
27. März 2025, 14:40 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Studien, die darauf hindeuten, dass ohnehin häufig verschriebene Medikamente einen neuen Nutzen haben könnten, sparen Zeit und Kosten im Vergleich zur Entwicklung neuer Wirkstoffe. Laut einer aktuellen Studie könnten bestimmte Medikamente einen gewissen Schutz vor Leberkrebs und schweren Komplikationen der Leberzirrhose bieten. Auch Menschen mit fortgeschrittener Fibrose oder metabolischer Fettlebererkrankung profitierten in der Untersuchung – und zwar von den am häufigsten verschriebenen Cholesterinsenkern.
Viagra wurde ursprünglich zur Behandlung von Angina pectoris entwickelt – dann erwies es sich als wirksam gegen erektile Dysfunktion. Minoxidil, ursprünglich als Medikament gegen Bluthochdruck entwickelt, wird heute als Mittel gegen Haarausfall verkauft. Und Aspirin, ursprünglich zur Schmerzlinderung und Blutverdünnung eingesetzt, schützt laut Studien erstaunlich gut vor Darmkrebs. Wenn bereits zugelassene und gut untersuchte Medikamente für neue therapeutische Indikationen eingesetzt werden, hat das immer viel Potenzial. Seit einigen Jahren gibt es Hinweise, dass die Einnahme von Statinen, eigentlich zur Senkung des Cholesterins entwickelt, das Risiko für fortschreitendes Leberversagen und Leberkrebs und erheblich senken kann.
Übersicht
- Nur 17 Prozent der Leberkrebspatienten leben 5 Jahre nach der Diagnose noch
- Welche Medikamente haben eine schützende Wirkung vor Leberkrebs?
- 5 Millionen Menschen in Deutschland nehmen Statine
- „Weniger Leberkrebs mit Statinen“
- 16.500 Patienten mit chronischer Lebererkrankung 10 Jahre beobachtet
- Statin-Nutzer erkranken seltener an Leberkrebs
- Statine als Zusatztherapie?
- Quellen
Nur 17 Prozent der Leberkrebspatienten leben 5 Jahre nach der Diagnose noch
Leberkrebs gehört aufgrund der schlechten Prognose zu den häufigsten Krebstodesursachen weltweit. In Deutschland kommen auf rund 9800 neue Fälle von Leberkrebs pro Jahr fast 8200 Todesfälle, das zeigen Zahlen des Zentrums für Krebsregisterdaten. Fünf Jahre nach der Diagnose leben im Schnitt nur noch 17 Prozent der Betroffenen, nach zehn Jahren sind es noch lediglich zwölf Prozent.1 Nur Lungenkrebs und Darmkrebs fordern gemessen an der Anzahl der Erkrankungen weltweit mehr Krebsopfer.
Weil die Aussichten auf Heilung so schlecht sind, gibt es in Deutschland keine etablierte Früherkennung für Leberkrebs. Regelmäßig kostenlos untersuchen lassen können sich lediglich Menschen, die Risikofaktoren für Leberkrebs mitbringen: Patienten mit einer Leberzirrhose, Patienten mit einer dauerhaften Hepatitis-B-Virusinfektion, Patienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Virusinfektion oder einer nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis sowie Patienten mit einer weit vorangeschrittenen Leberfibrose.2
Welche Medikamente haben eine schützende Wirkung vor Leberkrebs?
Zur Behandlung von Leberkrebs stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Eine ideale Methode, die für alle empfohlen wird, gibt es laut Patientenleitlinie Leberkrebs nicht. Die beste Behandlung finde man in einem zertifizierten Leberkrebszentrum.
Die häufigsten Gründe für die Entstehung von Leberkrebs und Leberzirrhose in Deutschland sind Alkoholkonsum sowie eine dauerhafte (chronische) Hepatitis-C-Virusinfektion. Entsprechend können Medikamente gegen diese Infektion das Risiko für Leberzirrhose und damit für Leberkrebs reduzieren. Bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung soll Acetylsalicylsäure helfen, kommt eine Diabetes mellitus dazu, spricht in Studien einiges für das Medikament Metformin.3
Chronische Lebererkrankungen führen schleichend zu einer Verschlechterung der Leberfunktion. Dabei erhöhen sie das Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Leberkrebs oder Leberversagen.
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5 Millionen Menschen in Deutschland nehmen Statine
Relativ neu im Fokus der Anti-Leberkrebs-Forschung: Statine. Als am häufigsten verschriebene Cholesterinsenker verschaffen sie der Pharmaindustrie enorme Gewinne. Wirkstoffe wie Atorvastatin und Fluvastatin nehmen in Deutschland fast fünf Millionen Menschen ein.4 Der Mechanismus: Statine hemmen ein Enzym in der Leber namens HMG-CoA-Reduktase, wodurch es weniger Cholesterin in den Zellen gibt. Das hemmt Entstehen und Fortschreiten einer Arteriosklerose, die bekanntlich Herzinfarkt und Schlaganfall verursachen kann.5
Seit einigen Jahren halten es Forscher für möglich, dass Statine das Risiko für Leberkrebs senken. Und auch, wenn noch keiner genau weiß, wie es funktionieren könnte, gibt es bereits Studien, die auf einen möglichen Zusammenhang hinweisen.
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„Weniger Leberkrebs mit Statinen“
„Weniger Leberkrebs mit Statinen“ – so hatte man 2015 eine Studie betitelt, die seinerzeit im „Journal of the National Cancer Institute“ erschienen war und für die man beim Vergleich von 1195 Leberkrebspatienten mit 4640 Kontrollpersonen festgestellt hatte, dass die Einnahme von Statinen von Vorteil sein könnte.6,7
Eine weitere Studie, basierend auf Daten der UK Biobank, zeigte, dass Menschen, bei denen zuvor keine Lebererkrankung zugrunde lag und die regelmäßig Statine einnahmen, das Risiko, an einem bösartigen Lebertumor zu erkranken, um 42 Prozent reduziert war.8
Weil eine präventive Einnahme für gesunde Menschen keinen Sinn ergibt, werden Statine vor allem bei Menschen mit Diabetes und chronischer Lebererkrankung auf einen möglichen, leberkrebspräventiven Effekt untersucht. Beide Gruppen haben ein erhöhtes Risiko für Leberkrebs.
16.500 Patienten mit chronischer Lebererkrankung 10 Jahre beobachtet
Nun haben Forscher in den USA nachgelegt mit einer 10-Jahres-Beobachtung von 16.500 Patienten jenseits der 40 Jahre, die jeweils zwischen 2000 und 2023 eine chronische Lebererkrankung diagnostiziert bekommen hatten und deshalb in der Klinik „Mass General Brigham“ in Boston behandelt wurden.
3610 von ihnen erhielten eine dokumentierte Statintherapie, der Rest keine. Am Ende galt es, die Frage zu klären: Senkt die Einnahme von Statinen bei diesen Menschen das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom – die häufigste Form von Leberkrebs – sowie für eine akute Dekompensation der Leberzirrhose (droht, wenn der Körper das allmähliche Versagen der Leber als Folge einer Leberzirrhose nicht mehr ausgleichen kann). Welchen Einfluss haben die Art der verabreichten Statine und die Einnahmedauer? Das Fachjournal „Jama Internal Medicine“ veröffentlichte die Studienergebnisse.9
Wichtig: Es handelt sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie. Das bedeutet, sie kann keine Kausalität beweisen, sondern nur Assoziationen aufzeigen. Und: Viele Statin-Nutzer hatten bereits aus anderen Gründen – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen – ohnehin eine Indikation zur Einnahme von Statinen. Ob die beobachteten Effekte also ausschließlich auf die Statine zurückgehen oder teils durch andere Faktoren bedingt sind, bleibt offen. Die Ergebnisse möchten wir Ihnen dennoch nicht vorenthalten.
Statin-Nutzer erkranken seltener an Leberkrebs
In der 10-Jahres-Betrachtung entwickelten nur 3,8 Prozent der Statin-Nutzer ein hepatozelluläres Karzinom – wie bereits erwähnt handelt es sich dabei um die häufigste Leberkrebsart – verglichen mit acht Prozent der Nichtnutzer. Nach Anpassung an mögliche Einflussfaktoren entsprach dies einem um 33 Prozent niedrigeren Risiko.
Nur 10,6 Prozent der Statin-Nutzer erlebten innerhalb von zehn Jahren eine Leberdekompensation. Dem gegenüber waren es 19,5 Prozent bei den Nichtnutzern. Das entsprach einem um 22 Prozent reduzierten Risiko.
Besonders stark war der Schutzeffekt der Statine bei längerer Einnahmedauer. Und: Lipophile Statine schnitten bei der Senkung des Leberkrebsrisikos geringfügig besser ab (3,7 Prozent gegenüber 4,1 Prozent bei hydrophilen Statinen), während hydrophile Statine bei Leberdekompensation leicht im Vorteil waren (7,9 Prozent vs. 11,2 Prozent).
In Subgruppenanalysen profitierten vor allem Patienten mit Fettstoffwechselstörungen, Zirrhose oder metabolisch bedingter Fettlebererkrankung. Darüber hinaus zeigten sich bei vielen Statin-Nutzern Verbesserungen im Fibroseverlauf. Also weniger Fortschreiten der Vernarbung und in einigen Fällen sogar eine Rückbildung.

Ursachen, Behandlung Anzeichen, die auf eine Leberzirrhose hindeuten

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Statine als Zusatztherapie?
Für Menschen mit chronischer Lebererkrankung könnten Statine in Zukunft eine wichtige Zusatztherapie darstellen. Allerdings nur unter ärztlicher Begleitung. Weil es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie handelt, beweist die hier vorgestellte Untersuchung keine Kausalität, sondern zeigt nur Assoziationen auf. Auch lassen sich die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen übertragen. Könnten Statine auch gesunde Menschen vor Leberkrebs schützen? Das gilt es, herauszufinden. Eine leichtfertige, präventive Einnahme verbietet sich ohnehin. Als häufigste Nebenwirkung von Statinen nennt die Deutsche Herzstiftung Muskelbeschwerden und Muskelkrämpfe. Die schwerste Nebenwirkung der Statine ist ein Muskelverfall, die Rhabdomyolyse. Sie ist aber extrem selten.4