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20. Februar 2025, 17:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Corona-Impfstoffe haben weltweit Millionen von Menschen vor schweren Erkrankungen und Todesfällen bewahrt. Dennoch berichten einige Personen über langanhaltende Beschwerden nach der Impfung, ein Phänomen, das als Post-Vakzin-Syndrom (PVS) bezeichnet wird. Eine neue Studie der Yale University liefert nun erste Hinweise auf immunologische Veränderungen, die hinter diesen Beschwerden stecken könnten. Die Studienergebnisse könnten dazu beitragen, das Syndrom besser zu verstehen und gezielte Forschungen zur Diagnostik und Therapie anzustoßen. FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann erklärt, was die Forscher herausgefunden haben.
Die Einführung der Corona-Vakzine hat wesentlich dazu beigetragen, die Pandemie einzudämmen. Aber es gibt auch Berichte über Impfschäden. Bei manchen Menschen stellten sich nach der Impfung anhaltende Symptome ein, darunter chronische Erschöpfung, neurologische Beschwerden und entzündliche Reaktionen. Bisher gab es jedoch wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu möglichen biologischen Mechanismen hinter diesen Symptomen. Dies wollten Wissenschaftler der Yale-Universität ändern. Tatsächlich liefern sie mit ihrer Untersuchung interessante Einblicke in körperliche Veränderungen von am Post-Vakzin-Syndrom erkrankten Menschen.
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Übersicht
Post-Vakzin-Syndrom
Das sogenannte Post-Vakzin-Syndrom (PVS) ist bislang nicht klar definiert. Die Symptome ähneln teilweise denen von Long Covid, weshalb es schwierig ist, kausale Zusammenhänge herzustellen. Die aktuelle Studie analysierte immunologische Merkmale von Betroffenen und verglich sie mit gesunden geimpften Personen, um mögliche Unterschiede zu identifizieren.
Gibt es immunologische Faktoren, die die Impfschäden erklären könnten?
Ziel der Studie war, potenzielle immunologische und antigenische Besonderheiten bei Personen mit PVS zu identifizieren. Dazu wurden Daten aus der Yale LISTEN-Studie analysiert, einer laufenden Forschungsinitiative zu Langzeitfolgen von Covid-19 und Impfungen.1
Konkret wurden folgende Fragen untersucht:
- Gibt es Unterschiede in den Immunzellprofilen zwischen PVS-Betroffenen und gesunden, geimpften Personen?
- Liegen Hinweise auf Virusreaktivierungen, insbesondere des Epstein-Barr-Virus (EBV), vor?
- Sind bei PVS-Betroffenen höhere Mengen an zirkulierenden Spike-Proteinen nachweisbar?
- Gibt es Unterschiede in den Antikörperreaktionen auf die Impfung?
So war die Studie aufgebaut
Die Studie wurde als dezentrale, querschnittliche Beobachtungsstudie durchgeführt. Das bedeutet, dass die Untersuchung eine Momentaufnahme darstellt und keine Aussagen über zeitliche Veränderungen machen kann.
Studienteilnehmer
- 42 Personen mit PVS (länger als sechs Wochen anhaltende Symptome nach Covid-19-Impfung)
- 22 gesunde geimpfte Kontrollpersonen
Die Methodik
- Analyse von Immunzellprofilen
- Messung von Antikörpertitern gegen das Spike-Protein (Titer ist die Maßeinheit bei Antikörpern, der die Verdünnungsstufe angibt, welche wichtig für eine positive Antigen-Antikörper-Reaktion sind A. d. R.)2
- Nachweis von zirkulierenden Spike-Proteinen
- Untersuchung auf Epstein-Barr-Virus-Reaktivierung anhand serologischer Marker
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Besonderheiten bei Post-Vakzin-Betroffenen
Die Studie identifizierte mehrere signifikante Unterschiede zwischen PVS-Betroffenen und gesunden geimpften Personen:
Veränderte Immunzellprofile
PVS-Betroffene wiesen eine geringere Anzahl an zirkulierenden Gedächtnis- und Effektor-CD4-T-Zellen (Typ 1 und Typ 2) auf. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle in der Immunabwehr.
Gleichzeitig wurde eine erhöhte Anzahl an TNFα+ CD8-T-Zellen festgestellt, was auf eine veränderte Immunaktivität hinweisen könnte.
Geringere Antikörperreaktion
PVS-Betroffene hatten insgesamt niedrigere Anti-Spike-Antikörpertiter als die Kontrollgruppe.
Dieser Unterschied war größtenteils darauf zurückzuführen, dass sie im Durchschnitt weniger Impfstoffdosen erhalten hatten.
Häufigere Epstein-Barr-Virus-(EBV)-Reaktivierung
Bei PVS-Betroffenen wurden häufiger serologische Hinweise auf eine kürzlich erfolgte EBV-Reaktivierung gefunden als in der Kontrollgruppe. Epstein-Barr ist ein Virus, das mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht wird und auch nach Covid-19-Infektionen reaktiviert werden kann.
Nachweis von zirkulierenden Spike-Proteinen
PVS-Betroffene wiesen höhere Mengen an zirkulierenden Spike-Proteinen auf als gesunde, geimpfte Personen. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Spike-Protein nach der Impfung in manchen Fällen länger im Körper verbleibt, jedoch sind weitere Studien notwendig, um die Bedeutung dieses Befunds zu klären.
Die Bedeutung der Studienergebnisse
Die Studie liefert erste wissenschaftliche Hinweise darauf, dass das Post-Vakzin-Syndrom mit spezifischen immunologischen Veränderungen einhergeht. Die beobachteten Unterschiede in Immunzellpopulationen, EBV-Reaktivierung und persistierenden Spike-Proteinen könnten eine Rolle bei den anhaltenden Symptomen spielen.
Mögliche Folgen der nachgewiesenen Veränderungen
- Veränderte Immunregulation: Die Reduktion von Gedächtnis-T-Zellen bei gleichzeitiger Erhöhung entzündlicher CD8-T-Zellen könnte auf eine veränderte Immunantwort hinweisen.
- Virusreaktivierung: EBV-Reaktivierungen wurden auch bei Long Covid beobachtet und könnten zu anhaltenden Beschwerden beitragen.
- Persistierende Spike-Proteine: Der Nachweis von zirkulierenden Spike-Proteinen bei PVS-Betroffenen legt nahe, dass das Immunsystem in einigen Fällen länger mit dem viralen Antigen konfrontiert sein könnte.
Diese Ergebnisse zeigen potenzielle Mechanismen auf, sind jedoch nicht ausreichend, um eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung herzustellen.
Schwächen und Stärken der Studie
Zu den Stärken der Studie gehört, dass sie hochwertige Immunanalysen zur Identifikation biologischer Unterschiede umfasst und mehrere mögliche Mechanismen hinter dem Post-Vakzin-Syndrom betrachtete. Die Forscher untersuchten Immunzellen, Antikörper, Epstein-Barr-Virus-Reaktivierung sowie Spike-Proteine. Außerdem bezogen sie eine Kontrollgruppe von geimpften Personen ohne Impfschäden mit ein, was eine bessere Vergleichbarkeit ermöglicht.
Zu den Schwächen zählt die kleine Stichprobe, die lediglich 42 PVS-Betroffene und 22 Kontrollpersonen umfasste. Daher lassen sich die Studienergebnisse nicht verallgemeinern. Zudem zeigt die Querschnittsstudie nur Assoziationen, belegt aber keine Kausalität. Hierfür müsste auf Basis der aktuellen Erkenntnisse weiter geforscht werden.
Zudem fehlen Vergleichsdaten von Long-Covid-Patienten, um sicherzugehen, dass die festgestellten Veränderungen tatsächlich spezifisch für das Post-Vakzin-Syndrom sind. Weiter wird die Interpretation der Studienergebnisse durch eine heterogene Symptomatik der Studienteilnehmer erschwert. Die PVS-Patienten litten an unterschiedlichen Beschwerden.
Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass es sich bei der veröffentlichten Yale-Studie um ein Preprint handelt, was bedeutet, dass eine unabhängige Prüfung durch andere Wissenschaftler noch aussteht.
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Fazit
Die Studie liefert erste biologische Hinweise dafür, dass das Post-Vakzin-Syndrom mit spezifischen Immunveränderungen zusammenhängen könnte. Besonders auffällig sind die Reduktion wichtiger Immunzellen, Hinweise auf eine EBV-Reaktivierung und das vermehrte Vorkommen von zirkulierenden Spike-Proteinen.
Ob diese Faktoren eine direkte Rolle bei der Entstehung von PVS spielen oder lediglich Begleiterscheinungen sind, muss in weiteren Studien mit größeren Teilnehmerzahlen untersucht werden. Die Ergebnisse bieten eine wertvolle Grundlage für zukünftige Forschungen zur besseren Diagnose und möglichen Therapie von PVS, auf der nun weitere Untersuchungen aufbauen können. Das betonten auch die Studienverantwortlichen selbst in einer Universitätsmitteilung über ihr Forschungsprojekt.3