10. Dezember 2024, 12:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Viele Menschen mit einer bekannten Schilddrüsenunterfunktion (Fachbegriff: Hypothyreose) nehmen ein Arzneimittel ein, um den Mangel an körpereigenen Hormonen auszugleichen. Dieses soll die ungewünschten Begleiterscheinungen ihres eigentlichen Befunds lindern. Doch offenbar kann eine Nebenwirkung des Schilddrüsenmedikaments selbst ähnlich schwerwiegend sein – auch dann, wenn es in der empfohlenen Menge eingenommen wird. Dies zeigt eine aktuelle Untersuchung.
Die Schilddrüse gilt umgangssprachlich als „Motor des Körpers“. Die von ihr gebildeten Hormone sind für die Regulierung zahlreicher Stoffwechselprozesse verantwortlich – das Organ beeinflusst das gesamte Herz-Kreislauf- und Nervensystem sowie u. a. den Kalziumhaushalt.1 Liegt eine Schilddrüsenunterfunktion vor, kann das je nach Ausprägung verschiedene stoffwechselbezogene Beschwerden mitbringen. Hierzu zählen eine mögliche Gewichtszunahme, Unkonzentriertheit und Abgeschlagenheit, Kälteempfindlichkeit und einiges mehr. Ein gängiges Mittel zur Behandlung ist die Vergabe eines Schilddrüsenmedikaments, und dabei eine regelmäßige Kontrolle der Dosierung sinnvoll. Womöglich aber kann es dauerhaft auch dann ungewünschte Nebenwirkung haben, wenn man es wie empfohlen dosiert. Zu dieser Erkenntnis kamen Radiologen und Endokrinologen der Johns Hopkins University in einer gemeinsamen Untersuchung.
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Übersicht
Studie zu Schilddrüsenmedikament und seinen Nebenwirkungen
Grund für die Untersuchung sei die Annahme gewesen, „dass ein erheblicher Anteil der Verschreibungen von Schilddrüsenhormonen älteren Erwachsenen ohne Hypothyreose verabreicht wird“. So äußert sich Studienautorin Dr. Elena Ghotbi in einer kürzlich erschienen Pressemitteilung.2 Dieser leichtfertige Umgang mit Schilddrüsenmedikamenten habe Fragen dazu aufgeworfen, wie sich die Einnahme der Mittel auf die so Behandelten auswirken könnte. Die Antwort darauf könnte lauten, dass er ungewünschte Folgen für die Knochengesundheit mit sich bringt.
Schilddrüsenmedikament Levothyroxin: So wirkt es
Das Schilddrüsenmedikament Levothyroxin ist ein Schilddrüsenersatzhormon. Seine Einnahme soll das von der eigenen Schilddrüse selbst unzureichend produzierte Hormon TSH kompensieren.3 Für eine gesunde Schilddrüsenfunktion müssen mehrere Hormone in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Ziel der Behandlung ist es, die Gesamtheit der Schilddrüsenhormone in einen Referenzbereich zu bringen. Es ist bekannt, dass das Schilddrüsenmedikament verschiedene Nebenwirkungen haben kann – speziell, wenn man zu viel davon einnimmt. Als am häufigsten gelten dabei Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Herzrasen.
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Knochenschwund durch Einnahme von Levothyroxin?
„Unsere Studie legt nahe, dass die Einnahme von Levothyroxin selbst bei Einhaltung der aktuellen Richtlinien mit einem stärkeren Knochenschwund bei älteren Erwachsenen verbunden zu sein scheint.“ Dies erklärt Studienhauptautor Shadpour Demehri in der Veröffentlichung. Mit „Richtlinien“ sind die allgemeinen Referenzwerte für einen gesunden Schilddrüsenhormonspiegel gemeint.
Für ihre Untersuchung verwendeten die Forscher Daten aus der Baltimore Longitudinal Study of Aging (BLSA), einer der ältesten und umfassendsten Studien zur Erforschung des Alterns.4 Sie konzentrierten sich dabei auf Frauen und Männer ab dem 65. Lebensjahr mit Schildrüsenwerten im Normalbereich. Bei 81 waren diese auf die Einnahme von Medikamenten zurückzuführen. 364 der Probanden dagegen hatten im betrachteten Zeitraum keine Schilddrüsenmedikamente eingenommen. In mindestens zwei Untersuchungen im Verlauf der Studie nahmen die Forscher bei den Senioren Knochendichtemessungen vor.
Es ist grundsätzlich normal, dass mit zunehmendem Alter die Knochendichte nachlässt. Diese ist gemeinhin um das 30. Lebensjahr herum am höchsten. Ab Mitte 30 baut sich jedes Jahr rund ein Prozent der Knochenmasse ab. Dr. Ghotbi und ihren Kollegen ging es nun darum, herauszufinden, ob die Einnahme des Schilddrüsenmedikaments Levothyroxin die Nebenwirkung hat, den natürlichen Knochenschwund zu fördern.
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Die Analyse zeigte – auch unter Berücksichtigung weiterer bekannter Risikofaktoren für die Knochengesundheit –, dass die Einnahme von Levothyroxin mit einem höheren Knochendichteverlust verbunden war. Dies traf auch auf Probanden zu, denen die Medikation zu TSH-Werten im Normalbereich verholfen hatte. Der Effekt entwickelte sich durchschnittlich über einen Nachbeobachtungszeitraum von rund 6,3 Jahren.
Die verantwortlichen Forscher mahnen auf Basis ihrer Erkenntnisse zu einer engmaschigen Kontrolle medikamentöser Behandlungen von Schilddrüsenunterfunktionen. „Es sollte eine Nutzen-Risiko-Bewertung durchgeführt werden“, erklären sie, „bei der die Stärke der Indikationen für die Behandlung gegen die potenziellen unerwünschten Wirkungen von Levothyroxin (…) abgewogen werden.“ Mit den genannten Risiken beziehen sich die Forscher auf die Abnahme der Knochendichte als Risikofaktor für Osteoporose. Der Befund geht mit einer stark erhöhten Brüchigkeit der Knochen einher und ist entsprechend ernst zu nehmen. Zur Vorbeugung empfiehlt sich eine auf die Knochendichte ausgerichtete Ernährung (mehr Informationen dazu hier) und ausreichend körperliche Aktivität. Vor allem Krafttraining gilt als vorteilhaft.
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Hinweise der Redaktion
Es ist allgemein sicher richtig, dass man die Einnahme von Arzneimittel nach Möglichkeit vermeiden sollte. Auch lässt sich mitunter im Fall leichter Schilddrüsenunterfunktionen dem trägen Organ durch eine jod- und selenreiche Ernährung auf die Sprünge helfen und so die Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten umgehen.
Das Wissen um mögliche Nebenwirkungen sollte Sie jedoch keinesfalls dazu bewegen, sich ohne Absprache mit einem Mediziner selbst zu therapieren bzw. ihre verschriebenen Medikamente eigenmächtig abzusetzen. Denn unbehandelt kann eine massive Hypothyreose schwerwiegende Folgen haben. Die fehlenden Hormone können bedeutsame Organfunktionen drosseln, was schlimmstenfalls zum Tod führen kann. Sprechen Sie bei Bedenken unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt.