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Ohrensausen

Ursachen, Diagnose und Behandlung eines Tinnitus

Frau mit Tinnitus
Früher wurde Tinnitus als ein einheitliches Symptom betrachtet. Allerdings gibt es verschiedenste Gründe für die Entstehung Foto: Getty Images

22. Dezember 2023, 18:02 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Stress, Verspannungen, Hörsturz – die Ursachen für einen Tinnitus sind so vielseitig wie die Behandlungsmöglichkeiten. Oft wird die eigentliche Ursache nicht mal gefunden. FITBOOK klärt auf über die Entstehung des Symptoms, erläutert Arten und Schweregrade, nennt Ursachen sowie Diagnose und gibt Betroffenen Tipps für den Alltag.

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Auf fachliche Richtigkeit geprüft von
Prof. Dr. med. Burkard M. Lippert
Prof. Dr. med. Burkard M. Lippert, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Direktor der Kilnik für Hans-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der SLK-Kliniken Heilbronn und Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Laut Deutschen Tinnitus-Liga e.V. erlebt jeder vierte Deutsche mal Ohrgeräusche, Ohrensausen oder Ohrenklingeln.1 Für viele wird das Ohrenrauschen chronisch: Die an der Berliner Charité entstandene Deutsche Tinnitus-Stiftung geht von mehr als elf Millionen Menschen aus, die in Deutschland an einem Tinnitus leiden, bei etwa einem Drittel sollen die Beschwerden besonders stark sein.2 FITBOOK erklärt, was ein Tinnitus eigentlich genau ist, wie man ihn hoffentlich wieder loswerden kann, aber auch, wie man im Fall der Fälle mit der Beeinträchtigung leben kann.

Was ist Tinnitus und wie häufig ist das Symptom?

Der Begriff Tinnitus (lat. tinire für „klingeln“) beschreibt Ohrgeräusche, Ohrensausen oder Ohrenklingeln. Manche Personen beschreiben da Geräusch auch als pfeifend oder zischend. Die störenden Geräusche unterscheiden sich von Person zu Person in der Art, der Tonhöhe sowie der Lautstärke. In Deutschland hat etwa jede vierte Person bereits einen akuten Tinnitus erlitten (Dauer bis zu drei Monate), dessen Symptome wieder abklingen. Bei 13 Prozent der deutschen Bevölkerung wird das Ohrensausen jedoch chronisch und bleibt dauerhaft bestehen. Hiervon geben zwei Prozent an, dass die Geräusche für sie eine starke Belastung darstellen.3

Die 2 Arten des Ohrenklingelns

Es gibt zwei Formen des Tinnitus:

  • Der subjektive Tinnitus ist die weitaus häufigere Form und kann nur von Betroffenen selbst wahrgenommen werden. Das Geräusch besitzt keine äußere Schallquelle, es entsteht „im Kopf“.
  • Bei einem Prozent aller Fälle handelt es sich um einen objektiven Tinnitus. Ursächlich sind Körpergeräusche, die von Muskeln oder Blutströmungen kommen. Diese Geräusche sind für Ärzte hör- und messbar und können medizinisch behandelt werden.

Spricht man von Tinnitus, ist in der Regel der subjektive Tinnitus gemeint. Auch dieser Artikel wird sich im Folgenden auf die subjektive Form beziehen.

Die 4 Schweregrade von Tinnitus

Tinnitus wird in vier Schweregrade unterteilt:

  • Grad 1: Der Tinnitus ist gut kompensiert: Das Ohrgeräusch wird wahrgenommen, es besteht jedoch kein Leidensdruck.
  • Grad 2: Die Ohrgeräusche sind bei Stille bemerkbar. Sie verstärken sich unter Belastung. Der Tinnitus wird weitestgehend kompensiert.
  • Grad 3: Die Tinnitus-Symptome sind im Berufs- und Privatleben erheblich belastend. Sie können zu Problemen im kognitiven, emotionalen und körperlichen Bereich führen. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, sowie Gefühle der Hilflosigkeit und Resignation sind möglich.
  • Grad 4: Der Tinnitus wird ständig wahrgenommen und als Dauerbelastung empfunden, welche das Privat- und Berufsleben massiv beeinträchtigt. Betroffene können Ihren Beruf nicht mehr ausüben, ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück und leiden unter massiven psychischen Störungen wie Ängsten oder Depressionen.

Auch interessant: Was hilft, wenn Ess- und andere Alltagsgeräusche wahnsinnig machen?

Weshalb Tinnitus nicht als Krankheit definiert wird

Tinnitus ist nicht als Krankheit definiert, sondern als Symptom – ähnlich wie Schmerzen. Der Unterschied liegt im Behandlungsansatz. Während man bei einer Krankheit die Ursache bekämpft, kann bei Ohrensausen oft nur symptomatisch behandelt werden.

Trotz dieser Begrifflichkeiten kann Tinnitus einen Krankheitscharakter erhalten, wenn die Belastung durch das Ohrensausen zu Erkrankungen wie Depressionen, Angst oder Schlafstörungen führt.

Mögliche Ursachen des Ohrensausens

Früher wurde Tinnitus als ein einheitliches Symptom betrachtet. Allerdings gibt es verschiedenste Gründe für die Entstehung und nicht immer können diese von Fachärzten identifiziert werden. Teilweise kann der subjektive Tinnitus als Nebenerscheinung bestimmter Krankheiten auftreten.

  • Idiopathischer Tinnitus: Bei dieser Form kann keine eindeutige Ursache festgestellt werden. Das betrifft etwa 45 Prozent der Fälle.
  • Lärmschädigung des Innenohrs: Die häufigste Ursache ist Lärm, einschließlich Knalltraumata (43 Prozent).
  • Stress: Hierbei entsteht der Tinnitus durch eine zentrale Kompensation, welche sich in einer Überaktivität der Hörrinde äußert. In einer Studie der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. gaben 26 Prozent an, ihre Symptome auf Stress zurückführen.
  • Schwerhörigkeit: Zwei Drittel aller Personen mit Schwerhörigkeit sind von Tinnitus betroffen. Von diesen wiederum leiden etwa 20 Prozent sehr darunter. Etwa jeder zweite Betroffene gibt eine Hörminderung an.
  • Otosklerose: Hierbei ist der Knochen, welcher das Innenohr umgibt, erkrankt. Die Krankheit bedingt eine Schallleitungsschwerhörigkeit und tritt gemeinsam mit Tinnitus in 70 Prozent der Fälle auf.
  • Hörsturz: Ein Hörsturz ist eine akute auftretende, einseitige Schwerhörigkeit, welche in zwei Dritteln der Fälle zu einem Sausen in dien Ohren führt. Häufig heilen sie spontan, insbesondere bei Tieftonhörstürzen.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Tritt der Tinnitus gemeinsam mit einem Schädel-Hirn-Trauma auf, muss neben der Verletzung des Gehirns auch auf eine Innenohrläsion in Form eines Hörtests geprüft werden.
  • Akustikus-Neurinom: Schreitet eine einseitige Hörminderung langsam oder schwankend in Kombination mit einem Ohrenklingeln voran, kann es sich um ein Akustikus-Neurinom handeln, einen gutartigen Tumor.
  • Vergiftungen des Innenohrs: Tinnitus ist häufig als Nebenwirkung auf Beipackzetteln von Medikamenten zu finden. Diese Wirkung ist in der Regel reversibel, bei einer Behandlung mit Aminoglykosiden können bleibende Schäden entstehen.
  • Muskulär bedingter oder somatoformer Tinnitus: Traumatisch bedingte Störungen oder chronische Muskelverspannungen können zu Veränderungen an der Halswirbelsäule führen. Diese Veränderungen nehmen Einfluss auf Nervenschaltungen mit der Hörbahn. Gleiches gilt für Störungen im Kiefergelenk sowie Zähneknirschen.
  • Morbus-Menière-Anfall: Diese Erkrankung des Innenohrs verursacht akuten Drehschwindel, welcher von Schwerhörigkeit und Ohrensausen begleitet wird.

Wie Tinnitus diagnostiziert wird

Zu Beginn muss ermittelt werden, ob eine behandelbare Grunderkrankung vorliegt. Als erste Anlaufstelle können Sie Ihren Hausarzt oder HNO-Arzt aufsuchen. Diese geben auch eine Einschätzung, ob in Ihrem Fall weitere Fachärzte, wie etwa Orthopäden oder Neurologen, Untersuchungen durchführen sollten.

Weiterhin muss vor der Planung der Therapie Ihr Gehör untersucht werden. Etwa 90 Prozent der Betroffenen haben ein vermindertes Gehör. Bei diesen Patienten liegt der Tinnitus meist in derjenigen Tonhöhe und demjenigen Frequenzbereich, in dem das Gehör am stärksten beeinträchtigt ist. Es ist möglich, dass Sie Ihr vermindertes Hörvermögen zuvor nicht wahrgenommen haben, da es so gering sein kann, dass das Sprachverstehen nicht erschwert ist. Trotzdem ist es für die Behandlung des Tinnitus wichtig, festzustellen. Dafür wird ein Hörtest durchgeführt und ein Audiogramm erstellt. Auch findet eine Überprüfung des Sprachverstehens statt.

Da der Tinnitus für Ihren behandelnden Arzt nicht hörbar ist, werden hierfür Hörprüfungen mit subjektiven Messverfahren durchgeführt. Dabei geben Sie selbst an, wann oder wie hoch Sie einen Ton wahrnehmen. Eine Grafik auf Basis der Angaben ermöglicht dann eine differenzierte Diagnose.

Ebenso möglich ist es, einen standardisierten Fragebogen auszufüllen oder ein eigens geführtes Tinnitus-Tagebuch zum Arztbesuch mitzunehmen.

Verschwindet das Symptom von allein?

Die gute Nachricht zuerst: Ein akuter Tinnitus verschwindet in 80 Prozent der Fälle von allein oder durch eine Behandlung der jeweiligen Ursache. Leider gibt es bisher keine medikamentöse Behandlung für einen subjektiven Tinnitus. Dafür gibt es jedoch einige Hilfsmittel und Therapieverfahren, die für Sie hilfreich sein können:

Wann sich der Einsatz eines Hörgeräts oder Noisers lohnt

Wenn Ihre Hörminderung verantwortlich für Ihren Tinnitus ist, lohnt sich der Einsatz eines Hörgeräts. Häufig wird mit Einschalten des Geräts das Klingeln in den Ohren weniger wahrgenommen. Verdeutlichen kann man dies am Bild einer Kerze: In einem dunklen Raum erscheint die Flamme (der Tinnitus) strahlend hell, sobald jedoch das Licht im Raum eingeschaltet wird, nimmt man sie weniger wahr, da mehr Sinneseindrücke vorhanden sind.

Noiser sind für Menschen ohne Hörminderung geeignet. Optisch ähneln sie Hörgeräten, ihre Funktion ist jedoch eine andere: Sie erzeugen ein sanftes Rauschen, welches sich mit dem Ohrensausen „mischt“, um so seine Dominanz zu nehmen. Denken Sie an einen Eisberg: Zwei Drittel des Berges liegen unter der Wasseroberfläche, wobei das Wasser das Rauschen des Noisers darstellt. Der Großteil wird also verdeckt, der Tinnitus ist lediglich noch die Spitze des Eisbergs.

Kombigeräte vereinen die Funktionen von Hörgerät und Noiser. Für das Sprachverständnis verwendet man die Hörfunktion, der Noiser umgibt den Tinnitus in ruhigen Umgebungen mit sanftem Rauschen.

Forscher entwickeln Kopfhörer für Tinnitus-Therapie

Wissenschaftler der Universität Michigan haben ein tragbares Gerät für die Tinnitus-Therapie in den eigenen vier Wänden entwickelt. Es besteht aus einem Kopfhörer und zwei Elektroden, die sowohl elektrische als auch akustische Reize abgeben. Die Studienergebnisse gelten als neuer Meilenstein in der Behandlung von Ohrensausen (FITBOOK berichtete).

Was kann eine kognitive Verhaltenstherapie bei Tinnitus bringen?

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist das bei Tinnitus bisher am besten evaluierte Therapieverfahren. Die Therapie zielt darauf ab, die Krankheit verstärkende Muster zu erkennen und entsprechend zu modifizieren. Das kann sowohl auf der kognitiven als auch auf der emotionalen und der Verhaltensebene der Fall sein.

Ein Beispiel für solch ein Muster ist etwa die Annahme eines Patienten, das Ohrensausen könne zu Taubheit führen (kognitiv). Daraus resultiert Angst (emotional), welche das Verhalten ändert, etwa, dass der Patient sich stärker auf den Tinnitus fokussiert.

Auch interessant: Für gesunde Ohren – halten Sie sich an die „60/60-Regel“?

Hilfreiche Tipps für den Alltag mit Ohrensausen

Der Alltag mit Tinnitus kann beschwerlich sein. Damit das Ohrensausen nicht Ihre Lebensqualität mindert, haben wir folgende Tipps für Sie gesammelt:

  • Machen Sie den Tinnitus nicht zum Mittelpunkt Ihres Lebens
  • Nutzen Sie ein Hörgerät bei Hörminderung
  • Nehmen Sie die Welt bewusst mit Ihrem Gehör wahr: Jedes Vogelzwitschern oder Ihre Lieblingsmusik lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Tinnitus
  • Achten Sie auf eine gute Schlafhygiene
  • Halten Sie sich fit: Sport ist in vielerlei Hinsicht gesund, auch Tauchen ist mit Tinnitus möglich
  • Suchen Sie Ruhe statt vollkommener Stille: Eine angenehme Akustik nimmt dem Tinnitus Raum
  • Finden Sie eine passende Entspannungsmethode für sich, z. B. progressive Muskelentspannung, Feldenkrais, Yoga, Tai Chi oder Qigong
  • Genießen Sie die Zeit mit Familie und Freunden – alles, was Ihr Wohlbefinden steigert, mindert die Bedeutung des Ohrenklingelns
  • Tauschen Sie sich in einer Selbsthilfegruppe aus
  • Haben Sie keine Scheu, auch psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen

Felix Mildner, Redakteur bei der BOOKfamily, meint:
„Ich leide seit fast 15 Jahren an chronischem Tinnitus, nachdem ich Anfang 20 einen Hörsturz erlitten habe. Zudem ist mein Hörvermögen auf dem rechten Ohr seitdem eingeschränkt. Da ich damals eine Laufbahn im musikalischen Bereich angestrebt habe, hat mich das ziemlich aus der Bahn geworfen. Therapie hat mir geholfen, mit dem Tinnitus zu leben und mich an mein ‚Betriebsgeräusch‘ im Ohr zu gewöhnen. Auch weitere Ansätze habe ich verfolgt, aber nichts hat wirklich geholfen. Irgendwann habe ich es einfach akzeptiert. Heute nehme ich es so gut wie nicht mehr wahr. Menschen sind vielleicht mehr ‚Gewohnheitstiere‘, als man denkt.“

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Quellen

Themen Ohrengesundheit Tinnitus

Quellen

  1. Deutsche Tinnitus-Liga e. V. Was ist Tinnitus? (aufgerufen am 27.11.2023) ↩︎
  2. Stiftung Tinnitus & Hören. Leben mit Tinnitus. (aufgerufen am 27.11.2023 ↩︎
  3. Siemens AG. (2013). Tinnitusratgeber (aufgerufen am 27.11.2023). ↩︎
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