6. Januar 2025, 16:02 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Eine Studie liefert Hinweise dafür, dass ein entleerter Darm das Denken bei Triathleten verbessern kann. Ist der Darm eine verborgene Quelle mentaler Schärfe? Und sollten Langstreckensportler am Abend vor einem Wettkampf mit Magnesium abführen?
Triathleten müssen unter extremen Bedingungen mentale und physische Belastungen bewältigen. Wer wissen möchte, wie einer der erfolgreichsten Triathleten aller Zeiten mit diesem Druck klargekommen ist, dem sei unser Interview mit Triathlon-Pensionär Jan Frodeno empfohlen. Kontrolle über die eigenen Gedanken zu behalten, Kraft gebende Bilder tief in sich abgespeichert zu haben, um sie dann gezielt hervorzuholen, für Ausdauermehrkämpfer ist das – so beschreibt es Frodeno – ein wichtiges Werkzeug. Ein anderes, durchaus hilfreiches Werkzeug für geistige Schärfe ist offenbar der Zustand des Darms bzw. die Frage, ob man vor dem Wettkampf Stuhlgang hatte oder nicht. Was die Forscher mit 13 Triathleten über einen möglichen Zusammenhang von Stuhlgang und kognitiver Leistung herausfanden, erfahren Sie hier.
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Übersicht
Treffen Sportler nach Stuhlgang bessere Entscheidungen im Wettkampf?
„Stuhlgang nach Magnesiumergänzung verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit bei Triathleten“ lautet der Titel der Studie, die vorab in „Sports Medicine and Health Science“ veröffentlicht wurde.1 Ausgang der Untersuchung war eine frühere Beobachtung, dass Verstopfung mit verminderten Funktionen, wie sie für schnelle Entscheidungen benötigt werden, einhergehen könne. Das hatte eine Studie mit Parkinson-Patienten ergeben.2 Professor Kuo, der an der University of Taipe zu menschlicher Leistungsfähigkeit und Sporternährung sowie menschlichem Stoffwechsel forscht, wollte jetzt gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern herausfinden, ob auch andersherum ein Schuh draus wird: Wirkt sich ein geleerter Darm auf das Denkvermögen aus? Wenn ja, inwiefern?
Als besonders passend, um das ergründen, erschienen ihnen Triathleten. Warum? Weil es bei Sport generell häufig darum, möglichst schnell die beste Entscheidung in einer bestimmten Situation zu treffen. „Wenn Sie Sport treiben, insbesondere Langstreckensport, sendet Ihr Gehirn eine große Anzahl von Befehlen an die Muskeln“, erklärt Kuo. „Ob Sie eine Muskelkontraktion aufrechterhalten können oder nicht, hängt nicht wirklich davon ab, ob Ihr Muskel die Energie herausgepresst hat, sondern davon, ob Ihr Gehirn in der Lage ist, Ihren Muskel herauszufordern.“ Er argumentiert: „Das Gehirn ist das wichtigste Organ, das Ihre Leistung bestimmt und entscheidet, wie lange Sie Ihre Muskelkontraktion aufrechterhalten können.“
Da käme es schon recht, unter Stressbedingungen diejenige geistige Ressource abzurufen, die die beste Entscheidung hervorbringt – was wiederum über Erfolg und Misserfolg entscheiden kann.
Auch interessant: Die ideale Anzahl von Stuhlgängen pro Tag für eine optimale Gesundheit
Studiendesign und absolvierter Test
Für ihre kontrollierte Studie rekrutierten die Forscher 13 Elite-College-Triathleten mit einem Durchschnittsalter von 20,3 Jahren. Jeweils morgens zwischen sechs und acht Uhr nach einer zehnstündigen Fastenzeit (die Teilnehmer erhielten am Vortag identische Mahlzeiten und tranken am Testmorgen 300 Milliliter Wasser, um Flüssigkeitsverluste auszugleichen) absolvierten sie den sogenannten Stroop-Test, jeweils unter drei Testbedingungen:
- ohne vorher Stuhlgang zu haben
- eine Woche später eine Stunde nach dem Stuhlgang ohne Hilfe von Magnesium als Abführmittel
- und noch eine weitere Woche später eine Stunde nach dem Stuhlgang und 13 Stunden nach der Einnahme von Magnesium
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung kann es bei Erwachsenen schon ab einer Zufuhr von 300 Milligramm Magnesium pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel zu Durchfall kommen.3
Was ist der Stroop-Test?
Der Farbe-Wort-Inteferent-Test ist ein Verfahren zur Prüfung spezieller Aspekte der selektiven Aufmerksamkeit. Er besteht aus drei Komponenten: einer Liste mit Farbnamen, die so rasch wie möglich vorzulesen sind; einer Liste mit farbigen Strichen, deren Farben möglichst schnell bekannt werden sollen sowie einer Liste mit farbig gedruckten Farbnahmen, wobei die Druckfarbe nicht immer dem Farbnahmen entspricht und man den Namen der Druckfarbe möglichst schnell benennen soll.4
Ergebnis der Studie: Besseres Abschneiden im Stroop-Test durch Stuhlgang
Der Stuhlgang führte bei fast zwei Dritteln der Teilnehmer zu einem deutlich besseren Abschneiden beim Stroop-Test. Alle Teilnehmer schnitten besser ab, wenn der Stuhlgang durch Magnesium ausgelöst worden war.
Die Ergebnisse:
- Ohne Stuhlgang 27,1 Sekunden;
- Stuhlgang ohne Magnesium im Schnitt 24,4;
- Stuhlgang nach Magnesium 23,4 Sekunden.
Das weise, schreiben die Forscher, auf „einen unterforschten kausalen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Rektums und der kognitiven Leistung hin“.
Diese Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen Darm und Hirn stimmt u. a. mit der Weisheit in der ayurvedischen Tradition überein: Dort lautet die Empfehlung etwa, zunächst die Toxine aus dem Körper und speziell aus dem Magen-Darm-Trakt zu entfernen, um das Gehirn in einen Zustand zu versetzen, in dem es nach gesünderer Ernährung regelrecht verlangt. Mehr dazu hat FITBOOK recherchiert.
Höherer Sauerstoffverbrauch im Darm nach Stuhlgang
Die Forscher im Fall der Triathleten-Studie interessierten sich auch für mögliche Auswirkungen der Darmentleerung auf den Stoffwechsel. Ein Parameter, der hierfür gemessen wurde, ist die Sauerstoffsättigung. Sie ist ein Maß für den Sauerstoffverbrauch. Während die Triathleten den Test machten, nahm die Sauerstoffsättigung im unteren Bauch signifikant ab, wenn sie Stuhlgang gehabt hatten. Heißt: Der Darm verbraucht nach dem Stuhlgang bei der Entscheidungsfindung mehr Sauerstoff. Im präfrontalen Kortex (also im Gehirn) hingegen blieben Sauerstoffsättigung und Blutverteilung weitgehend unverändert.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Stuhlgang – insbesondere unterstützt durch Magnesium – nicht nur die kognitive Leistung steigert, sondern auch den Stoffwechsel in einer spezifischen Körperregion beeinflusst, die mit der Entscheidungsfindung verbunden sein könnte, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Gemeint ist die Bauchregion, die womöglich eine aktive Rolle bei kognitiven Herausforderungen spielt.
Laut Professor Chia-Hua Kuo und den anderen Studienautoren könnte die Darmentleerung, unterstützt durch Magnesium, eine einfache und effektive Strategie sein, um mentale Klarheit und Entscheidungsfähigkeit zu fördern.
Laut Studie Was die Häufigkeit des Stuhlgangs mit der Gehirngesundheit zu tun hat
Studie Mangel an diesen zwei Mineralstoffen kann kognitive Leistung verschlechtern
Studie Antibiotika-Einnahme über mehrere Monate kann dem Gehirn schaden
Bedeutung der Erkenntnisse
Diese Erkenntnisse dürften nicht nur für Sportler interessant sein, die unter Wettbewerbsbedingungen schnelle Entscheidungen treffen müssen. Profitieren könnten womöglich alle Personen, die im Alltag hohe kognitive Anforderungen bewältigen müssen. Unterstützen könnte sie hierbei eine magnesiumreiche Ernährung. Mit Blick auf die Studienteilnehmer (gesunde Elite-Sportler, sehr jung) ist natürlich nicht klar, ob sich die Ergebnisse der Studie auf eine breitere oder ältere Bevölkerungsgruppe übertragen lassen. Auch die mit 13 Personen sehr kleine Probandenanzahl schränkt die Aussagekraft der Studienergebnisse ein.
Dennoch liefert die Studie einmal mehr Hinweise dafür, was moderne Forschung schon seit einigen Jahren zeigt: Darm und Gehirn kommunizieren permanent und beeinflussen sich wechselseitig. Man weiß inzwischen, dass die Darmflora an schweren neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer beteiligt ist und von Darmmikroben produzierte Metaboliten emotionale Zustände verstärken und sogar verlängern. Mehr zur Darm-Hirn-Verbindung und ihren Folgen für die Gesundheit hat FITBOOK hier recherchiert.