20. September 2023, 20:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es dürfte den meisten Menschen bekannt sein, dass sich chronischer Stress negativ auf die Gesundheit auswirkt. Forscher haben nun untersucht, wie sich speziell Stress im Beruf auswirkt und dabei einen weiteren wichtigen Faktor identifiziert, der das Risiko für Herzerkrankungen deutlich erhöht.
Dass Stress auf der Arbeit wie auch im Alltag nicht gut für uns ist, merken wir meist selbst. Wir reagieren angespannt, fangen an zu schwitzen, bekommen Herzrasen und das Gefühl von Leistungsdruck und Ausweglosigkeit. In vielen Lebenssituationen müssen wir durch solche Stressbelastungen hindurch. Wer häufig Stress ausgesetzt ist, leidet oft unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen und ist anfälliger für Infekte. Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass chronischer Stress das Immunsystem schwächt und das Risiko für die Entstehung von Krebs sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht (FITBOOK berichtete). Eine neue Studie zeigt nun, dass Stress bei Männern sich besonders negativ auf das Herz auswirkt.1
Übersicht
Studie begleitete rund 6500 Angestellte über 18 Jahre
In der kanadischen Studie haben Forscher rund 6500 Probanden aus Quebec untersucht. Dabei handelte es sich um weiße Angestellte mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren. Sie wurden über einen Zeitraum von 18 Jahren beobachtet (2000 bis 2018). Zu Beginn der Studie hatte keiner der Probanden Herzkreislaufprobleme. Im Laufe der Jahre haben die Forscher per Fragebogen die Arbeitsbelastung der Studienteilnehmer abgefragt. Aber nicht nur das: Die Forscher interessierte in den Fragebögen insbesondere das Gleichgewicht zwischen erbrachter Leistung auf der Arbeit und der dafür erhaltenen Belohnung. Die Angaben aus den Fragebögen haben die Forscher gemeinsam mit Krankheitsdaten der Probanden aus der Gesundheitsdatenbank in Zusammenhang gebracht.
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Ungleichgewicht zwischen Leistung und Belohnung bei der Arbeit
In der Studie wir von einer hohen Arbeitsbelastung gesprochen, wenn an die Beschäftigten hohe Anforderungen gestellt werden, sie dabei aber wenig Kontrolle über die Arbeit haben. Mit anderen Worten: Die Angestellten haben wenig Mitspracherecht bei der Ausführung ihrer Aufgaben und der Entscheidungsfindung. Die Forscher haben sich angeschaut, wie sich eine hohe Arbeitsbelastung zusammen mit einem Ungleichgewicht zwischen Leistung und Belohnung auf die Gesundheit der Angestellten auswirkt.
„Ein Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Belohnung herrscht dann, wenn Mitarbeiter viel Zeit und Arbeitskraft investieren, aber die Belohnung, die sie im Gegenzug erhalten – wie z. B. Gehalt, Anerkennung oder Arbeitsplatzsicherheit – als unzureichend oder unangemessen für den Aufwand empfunden wird“, erklärt die leitende Studienautorin Mathilde Lavigne-Robichaud. Die Mitarbeiter sind also frustriert, weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlen.
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Bei Männern wirkt sich Stress negativ auf das Herz aus
Einige Studienteilnehmer berichteten von Überlastung am Arbeitsplatz, andere von einem Ungleichgewicht zwischen Leistung und Belohnung und einige von ihnen litten unter beidem. Diejenigen, die entweder über berufliche Belastung oder über ein Ungleichgewicht zwischen Leistung und Belohnung berichteten, hatten ein um 49 Prozent erhöhtes Risiko für eine koronare Herzerkrankung (z. B. Atherosklerose) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Wenn eine Person von beiden Stressfaktoren berichtete, stieg das Risiko sogar um 103 Prozent, verdoppelte sich also.
Warum das so ist, kann die Studie jedoch nicht genau erklären. Denn bei dieser Untersuchung handelt es sich nicht um eine kausale Analyse. Das heißt Auslöser und Wirkung können nicht direkt nachvollzogen werden. Doch die Forscher gehen davon aus, dass sich bei beruflichem Stress vermehrt Plaque in den Arterien ansammelt, dies zu erhöhtem Blutdruck führt und somit das Herz belastet. Zudem kommen häufig stressbedingter Schlafmangel sowie Übergewicht hinzu, die das Risiko für Herzkrankheiten weiter steigern.
Der Zusammenhang ließ sich bei Frauen nicht nachweisen
Interessanterweise waren hauptsächlich Männer von diesem Zusammenhang betroffen, Frauen jedoch nicht. „Die Tatsache, dass die Studie keinen direkten Zusammenhang zwischen psychosozialen Stressfaktoren am Arbeitsplatz und koronarer Herzkrankheit bei Frauen zeigen konnte, zeigt, dass das komplexe Zusammenspiel verschiedener Stressfaktoren und der Herzgesundheit von Frauen weiter untersucht werden muss“, schreibt die leitende Studienautorin Mathilde Lavigne-Robichaud in der Auswertung der Studie.
Dennoch betont die Expertin, wie wichtig es ist, in einer stressfreien Umgebung zu arbeiten. „Unsere Studie betont die dringende Notwendigkeit, stressige Arbeitsbedingungen proaktiv anzugehen, um ein gesünderes Arbeitsumfeld zu schaffen, von dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren“, so die Studienautorin.
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Stress mit richtiger Atemtechnik bekämpfen
Um sich besser vor Alltagsstress und vor allem Stress auf der Arbeit zu schützen, helfen verschiedene Techniken. Regelmäßige Meditation, Achtsamkeitstraining sowie einfache Atemübungen helfen uns, sich nicht so einfach aus der Ruhe bringen zu lassen und Stress besser auszuhalten. Eine frühere Studie hat gezeigt, dass eine bestimmte Art der Atmung namens „Cyclic Sighing“ (zyklisches Seufzen) nicht nur Stress reduziert, sondern auch das Wohlbefinden besser steigert als Meditation. Mehr dazu erfahren Sie in diesem FITBOOK-Beitrag.
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Quellen
- 1. Lavigne-Robichaud, M., Trudel, X., Talbot D. et al. (2023). Psychosocial Stressors at Work and Coronary Heart Disease Risk in Men and Women: 18-Year Prospective Cohort Study of Combined Exposures. Circulation. Cardiovascular Quality and Outcomes.