1. Februar 2025, 17:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bewegung ist gesund, doch macht es einen Unterschied, ob man morgens, nachmittags oder abends aktiv ist? Eine Studie aus Deutschland liefert dazu nun einige durchaus überraschende Erkenntnisse. Besonders in Bezug auf das Risiko für Adipositas und Diabetes kann die Tageszeit der Bewegung ein Einflussfaktor sein.
Dass körperliche Aktivität das Risiko für Übergewicht und Diabetes senken kann, ist unbestritten. Doch aktuelle Forschung legt nahe, dass nicht nur das Volumen, sondern auch der Zeitpunkt der Aktivität eine Rolle spielt. Der menschliche Stoffwechsel folgt einem natürlichen Tagesrhythmus, der etwa den Blutzuckerspiegel, den Energieverbrauch und die Insulinwirkung beeinflusst. Theoretisch könnte dies bedeuten, dass Bewegung zur richtigen Zeit effektiver das Risiko für Adipositas und Diabetes reduzieren kann – doch wie stark sind diese Unterschiede wirklich?
Ein Team um Michael Stein von der Universität Regensburg ging dieser Frage genauer nach.1 Mithilfe objektiver Bewegungsdaten von zehntausenden Studienteilnehmern untersuchten sie, ob es einen optimalen Zeitpunkt für körperliche Aktivität gibt – und wann Bewegung möglicherweise weniger vorteilhaft ist.
Was genau wurde untersucht?
Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen der Tageszeit der körperlichen Aktivität und dem Risiko für Fettleibigkeit (BMI ≥ 30) sowie Diabetes. Zur Diagnose von Diabetes wurde entweder eine ärztliche Angabe oder der sogenannte HbA1c-Wert herangezogen. HbA1c wird gemeinhin auch als Langzeitzucker bezeichnet, da er den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vergangenen zwei bis drei Monate widerspiegelt und zur Langzeitkontrolle von Diabetes dient.
Hintergrund der Studie ist die wachsende Erkenntnis, dass der Tagesrhythmus des Körpers nicht nur den Schlaf, sondern auch den Stoffwechsel beeinflusst. Im Interview mit FITBOOK hatte der renommierte Chronobiologe bestätigt, dass das konsequente Ignorieren der inneren Uhr gesundheitliche Folgen haben kann. „Nach einigen Monaten und Jahren steigert sich das Risiko für chronische Krankheiten wie neurodegenerative Erkrankungen, Depressionen, innere Unruhe und andere Störungen“, so Panda. „Es kann sogar Auslöser für das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sein. Darüber hinaus steigert sich das Risiko für metabolische Krankheiten wie Diabetes, Fettleber, erhöhte Cholesterinwerte und Herzkreislauferkrankungen. Es kann sogar das Risiko für Krebs erhöhen.“
Der zirkadiane Rhythmus (die innere biologische Uhr) hat auch einen Effekt auf die Wirkung von Bewegung. Frühere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Aktivität zu bestimmten Tageszeiten günstiger für den Zuckerstoffwechsel und die Gewichtskontrolle sein könnte. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass Bewegung in der Nacht ungünstige Effekte haben könnte.
Der Aufbau der Studie
Die Untersuchung basiert auf einer Querschnittsanalyse von 61.116 Teilnehmern der NAKO-Gesundheitsstudie, einer groß angelegten Kohortenstudie in Deutschland. Zwischen 2015 und 2019 trugen die Probanden für sieben Tage einen Hüft-Aktivitätssensor (ActiGraph), der ihre Bewegungen aufzeichnete. Die Forscher analysierten die Aktivität getrennt nach Altersgruppen und Geschlechtern und ordneten die Teilnehmer in vier Gruppen (Quartile) ein, je nachdem, wie viel sie sich bewegten.
Mit statistischen Modellen berechneten sie die Wahrscheinlichkeit für Fettleibigkeit und Diabetes in Abhängigkeit von der Tageszeit der Aktivität. Dabei berücksichtigten die Wissenschaftler verschiedene Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung und Lebensstil. Der sogenannte OR-Wert (Odds Ratio) gibt dabei an, wie stark die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung im Vergleich zu einer Referenzgruppe verändert ist – ein Wert unter 1 bedeutet ein geringeres Risiko, ein Wert über 1 ein erhöhtes Risiko.
Wann ist die richtige Zeit für Bewegung, um das Adipositas- und Diabetes-Risiko zu senken? Die Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Risiko für Adipositas und Diabetes je nach Tageszeit der Aktivität deutlich unterscheidet:
- Bewegung am Nachmittag ist am vorteilhaftesten: Teilnehmer mit hoher Aktivität am Nachmittag hatten ein um 64 Prozent geringeres Risiko für Adipositas (OR: 0,36) und ein um 53 Prozent geringeres Risiko für Diabetes (OR: 0,47) im Vergleich zur Gruppe mit der niedrigsten Nachmittagsaktivität.
- Auch Abendaktivität hat positive Effekte: Viel Bewegung am Abend war mit einem um 55 Prozent geringeren Risiko für Adipositas (OR: 0,45) und einem um 44 Prozent geringeren Risiko für Diabetes (OR: 0,56) verbunden.
- Morgendliche Aktivität bietet nur moderate Vorteile: Das Risiko für Fettleibigkeit war um 29 Prozent reduziert (OR: 0,71), für Diabetes um 20 Prozent (OR: 0,80) – weniger als bei späterer Aktivität.
- Bewegung in der Nacht ist ungünstig: Teilnehmer mit hoher Nachtaktivität hatten ein 58 Prozent höheres Risiko für Adipositas (OR: 1,58) und ein 43 Prozent höheres Risiko für Diabetes (OR: 1,43).
Diese Zusammenhänge blieben auch nach Berücksichtigung von Schlafdauer, Schichtarbeit und Beschäftigungsstatus bestehen.
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Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zur Vorbeugung von Adipositas und Diabetes nicht nur die Bewegung an sich zählt, sondern es auch die richtige Zeit dafür gibt. Vor allem am Nachmittag und Abend scheint körperliche Aktivität besonders vorteilhaft für den Stoffwechsel zu sein. Das könnte mit tageszeitlichen Schwankungen der Insulinsensitivität zusammenhängen, die am Nachmittag und Abend am niedrigsten ist – genau dann, wenn Bewegung helfen kann, die Glukoseverwertung zu verbessern.
Menschen mit Diabetes oder erhöhtem Risiko für Fettleibigkeit könnten daher davon profitieren, gezielt nachmittags oder abends Sport zu treiben bzw. körperlich aktiv zu sein. Ein Spaziergang nach dem Abendessen könnte sich als besonders nützlich erweisen, auch wenn diese spezifische Aktivität in der Studie nicht untersucht wurde. Für allgemeine Bewegungsempfehlungen könnten die Ergebnisse relevant sein, da sie nahelegen, dass Bewegung nicht nur generell gefördert, sondern auch strategisch besser verteilt werden sollte.
Mögliche Einschränkungen
Da es sich um eine Querschnittsstudie handelt, lassen sich keine eindeutigen Kausalzusammenhänge ableiten. Zudem wurde nicht genau die Art der Bewegung erfasst und auch nicht zwischen Freizeit- und Arbeitsaktivität unterschieden, sodass nicht klar ist, ob es freiwillig oder beruflich bedingt war. Auch die Ernährung der Teilnehmer blieb unberücksichtigt, obwohl sie den Stoffwechsel beeinflussen kann.
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Fazit
Die Untersuchung zeigt, dass die Tageszeit ein Faktor zur Senkung des Risikos für Adipositas und Diabetes ist und Bewegung am Nachmittag und Abend offenbar am effektivsten ist. Wer gezielt seine Gesundheit fördern möchte, könnte also davon profitieren, Sport eher in die zweite Tageshälfte zu legen. Gleichzeitig sollte nächtliche Aktivität vermieden werden, da sie mit negativen Stoffwechselveränderungen einhergeht.