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WtHR als Gesundheitsindikator

Taille-zu-Größe-Verhältnis – einfacher Selbsttest ermittelt Krankheitsrisiko

Taille-zu-Größe-Verhältnis: Mann mit Bauchumfang
Mit einem Maßband und einer simplen Rechnung kann jeder schnell herausfinden, wie es um sein Krankheitsrisiko steht Foto: credit Istock/huettenhoelscher
Lisa Neumann

26. August 2021, 17:33 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes, Fettleber: Oft schwelen solche Erkrankungen schon im Körper, bevor sie erste Symptome zeigen. Mit einem simplen Selbsttest kann man feststellen, wie groß das Risiko ist. Das kann eine frühe Diagnose und somit erfolgreiche Therapie ermöglichen.

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Auf fachliche Richtigkeit geprüft von
Enrico Zessin
Enrico Zessin, Arzt in Weiterbildung für Innere Medizin und Sportmedizin, Verbandsarzt Deutscher Leichtathletik Verband und Diplom-Molekularbiologe

Der sogenannte Body-Mass-Index gilt unter vielen Medizinern bereits als überholt. Grund: Der BMI berücksichtigt nicht das Verhältnis von Körperfett und Muskelmasse, sondern bezieht sich lediglich auf Körpergewicht und -größe. Wenn es um das Krankheitsrisiko geht, ist ein anderer Wert aussagekräftiger als der BMI: das Taille-Größe-Verhältnis. Man kann es im Selbsttest ganz einfach selbst bestimmen.

Das Taille-zu-Größe-Verhältnis (WtHR)

Forschern zufolge ist das Taille-zu-Größe-Verhältnis ein guter Indikator, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2 oder Fettleber zu bestimmen. Grund: Das Verhältnis von Taille zur Körpergröße, auch Waist-to-Height-Ratio (WtHR) genannt, berücksichtigt das innere Bauchfett. Diesem wird im Gegensatz zu anderen kleinen Fettpölsterchen an Oberschenkeln oder Po eine besonders negative Auswirkung auf die Gesundheit nachgesagt. Das auch als Viszeralfett bezeichnete Gewebe liegt um innere Organe und gibt ihnen einen mechanischen Schutz. Zu viel viszerales Fett kann aber schädliche Botenstoffe produzieren und so Entzündungsreaktionen im Körper auslösen, die wiederum Erkrankungen nach sich ziehen.

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Studien belegen Aussagekraft des WtHR-Werts

Dass der WtHR-Wert aussagekräftig ist, haben bereits einige Studien analysiert. Eine brasilianische Forschungsarbeit aus dem Jahr 2019 untersuchte mehr als 13.500 Teilnehmer. Das Ergebnis: Mithilfe der Waist-to-Height-Ratio wurden mehr Menschen mit einem potenziellen Krankheitsrisiko identifiziert als anhand einer Kombination aus BMI und Hüftumfang – unabhängig vom Geschlecht, Alter und Gewicht.1

39,6 beziehungsweise 33,3 Prozent der erwachsenen Männer und Frauen, die anhand von BMI und Hüftumfang als risikoarm eingestuft wurden, wiesen mit dem WtHR-Wert ein erhöhtes Krankheitsrisiko auf. Den Wissenschaftlern zufolge wären diese Personen womöglich nicht auf die Notwendigkeit von gesundheitsfördernden und Krankheiten vorbeugenden Maßnahmen hingewiesen worden.

In ihrer Studie appellieren die brasilianischen Forscher eindringlich, den WtHR-Wert zur Risikobewertung heranzuziehen. Auch wenn der BMI als internationale Klassifizierung anerkannt sei, so sei er doch anfällig für Fehler und führe zu ungenauen Einschätzungen. Das wiederum habe falsche Behandlungen von Übergewichtigen zur Folge. Das Taille-zu-Größe-Verhältnis sei ein „leicht zu interpretierendes und kostengünstiges Instrument zur primären Risikoabschätzung, das eine höhere Anzahl von Personen mit kardiometabolischem Risiko identifiziert“. Kardiometabolische Erkrankungen sind Krankheitsbilder, die das Herz-Kreislaufsystem und/oder Stoffwechselvorgänge betreffen.

Auch eine Studie aus dem Jahr 2010 bestätigte die Aussagekraft des Taille-zu-Größe-Verhältnisses: Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität München hatten über mehrere Jahre die gesundheitliche Entwicklung von 11.000 Menschen beobachtet und verschiedene Methoden zur Berechnung des Krankheitsrisikos verwendet. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: „Ob ein Mensch einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommt oder daran stirbt, lässt sich am besten mit dem WHtR abbilden.“ Je höher der WtHR, desto größer sei das Risiko.2

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Taille-zu-Größe-Verhältnis errechnen: Die Formel

Die Formel zur Errechnung des WtHR-Werts lautet:

Taillenumfang (in cm) : Größe (in cm)

Bei einem 35 Jahre alten Mann von 1,74 Meter Größe und einem Taillenumfang von 84 Zentimetern ergibt sich damit ein Wert von 0,48. Er wäre damit noch im Idealbereich von 0,4 bis 0,5. Werte über 0,5 liegen bereits im Risikobereich (0,51-0,56), solche unter 0,4 bedeuten Untergewicht.3

Taille-Größe-Verhältnis: Tabelle

WtHR-WertKategorie
Unter 0,4Untergewicht
0,4 bis 0,5Idealbereich
0,51 bis 0,56Übergewicht
0,57 bis 0,68Fettleibigkeit
über 0,68Schwere Adipositas
Quelle: Daimler Betriebskrankenkasse

Ab 40 Jahren muss das Alter einbezogen werden. Dann verschiebt sich der tolerierbare Wert um 0,01 pro Jahr nach oben. Heißt: Eine Person von 45 Jahren wäre also noch mit einem Wert von 0,55 im Idealbereich.

Den Taillenumfang richtig messen

Die Taille befindet sich ungefähr auf Höhe des Bauchnabels zwischen unterem Rippenbogen und Hüftknochen. Messen Sie den Umfang am besten morgens vor dem Frühstück.

Taillenumfang messen
Die Taille befindet sich ungefähr auf Höhe des Bauchnabels Foto: Getty Images

Man muss nicht unbedingt ein Bäuchlein haben, um krank zu sein

„Ich würde es nicht als ‚Alternative‘ zum BMI, sondern als eine Ergänzung bezeichnen“, sagt Uwe Schröder vom Deutschen Institut für Sporternährung über den WtHR. Beide Parameter hätten Grenzwerte, die willkürlich festgelegt werden, weil „halt irgendwo eine Grenze gesetzt werden müsse“, wie er FITBOOK erklärt. Schröder empfiehlt, bei Überschreiten der Normwerte auch andere Parameter zu betrachten, um sich ein realistisches Bild von dem Erkrankungsrisiko zu machen.

Er sagt aber auch, dass das WtHR hinsichtlich des Risikos bestimmter Erkrankungen (etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nicht-alkoholische Fettleber, Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen) tatsächlich aussagekräftiger ist als der BMI. Schröder rät, den BMI hinzuziehen, damit auf ein „mögliches ‚Gewichtsoptimierungs-Potenzial‘ geschlossen werden kann“.

Zu bedenken gibt der Experte aber auch, dass der BMI nur eingeschränkte Rückschlüsse auf das entscheidende viszerale Fett zulässt. Dieses kann heutzutage nur mit einem MRT sichtbar gemacht werden. „Aus diesen Analysen resultieren die ‚TOFIs‘ (= thin outside, fat inside). Das sind Personen, die optisch kaum Fett aufzuweisen scheinen, oft normalgewichtig sind, aber viel viszerales Fett und damit ein sehr stark erhöhtes Krankheitsrisiko haben.“ Man muss also nicht unbedingt ein kleines Bäuchlein haben, um offensichtlich krank zu sein. Ein Selbsttest, um das Krankheitsrisiko zu bestimmen, hilft in diesem Fall also wenig.

Schröder empfiehlt eine „echte Körperfettmessung“ (z. B. mit einer professionellen Körperfettwaage oder einer Hautfaltenmessung), mit der mehr Klarheit geschaffen werden könne.

Mit dem Taille-zu-Größe-Verhältnis kann man im Selbsttest also eine gewisse Risikoabschätzung selbst vornehmen. Da es jedoch viele Faktoren gibt, die das Krankheitsrisiko beeinflussen, empfiehlt sich immer ein individuelles Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens über Lebensstil und -gewohnheiten, Ernährung sowie ggf. auch familiäre Vorerkrankungen zu Risikoabschätzung.

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Fazit

Was viele bestimmt freut: Die brasilianischen Wissenschaftler stufen in ihrer Studie Hüftspeck per se nicht als schlecht ein. „Eine bestimmte Menge an Hüftspeck ist akzeptabel“, heißt es – nur eben nicht zu viel. Auch Uwe Schröder plädiert für ein wenig mehr Weitsicht: „Oft werden ‚handfeste‘ Werte, die in Wirklichkeit nur mit willkürlich festgelegten Grenzen abgeglichen werden, als Anlass genommen, das individuelle Ernährungsverhalten radikal zu verändern. Wir sind sehr zahlen-hörig, sterben aber bestimmt nicht sofort, nur weil wir einen Normwert um wenige Prozentpunkte über- oder unterschreiten.“

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Quellen

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