2. November 2023, 19:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eine Heilungsmöglichkeit ist zwar bisher nicht in Sicht, aber das Wissen rund um Alzheimer wird immer umfangreicher. Wie beginnt die Form der Demenz? Was passiert mit fortschreitender Erkrankung im Körper Betroffener? Fragen, für deren Antworten unzählige Wissenschaftler weltweit forschen. Jetzt wurde eine überraschende Veränderung im Gehirn identifiziert, die ein neues Frühwarnzeichen darstellen könnte. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann erklärt die Studie, die zu diesem Ergebnis kam.
Je früher Alzheimer diagnostiziert wird und mit der Behandlung begonnen werden kann, umso besser. Dies ist die Voraussetzung dafür, das Fortschreiten der bislang unheilbaren Demenzform möglichst lange herauszuzögern. Nun haben schwedische Forscher in einer umfangreichen Mäuse-Studie eine überraschende Entdeckung gemacht. Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Stoffwechsel und Alzheimer.
Übersicht
Alzheimer-Forschung mit Mäusen
In vielen Forschungsprojekten kommen Mäuse als Versuchstiere zum Einsatz. Grund dafür ist laut der Universitätsmedizin Mainz, dass selbst kleinste Moleküle und Proteine in den Körpern der Tiere uns Menschen ähneln, sodass man bei Studienergebnissen von einer gewissen Übertragbarkeit auf den Menschen ausgehen kann. Zudem können Forscher – so die Erklärung der Max-Planck-Gesellschaft – bei Mäusen gezielt Gene im Erbgut an- oder abschalten und so deren Funktionen und Wirkweisen untersuchen. Letzteres ist auch ein bedeutender Grund, warum Mäuse in der Alzheimer-Forschung genutzt werden.
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Veränderungen im Hippocampus der Versuchstiere analysiert
In ihrer Studie untersuchten Forscher des Karolinska Institutet in Schweden die Gehirne von Mäusen während verschiedener Stadien der Alzheimer-Erkrankung. So kamen sowohl jüngere als auch ältere Tiere zum Einsatz. Zudem wurde auch das Fortschreiten der Erkrankung bei den Tieren und damit einhergehende Veränderungen im Gehirn beobachtet. Das Augenmerk der Wissenschaftler lag auf dem Hippocampus, als der Hirnregion, die für die Gedächtnisbildung zuständig ist.
Um mögliche Veränderungen im Gehirn zu identifizieren, nutzten die Wissenschaftler das Verfahren der RNA-Sequenzierung. Diese Methode hilft, erkennbar zu machen, welche Gene in verschiedenen Alzheimer-Stadien in Zellen aktiv sind. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht.
Stoffwechsel-Veränderungen zu Beginn und im späteren Stadium von Alzheimer
Die Erkenntnis der Forscher: Bereits in einem frühen Alzheimer-Stadium konnten im Gehirn der Mäuse Veränderungen im Stoffwechsel, genauer dem Energiestoffwechsel nachgewiesen werden. Als die Wissenschaftler die Mitochondrien (Zell-Netzwerk, das die von Zellen benötigte Energie liefert) näher untersuchten, zeigte sich eine erhöhte oxidative Phosporylierung. Dabei handelt es sich um einen metabolischen Prozess in Zellen, der den Energieträger ATP und den Verbrauch von Sauerstoff generiert. Der schnellere Stoffwechsel steht laut den Forschern mit oxidativen Schäden in Verbindung. Diese auch als oxidativer Stress bekannten Schäden werden wiederum in Zusammenhang mit diversen Erkrankungen wie gebracht. Dazu zählen u. a. Arteriosklerose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Alzheimer und Parkinson.
Die beschriebene Veränderung im Stoffwechsel trat sehr früh in der Pathologie auf, wie die am Forschungsprojekt beteiligte Studienautorin Maria Ankarcrona in einer Universitätsmitteilung erklärte: „Interessanterweise lassen sich Veränderungen im Stoffwechsel feststellen, bevor sich die charakteristischen unlöslichen Plaques im Gehirn gebildet haben. Die veränderte Energiebilanz stimmt mit dem überein, was wir in Bildern des Alzheimer-Gehirns gesehen haben, aber wir haben diese Veränderungen jetzt in einem früheren Stadium entdeckt.“
Bei Tieren mit fortgeschrittenem Alzheimer wiesen die Wissenschaftler dagegen Hypometabolismus nach. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine verminderte Stoffwechselleistung. Zudem interessant: Zwischen dem Auftreten des schnellen und des verlangsamten Stoffwechsels fand die erste, für Alzheimer typische, Plaques-Ansammlung statt. Die Forscher beschrieben dies als eine Art Übergangsphase, bevor der Beta-Amyloid-Spiegel ein Plateau erreicht. Mit Erreichen dieses Plateaus geht zeitlich die Beeinträchtigung des Stoffwechsels einher.
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Forscher überrascht von neuer Erkenntnis
Die Rolle, die der Stoffwechsel bei der Entwicklung von Alzheimer zu spielen scheint, ist eine neue Erkenntnis, auf der die Forscher nun weiter aufbauen wollen. In weiteren Untersuchungen wollen sie ein noch genaueres Verständnis für die Bedeutung der Mitochondrien für den Verlauf der Demenz-Erkrankung gewinnen. Gleichzeitig hoffen sie, die Annahme zu bekräftigen, dass spezifische Veränderungen im Metabolismus ein frühes Warnzeichen für Alzheimer sein könnten.
„Die Krankheit beginnt sich 20 Jahre vor dem Auftreten von Symptomen zu entwickeln, daher ist es wichtig, sie frühzeitig zu erkennen“, erläuterte Per Nilsson, Forscher in der Abteilung für Neurobiologie, Pflegewissenschaften und Gesellschaft am Karolinska Institutet. „Stoffwechselveränderungen können dabei ein diagnostischer Faktor sein.“