28. Mai 2024, 20:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Immer wieder stößt man auf die Frage, ob Tattoos krebserregend sind. Bislang gab es aber nicht ausreichend wissenschaftlichen Beweise, die sich mit der Langzeitwirkung von Tattoos auseinandersetzten. Eine neue Studie zeigt nun auf, dass Tätowierungen tatsächlich mit einem erhöhten Risiko für Krebs im Lymphsystem in Verbindung gebracht werden können.
In Deutschland ist fast jeder vierte tätowiert.1 Besonders bei den 25- bis 34-Jährigen sind die Verzierungen auf der Haut sehr beliebt. Und das, obwohl Tattoos in Bezug auf die Gesundheit umstritten sind. So können direkt nach dem Stechen Allergien und Infektionen auftreten. Um das Risiko für Folgeerkrankungen bzw. -reaktionen so gering wie nur möglich zu halten, verbietet die EU mittlerweile ca. 4000 Chemikalien in Tattoo-Farben.2 Doch können die Kunstwerke auf dem Körper dennoch krebserregend sein? Eine Studie der schwedischen Universität Lund fand heraus, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen Tattoos und Krebs im Lymphsystem (Lymphom) zu geben scheint.
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Übersicht
Studie mit 5591 Teilnehmern
Das Team um Leiterin Christel Nielsen fokussierte sich in der Studie auf Krebsarten, die das Lymphsystem betreffen und mit einer Tätowierung im Zusammenhang stehen. „Wir wissen bereits, dass, wenn die Tätowiertinte in die Haut injiziert wird, der Körper dies als etwas Fremdes interpretiert, das dort nicht hingehört, und das Immunsystem aktiviert wird. Ein großer Teil der Tinte wird von der Haut weg zu den Lymphknoten transportiert, wo sie sich ablagert“, erklärt Nielsen in einer Pressemitteilung.3
Dafür durchforsteten die Wissenschaftler mehrere schwedische Datenbanken bezüglich Informationen über eine Diagnose des malignen Lymphoms zwischen 2007 und 2017.4 Ein Lymphom beschreibt die Vergrößerung der Lymphknoten, was auf bösartige Prozesse, also Krebs, im Lymphsystem zurückzuführen ist.
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Fragebogen bezüglich Tattoos und Lymphom
Die Forscher identifizierten 11.905 Personen, die sich für die Studie eigneten. 2938 Personen davon erkrankten im Alter zwischen 20 und 60 Jahren an einem Lymphom. Diese Personen forderten die Wissenschaftler dazu auf, einen Fragebogen auszufüllen, der unter anderem Aufschluss über eine Tätowierung gab. So erkundigte man sich anhand geeigneter Fragen, ob Tattoos aus dekorativen, kosmetischen oder medizinischen Zwecken vorhanden sind. Außerdem abgefragt: Wie viele permanente Körperbilder die Probanden hatten, in welcher Größe – und welche Farben genutzt wurden. Auch entfernte Tattoos zählte man hier mit rein. Insgesamt 1398 Personen mit einer Lymphom-Diagnose beantworteten den Fragebogen komplett, davon waren 21 Prozent, also 289 Personen, tätowiert. Das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der ersten Tätowierung betrug 22 bis 23 Jahre. Die Kontrollgruppe ohne Lymphom-Diagnose bestand aus 4193 Personen, von denen 18 Prozent ein Tattoo aufwiesen.
Auswertung der Daten
Anhand von bewährten Analyseverfahren analysierten die Wissenschaftler den Zusammenhang von Tattoos und Lymphomen. Zusätzlich führte man eine Subgruppenanalysen durch, um mögliche Beziehungen zwischen Tätowierungen und Lymphom-Subtypen, wie z.B. das Hodgkin-Lymphom, follikuläres Lymphom und das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom, zu untersuchen.
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21 Prozent höheres Risiko durch Tätowierungen
Das Forscherteam kam zu dem Ergebnis, dass Personen mit einer oder mehreren Tätowierungen ein um 21 Prozent erhöhtes Risiko für Lymphome aufwiesen. Die Größe des Tattoos spielte dabei aber keine Rolle: Ganzkörpertätowierungen und Tattoos mit einer größeren Gesamtfläche wiesen ein geringeres Risiko auf als Tattoos, die kleiner als eine Handfläche waren. „Wir wissen noch nicht, warum dies der Fall war. Man kann nur spekulieren, dass eine Tätowierung, unabhängig von ihrer Größe, eine niedriggradige Entzündung im Körper auslöst, die wiederum Krebs auslösen kann. Das Bild ist also komplexer, als wir zunächst dachten“, erklärt Studienleiterin Christel Nielsen.
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Das mit Tattoos verbundene Lymphom-Risiko äußerte sich allerdings für jede Art der Erkrankung anders. So stellte man heraus:
- Das Risiko für das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom lag bei 30 Prozent.
- Das Risiko für das follikuläre Lymphom lag bei 29 Prozent.
Eine Laserbehandlung zur Entfernung des Tattoos steigerte das Risiko für ein Lymphom drastisch. Laut der vorliegenden Analyse soll das Risiko um 199 Prozent dadurch erhöht werden.
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Einordnung der Studie
„Nach Berücksichtigung anderer relevanter Faktoren wie Rauchen und Alter stellten wir fest, dass das Risiko, an einem Lymphom zu erkranken, bei den Tätowierten um 21 Prozent höher war. Man darf nicht vergessen, dass das Lymphom eine seltene Krankheit ist und dass unsere Ergebnisse nur für die Gruppe gelten. Die Ergebnisse müssen nun in anderen Studien verifiziert und weiter untersucht werden, und diese Forschung ist im Gange“, weist Nielsen auf die Einschränkungen der Studie hin. Zum einen sind die Kausalitäten noch ungeklärt, warum Tattoos ein erhöhtes Risiko für Lymphome mit sich bringen könnten. Zum anderen bedarf es weiterer Studien, die sich nicht nur auf subjektiven Angaben in Form von Fragebögen stützen, da diese eine gewisse Fehlerhaftigkeit mit sich bringen.
Nichtsdestotrotz gibt die Studie einen Hinweis darauf, dass das Tätowieren gesundheitsschädlich sein könnte und eine bestimmte Art von Krebs begünstigen kann. „Die Menschen werden wahrscheinlich weiterhin ihre Identität durch Tätowierungen zum Ausdruck bringen wollen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir als Gesellschaft dafür sorgen können, dass dies sicher ist. Für den Einzelnen ist es gut zu wissen, dass Tätowierungen die Gesundheit beeinträchtigen können und dass man sich an seinen Arzt wenden sollte, wenn man Symptome verspürt, von denen man annimmt, dass sie mit der Tätowierung zusammenhängen könnten“, betont Nielsen die Studienergebnisse.