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Schweizer Untersuchung

Kaffee gegen geistigen Verfall bei Vorhofflimmern? Studie gibt Hoffnung

Kaffee könnte laut einer Schweizer Studie vor geistigem Verfall schützen
Kaffee könnte laut einer Schweizer Studie vor geistigem Verfall schützen Foto: Getty Images / Victor Golmer
Nuno Alves
Chefredakteur

23. Dezember 2024, 11:09 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Kaffee ist für viele ein unverzichtbarer Bestandteil des Tages – vor allem, aufgrund seiner wach machenden Wirkung. Dass auch die Gesundheit allgemein profitiert, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Forschungsergebnisse gezeigt. Von besonderem Interesse dabei: der Einfluss von Kaffee auf das Gedächtnis. Eine neue Studie aus der Schweiz zeigt nun, dass regelmäßiger Kaffeekonsum die geistige Leistungsfähigkeit bei Menschen mit Vorhofflimmern deutlich verbessern könnte.

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Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung bei Erwachsenen und betrifft Millionen von Menschen weltweit. Gleichzeitig ist bekannt, dass das Leiden das Risiko für Demenz und kognitiven Abbau erhöht. Während früher oft dazu geraten wurde, Kaffee wegen seiner stimulierenden Wirkung zu meiden, widersprechen neuere Forschungen diesem Ansatz. Eine kürzlich im „Journal of the American Heart Association“ veröffentlichte Untersuchung liefert spannende Hinweise. Je mehr Kaffee konsumiert wurde, desto besser schnitten die Studienteilnehmer in einer Reihe kognitiver Tests ab.1 Dabei wurde sogar eine Verzögerung der kognitiven Alterung um fast sieben Jahre bei denjenigen festgestellt, die fünf oder mehr Tassen täglich tranken. Somit könnte Kaffee bei Vorhofflimmern einen gewissen Schutz vor geistigem Verfall bieten. Unklar ist allerdings, welche Mechanismen zugrunde liegen.

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Kaffee bei Vorhofflimmern: Was und warum wurde untersucht?

Die Schweizer Studie unter der Leitung von Dr. Massimo Barbagallo und Prof. Dr. Jürg H. Beer wollte wissen, ob regelmäßiger Kaffeekonsum den kognitiven Abbau bei Menschen mit Vorhofflimmern – einer Herzrhythmusstörung, die oft mit Demenz assoziiert ist – verhindern oder verzögern kann. Hintergrund ist, dass Vorhofflimmern (kurz: VHF) nicht nur das Risiko für Schlaganfälle erhöht, sondern auch eigenständig kognitive Beeinträchtigungen fördert. Gleichzeitig haben frühere Studien gezeigt, dass Kaffee positive Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit bei gesunden Personen haben kann (FITBOOK berichtete).

Das Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob und in welchem Maße Kaffee diese Schutzwirkung auch bei Personen, die unter Vorhofflimmern leiden, entfalten kann. Dabei konzentrierte sich die Untersuchung auf kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Gedächtnisleistung. Zusätzlich wurden Biomarker für Entzündungen wie hochsensitives C-reaktives Protein (hsCRP) und Interleukin-6 (IL-6) gemessen. So wollte man einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Reduzierung der Entzündungs-Parameter und verbesserten kognitiven Funktionen zu prüfen.

Studiendesign und Methoden

Die Daten für die Studie stammen aus der Schweizer Vorhofflimmer-Kohortenstudie (Swiss-AF), die zwischen 2014 und 2017 mehr als 2400 Personen mit diagnostiziertem Vorhofflimmern einschloss. Die Teilnehmer, durchschnittlich 73 Jahre alt, wurden an 14 Zentren in der Schweiz untersucht. Sie beantworteten Fragen zu ihrem Kaffeekonsum und durchliefen mehrere kognitive Tests, darunter den Montreal Cognitive Assessment (MoCA), der frühe Demenzstadien erkennen kann, und andere, die Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Koordination bewerten.

Der Kaffeekonsum pro Tag wurde in Gruppen eingeteilt:

  1. weniger als eine Tasse
  2. eine Tasse
  3. zwei bis drei Tassen
  4. vier bis fünf Tassen
  5. mehr als fünf Tassen

Einheitliche Tassen- oder Kaffeemengen wurden nicht festgelegt.

Zusätzlich analysierten die Schweizer Forscher die Blutproben, um die oben beschriebenen Entzündungsmarker wie hsCRP und Interleukin-6 zu messen. Die Ergebnisse wurden mittels gemischter Modelle berechnet. Mit diesen lassen sich auch Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), Rauchen, körperliche Aktivität und Schlaganfall-Historie berücksichtigen.

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Kernergebnis der Studie: Kaffee fördert kognitive Leistung und senkt Entzündungsmarker

Die Analyse zeigte eine klare und konsistente Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Kaffeekonsum und kognitiver Leistung:

  • Personen mit hohem Kaffeekonsum erzielten signifikant bessere Werte in Tests zur Verarbeitungsgeschwindigkeit, visuellen Koordination und Aufmerksamkeit – um bis zu 11 Prozent besser als Nicht-Kaffeetrinker.
  • Die kognitive Leistungsfähigkeit der Gruppe mit dem höchsten Kaffeekonsum war vergleichbar mit einer um 6,7 Jahre jüngeren Altersgruppe.
  • Personen, die fünf oder mehr Tassen pro Tag tranken, wiesen mehr als 20 Prozent niedrigere Werte bei entzündlichen Markern wie hsCRP und Interleukin-6 auf, die mit kognitivem Abbau in Verbindung stehen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kaffee einen schützenden Effekt auf die kognitive Gesundheit haben könnte, besonders bei einer ohnehin gefährdeten Gruppe wie Menschen mit Vorhofflimmern.

Die Bedeutung der Ergebnisse

Für Betroffene und Forscher liefern die Ergebnisse interessante Perspektiven: Kaffee scheint nicht nur sicher für Vorhofflimmern-Patienten zu sein, sondern könnte sogar kognitiven Abbau abschwächen. Besonders relevant ist dies für ältere Menschen, da sie stärker von Vorhofflimmern und etwaigen Folgeerkrankungen betroffen sind.

Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass die antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften des Kaffees – vermittelt durch Inhaltsstoffe wie Koffein, Magnesium und Niacin – eine Schlüsselrolle spielen könnten. Überdies passt die Untersuchung in das Gesamtbild der Forschung, die Kaffee immer wieder mit positiven Effekten auf die kognitive Gesundheit in Verbindung bringt.

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Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, hat die Studie einige methodische Einschränkungen. Es handelt sich um eine Querschnittsstudie, bei der Kaffeekonsum und kognitive Fähigkeiten zum gleichen Zeitpunkt erhoben wurden. Sie deutet auf einen Zusammenhang hin, aber lässt keine Rückschlüsse auf eine Kausalität zu, also darauf, ob der Kaffeekonsum tatsächlich die Ursache für die besseren kognitiven Fähigkeiten ist. Auszuschließen sei das jedoch nicht, wie Dr. Massimo Barbagallo auf Anfrage von FITBOOK erklärt. Mit der von den Forschern nachgewiesenen antientzündlichen Wirkung des Kaffeekonsums sei eine Kausalität durchaus möglich.

Zudem basieren die Angaben zum Kaffeekonsum auf Selbstauskunft, was zu Ungenauigkeiten führen kann. Ebenso wurden keine Standardmaße für die Kaffeetassen definiert. Allerdings weist Dr. Barbagallo hier darauf hin, dass eine massive Variabilität des Kaffeekonsums „wohl kaum zu signifikanten Resultaten, wie wir sie in unserer Studie beobachten konnten, führen würde“.

Eine weitere Einschränkung ist, dass aufgrund der Tatsache, dass die Studie nur eine Schweizer Studienpopulation einschloss, eine Anwendbarkeit der Ergebnisse auf andere Bevölkerungsgruppen nur bedingt möglich sein könnte. Zumindest auf die allgemeine europäische Bevölkerung sieht Barbagallo aber eine Übertragbarkeit. „Dies liegt daran, dass die Schweizer Bevölkerung sowohl den deutschen, französischen als auch italienischen Kulturraum einschließt und der Anteil an Menschen mit ausländischer Herkunft je nach Region zwischen 20 und 40 Prozent beträgt.“ Für asiatische oder afrikanische Bevölkerungen gelte dies aber nur bedingt.

Das sagen die Forscher zu ihren Ergebnissen

Auch für die Forschergruppe waren die Ergebnisse der Studie teils überraschend. „Wir waren beide erstaunt, dass bereits bei geringem Kaffeekonsum ein messbarer und signifikanter Unterschied in den verschiedenen kognitiven Tests beobachtbar war“, so Dr. Massimo Barbagallo zu FITBOOK. Auch waren sie überrascht, „dass mit höherem Kaffeekonsum einige der Scores kontinuierlich besser wurden, obwohl man in der Dosis-Wirkungs-Kurve normalerweise eher eine umgekehrte U-Kurve erwarten würde“, d. h., dass der Effekt irgendwann abflauen würde.

Ein Aspekt der Studie war auch die interessante Beobachtung, dass sich mit höherem Kaffeekonsum offenbar Entzündungsmarker verbesserten. Wie genau dies im Detail zustande kommt, ist „eine sehr spannende und noch nicht gänzlich geklärte Frage“, sagt Barbagallo. „Unsere Tasse Kaffee besteht aus einer Vielzahl an Inhaltsstoffen, wobei jeder dieser Stoffe einen unterschiedlichen Effekt auf unseren Körper haben könnte.“ Neben Koffein zählten hierzu Komponente wie Trigonellin (als NAD+ Vorläufer und Unterdrücker der Entzündungsmediatoren NF-κB und TNF α), Melanoidine (mit beschriebenen antioxidativen Effekten), Magnesium (als wichtiger Co-Faktor verschiedenster chemischer Reaktionen in unserem Organismus) und Niacin (ebenfalls mit antioxidativer Wirkung) eine bedeutende Rolle. „Letztendlich wird eine Kombination aus verschiedenen Mechanismen für die antientzündlichen Effekte verantwortlich sein, die offensichtlich auch biochemisch messbar sind“, so Barbagallo zu FITBOOK.

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Fazit

Die Studie zeigt, dass regelmäßiger Kaffeekonsum mit einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit bei Menschen mit Vorhofflimmern assoziiert ist. Während weitere Forschung notwendig ist, um diese Ergebnisse zu bestätigen und ihre Ursachen zu klären, kann man zumindest daraus schließen, dass Vorhofflimmern-Patienten Kaffee nicht generell meiden müssen. Im Gegenteil: Kaffee könnte bei angemessenem Konsum sogar dabei helfen, die kognitive Gesundheit zu erhalten. Barbagallo würde Patienten dennoch nicht proaktiv dazu raten, „nun mit dem Kaffeekonsum zu beginnen oder, entgegen dem persönlichen Bedarf bzw. Genuss, mehr Kaffee zu konsumieren“. Dem Forscherteam sei es wichtig aufzuzeigen, dass es einen Zusammenhang „zwischen Kaffeekonsum und Gehirnleistung in einer für kognitive Defizite sehr vulnerablen Patientenpopulation gibt und dass diejenigen, die Kaffee konsumieren, dies bewusst und ohne schlechtes Gewissen tun können“. Eine strikte Ernährungsempfehlung aufgrund unserer detektierten Assoziation wäre jedoch etwas zu gewagt.

Themen Kaffee

Quellen

  1. Barbagallo, M., et al. (2024). Coffee Consumption Correlates With Better Cognitive Performance in Patients With a High Incidence for Stroke. Journal of the American Heart Association ↩︎
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