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Studie

Dieses Organ gilt für Erwachsene als nutzlos, könnte aber vor Krebs schützen

thymus krebs: Krebszelle
Eine kleine, unterschätzte Drüse im Brustbein kann offenbar vor verfrühtem Tod – etwa aufgrund von Krebs – schützen Foto: Getty Images

14. August 2023, 14:14 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Auf fachliche Richtigkeit geprüft von
Dr. med. Rainer Lipp
Dr. med. Rainer Lipp, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie – Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Onkologie

Völlig nutzlos ist das besagte Organ natürlich nicht. Im Kinder- und Jugendalter erfüllt es sogar eine sehr wichtige Funktion. Doch danach stellt es seine Aktivität ein und schrumpft. Deshalb gilt es ab dann bei Erwachsenen als eher überflüssig und nutzlos. Aber das scheint ein Irrtum zu sein, wie eine aktuelle Studie zeigt. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie erklärt die Ergebnisse.

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Ähnlich wie beim Blinddarm, der im Fall einer Entzündung schlicht entfernt werden kann (und muss), herrscht in der Schulmedizin auch bezüglich des Thymus vielfach die Annahme, dass er bei Erwachsenen nutzlos sei. Zur Behandlung bestimmter Krankheiten könne die Drüse daher wie der Blinddarm problemlos entnommen werden. Doch dieses Vorgehen raubt dem Körper womöglich eine wichtige Schutzfunktion. Denn eine US-Studie kam jetzt zu dem Schluss, dass der Thymus vor Krebs schützen kann – und die Entfernung des Organs das Leben verkürzen könnte.

Die Funktion des Thymus

thymus krebs: Thymus
Der Thymus bzw. die Thymusdrüse liegt im Brustbein und ist wichtig für die Entwicklung des Immunsystems. Foto: Getty Images

Beim Thymus (auch Thymusdrüse oder Bries) handelt es sich um ein kleines Organ, das im Brustkorb hinter dem Brustbein liegt. Die Drüse ist ein wichtiger Teil des Immunsystems. Dieses reift im Knochenmark und im Thymus heran. Im Thymus erlernen die T-Zellen, fremde von körpereigenen Antigenen zu unterscheiden und entsprechend auf fremde Zellen zu reagieren. Dies ist wichtig, damit der Körper Bakterien und Viren bekämpfen kann, ohne dabei körpereigene Zellen anzugreifen. Mit anderen Worten: Der Thymus spielt eine bedeutende Rolle für den Aufbau eines gesunden Immunsystems und dafür, die Entstehung von Autoimmunkrankheiten zu verhindern.

Das kleine Organ hinter dem Brustbein ist bereits vor der Geburt aktiv, ab der Geschlechtsreife nimmt seine Funktion jedoch ab. Der Thymus schrumpft und das Gewebe ändert sich. Nun übernehmen Milz und Lymphknoten seine Funktionen.1

Unterschied zwischen „schwachem Immunsystem“ und einer medizinisch „echten“ Immunschwäche

Wer häufig erkältet ist, sagt möglicherweise von sich, dass er ein schwaches Immunsystem habe. Diese subjektive Einschätzung ist laut einem FITBOOK-Experten jedoch klar von einer medizinischen Immunschwäche zu unterscheiden.

Unter einer Immunschwäche verstehen Mediziner Störungen, bei denen zum Beispiel die T-Helferzellen – also wesentliche „Schaltstellen im Immunsystem“ – tatsächlich nicht mehr richtig arbeiten. Das erklärte uns in einem früheren Beitrag der Frechener Allgemeinarzt Dr. med. Michael Feld. Eine solche Immunschwäche könne mit bestimmten Krankheiten einhergehen. Manchmal rühre sie aber auch von erblich bedingten Defekten her.

Der Ausdruck „schwaches Immunsystem“ sei dagegen weniger medizinisch als vielmehr einer, den Laien aus subjektivem Empfinden heraus nutzen. Was sich jedoch dahinter verbergen könne, seien lokale Schwächen der Immunabwehr. Mögliche Ursachen hierfür können eine entsprechende Veranlagung oder bestimmte Gewohnheiten sein (z. B. macht Rauchen anfälliger für Atemwegserkrankungen). Auch die Darmgesundheit spielt eine Rolle; ebenso kann ein früheres Ereignis in der Krankheitsvorgeschichte des Patienten Einfluss haben.

Warum wird das Organ entfernt?

In Deutschland entscheiden sich Ärzte und Patienten etwa für die Entfernung des Thymus, wenn dieser von Tumoren befallen ist. Auch bei gutartigen Tumoren kann dieser Entschluss fallen, um bösartigen Veränderungen vorzubeugen. Zudem kann die operative Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) Teil der Behandlung der Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis (MG) sein.2,3

Auch interessant: Symptome und Behandlung der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis 

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Studie zeigt, wie unterschätzt der Thymus ist.

US-Forscher gehen Nutzen der Thymusdrüse auf den Grund

In den USA verhält es sich bezüglich einer Thymektomie ähnlich.4 In ihrer Studie beschreiben die Forscher des Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School die Häufigkeit wie folgt: „Die routinemäßige Entfernung des Thymus wird in verschiedenen chirurgischen Verfahren durchgeführt.“ Aufgrund dieser Grundlage wollten sie nun herausfinden, ob der Thymus tatsächlich für Erwachsene so nutzlos ist, wie vielfach angenommen wird. Oder ob „der erwachsene Thymus für die Aufrechterhaltung der Immunkompetenz und der allgemeinen Gesundheit erforderlich“ sei.5

Ablauf der Studie

Dafür untersuchten die Wissenschaftler anhand herzchirurgischer Daten das Risiko von Tod, Krebs und Autoimmunerkrankungen bei erwachsenen Patienten, denen der Thymus entfernt worden war, im Vergleich zu Patienten, die sich einem ähnlichen Eingriff ohne Thymektomie unterzogen hatten. In einer Untergruppe von Patienten verglichen die Forscher auch die T-Zell-Produktion und die Plasmazytokinwerte. Die Studiengruppe bildeten 1146 Patienten (Thymektomie), während die Kontrollgruppe (keine Thymektomie) 6021 Personen umfasste.

Gesamtmortalität

Das Ergebnis der Analyse: Bei Patienten, die keinen Thymus mehr hatten, war die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von fünf Jahren nach der Thymektomie zu sterben, mehr als doppelt so hoch wie bei Personen der Kontrollgruppe (8,1 vs. 2,8 Prozent). Dieses Ergebnis blieb auch unter Berücksichtigung von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Fällen von Thymuskrebs, postoperativen Infektionen oder dem Auftreten der besagten Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis bestehen.

Tod aufgrund von Krebs

Zudem war das Risiko, innerhalb von fünf Jahren an Krebs zu erkranken, bei Patienten ohne Thymus ebenfalls doppelt so hoch wie bei Patienten, die keine Thymektomie hatten: 7,4 vs. 3,7 Prozent.

Risiko für Autoimmunerkrankungen

Bei der Untergruppe, bei der die Forscher zusätzlich die T-Zell-Produktion und die Plasmazytokinwerte verglichen hatten, zeigte sich eine geringere Neuproduktion von T-Lymphozyten. Außerdem maßen sie höhere Werte an proinflammatorischen Zytokinen im Blut. Daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass das Fehlen des Thymus auch das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöhen könnte.

Thymus für Erwachsene also wichtiger als gedacht?

„Diese Studie zeigt, wie wichtig die Thymusdrüse für die Erhaltung der Gesundheit von Erwachsenen ist“, erklärt David Scadden vom Massachusetts General Hospital in einer Mitteilung der „The Harvard Gazette“.6 „Der Hauptgrund, warum der Thymus einen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit hat, scheint darin zu bestehen, dass er vor der Entwicklung von Krebs schützt.“

Während diese neuen Erkenntnisse womöglich den Grundstein für ein neues Verständnis der Rolle der Thymusdrüse im Erwachsenenalter legen können, ist weitere Forschung nötig, um dies zu vertiefen. Nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei der aktuellen Studie um eine retrospektive Beobachtungsstudie mit einem Paarvergleich handelte, die Ergebnisse beschreiben, aber kausale Zusammenhänge nur begrenzt belegen kann.

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Quellen

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