganze Bauchspeicheldrüsen oder zumindest Bauchspeicheldrüsenzellen transplantiert worden, sodass der Körper der Zielperson fortan das benötigte Insulin produzieren konnte. Mehr dazu kann man in einer Veröffentlichung von UCLA Health, einer bedeutenden Vereinigung US-amerikanischer Forschungsuniversitäten, nachlesen.3 Jedoch scheitert diese – wenn auch erfolgversprechende – Maßnahme nicht zuletzt an der Verfügbarkeit an gesunden Organen innerhalb der Bevölkerung im Verhältnis zur hohen Zahl an Erkrankten.
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Mögliche Bedeutung der Ergebnisse
Tatsächlich gibt es bereits ein Medikament, welches auch durch die US-amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel zugelassen ist: Teplizumab. Damit kann man Diabetes-Typ-1 nicht umkehren, heißt es in der Veröffentlichung der John Hopkins Medicine. Es könne den Ausbruch der Krankheit jedoch „nachweislich um etwa zwei Jahre“ verzögern. Teplizumab ist ebenfalls ein monoklonales Antikörpermedikament mit allerdings etwas anderer Wirkweise. Es bindet sich an die angreifenden T-Zellen und macht sie dadurch weniger schädlich für die insulinproduzierenden Betazellen.
Das Team um Studienleiter Dr. Dax Fu setzt nun große Hoffnungen auf eine zukünftige Behandlung mit mAb43. Das Mittel könne womöglich längerfristig Erfolge erzielen als Teplizumab, sprich: die Erkrankung so lang im Zaum halten, wie es verabreicht wird. Doch wann beziehungsweise ob die Therapie in der klinischen Praxis Einzug halten wird, ist noch offen. Erst müsse zunächst eine für Menschen verträgliche Version des Antikörpers entwickelt und dann getestet werden, ob das Medikament den gleichen Effekt erziele wie bei den Versuchstieren. Auch mögliche Nebenwirkungen müssten noch erforscht werden.